Hamburg, Wolfsburg oder Augsburg?
Vor dem Abstiegsduell im Norden gibt es eine Debatte über Schiedsrichter Gräfe, im Süden bleibt der FCA positiv
(SID/dpa/sz) - Die ganze Fußball-Republik blickt am Samstag auf die Nervenschlacht im hohen Norden. Das Duell zwischen dem Hamburger SV und dem VfL Wolfsburg um die direkte Rettung und gegen die Relegation elektrisiert die Fans und sorgt bei den Verantwortlichen für schlaflose Nächte. Auch den FC Augsburg könnte es noch treffen.
„Es ist unsere Aufgabe, das Feuer zu entfachen“, sagte HSV-Trainer Markus Gisdol kämpferisch vor dem Saisonfinale (15.30 Uhr/Sky) im ausverkauften Volksparkstadion. Nur mit einem Sieg kann der HSV der dritten Relegation nach 2014 und 2015 entgehen – den Wölfen reicht ein Punkt. „Das sind die Tage im Leben, die man nicht vergisst – besonders, wenn man erfolgreich ist“, sagte VfL-Trainer Andries Jonker.
Womöglich können die HSV- und Wolfsburg-Anhänger gemeinsam feiern. Denn auch Augsburg ist noch gefährdet und könnte im Falle einer Zwei-Tore-Niederlage in Hoffenheim und eines gleichzeitigen HSV-Sieges noch abrutschen.
Dass an der Elbe Manuel Gräfe zum Einsatz kommt, der Referee des erfolgreichen HSV-Relegationsdramas vor zwei Jahren, sorgte rund um die Partie für Aufregung. „Hätte man mich gefragt, welcher Schiedsrichter für dieses Spiel nicht infrage kommt, wäre ich auf genau einen Namen gekommen“, sagte Ex-Schiedsrichter Markus Merk der „Hamburger Morgenpost“. Er meinte Gräfe, der dem HSV im Duell mit dem Karlsruher SC kurz vor dem Abpfiff einen umstrittenen und letztlich entscheidenden Freistoß gewährte. Für Gisdol und Jonker sind das Nebengeräusche, für die sie keine Kraft aufwenden wollen. Beide Trainer feilen an der optimalen Vorbereitung und wählten dafür konträre Ansätze. Die Hanseaten zogen sich erneut zwei Tage ins niedersächsische Rotenburg zurück, um sich einzuschwören und dem Trubel der Großstadt zu entkommen. „Wir wollen Zeit zusammen verbringen“, sagte Gisdol. Das idyllische Landhaus Wachtelhof bot dazu alle Annehmlichkeiten – von der Kaminbar über den Weinkeller bis zum luxuriösen Wellnessbereich. Fehlen wird dem HSV heute Stürmer Pierre-Michel Lasogga (Adduktorenprobleme), der auf Schalke das wichtige 1:1 erzielt hatte. Der Einsatz von Nicolai Müller, Aaron Hunt und Albin Ekdal ist noch fraglich.
Jonker setzte dagegen auf „Business as usual“. „Der Zusammenhalt ist so groß, dazu ist die Mannschaft gut genug, um es am Samstag zu schaffen“, sagte der Niederländer. Schafft der VfL die sofortige Rettung nicht, droht ein Relegationsduell mit dem Erzrivalen Eintracht Braunschweig.
Längst sind beide Clubs für den Fall der Fälle präpariert, sie haben auch die Unterlagen für den Worst Case zweite Liga zusammengestellt. „Wir haben uns natürlich organisatorisch auf alles vorbereitet, das ist unsere Pflicht“, sagte HSV-Vorstandsboss Heribert Bruchhagen: „Aber aus sportlicher Sicht machen wir uns darüber jetzt keine Gedanken.“Ähnlich denkt VfL-Manager Wolfgang Hotze, der betonte, dass sein Team noch „drei Matchbälle“hat: „Und wir alle sind überzeugt, dass wir den ersten in Hamburg verwandeln werden.“
Wolfsburg fährt mit einem guten Gefühl nach Hamburg. Der VfL blieb in den letzten neun Spielen beim HSV ungeschlagen, in der Auswärtstabelle rangieren die Niedersachsen auf Platz sechs. Der HSV hält mit seiner Heimstärke dagegen: 25 von 35 Punkten fuhr er vor eigener Kulisse ein. Mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz und Club-Idol Uwe Seeler, der erstmals seit seiner Herz-Operation auf seinen Stammplatz in der Arena zurückkehrt, kündigte sich prominente Unterstützung an.
Augsburg baut darauf, dass man aus eigener Kraft den Klassenerhalt schaffen kann. „Ich weiß, dass man sich auf niemanden verlassen kann“, sagte Routinier Halil Altintop. Mit Genugtuung verwies Trainer Manuel Baum auf die jüngsten Partien in Gladbach und gegen Dortmund, die je 1:1 endeten. „Ich erinnere an die Situation vor Gladbach, wo jeder gesagt hat: Ihr holt aus den letzten drei Spielen gar nichts. Nach Gladbach hieß es, jetzt kommen Dortmund und Hoffenheim, da holt ihr nichts.“
Der HSV und Wolfsburg spielen laut Trainer keine Rolle. „Das interessiert mich nicht. Ob die gegeneinander spielen oder nicht, ist mir total wurscht“, sagte Baum. Sich fokussieren und störende Einflüsse von außen abblocken, das soll der Trumpf im Abstiegskampf sein. „Nervosität gibt es bei uns nicht, weil wir wissen, wo unsere Stärken liegen“, sagte Altintop.
Dass ausgerechnet der HSV noch am FCA vorbeiziehen soll, das will sich Altintop nicht ausmalen, nicht nach dem überragenden 4:0-Erfolg am 30. Spieltag im direkten Duell. „Wer vor zwei Wochen im Stadion war, der hat klar gesehen, wer die bessere Mannschaft ist. Das haben wir unter Beweis gestellt“, sagte er.
Mit einer ganz spät in der Saison gefundenen Stammelf, angetrieben vom erstarkten Altmeister Altintop, und mit 3000 Fans sehnen die Augsburger das Happy End herbei. Ob Stammtorhüter Marwin Hitz nach einer Hüftblessur rechtzeitig fit wird oder Andreas Luthe wie gegen den BVB als Ersatz einspringt, war zunächst noch offen.