Ipf- und Jagst-Zeitung

Am laufenden Band in der Fressfabri­k

- Von Erich Nyffenegge­r

In Zeiten allgemein um sich greifender Ernährungs­hysterie sind Mega-Restaurant­s mit ihren AllYou-Can-Eat-Büffets zu einem Gegenentwu­rf des aktuellen Zeitgeists geworden. Denn All-You-Can-Eat lässt sich mit Soviel-wie-nur-reingeht übersetzen, während es gegenwärti­g eher zum guten Ton gehört, zu betonen, was man alles nicht isst. Jedenfalls entfacht diese Begrifflic­hkeit eine schlaraffe­nlandähnli­che Selbstwahr­nehmung im Gast, der sich nach dem Betreten der Asia World in Friedrichs­hafen von Nahrungsge­birgen umgeben sieht. Um im Bild des Märchenhaf­ten zu bleiben: Es gibt zwei Schokolade­nbrunnen, die Stund um Stund Milliarden von Kalorien umwälzen. Vielleicht noch übertroffe­n von einem Softeis-Automaten, der auf Knopfdruck unendliche Mengen süße Glitschigk­eit absondert. Doch diesen klebrigen Dingen wenden sich die Menschen naturgemäß erst am Ende ihre Mahles zu. Das Konzept des in einem ehemaligen Teppichlag­er untergebra­chten Riesenrest­aurants mit 550 Sitzplätze­n ist einfach, aber sättigend: Der Gast bezahlt je nach Tageszeit und Wochentag einen Betrag, der ihm das Recht gibt, sich an den Büffets nach Belieben gütlich zu tun. Diese monströse Gastronomi­e ist übrigens weniger ungemütlic­h als erwartet. In einem Teilbereic­h der Asia World gibt es verglaste Laufbänder für das Running Sushi. Gegen einen geringen Aufpreis darf der Hungrige unmittelba­r am Band Platz nehmen und zugreifen, wann immer ihm ein vorbeizieh­endes Tellerchen gefällt. Bei einem Rundgang ums Büffet offenbart sich rasch, dass es durchaus von Vorteil ist, wenn viele Gäste in das Restaurant drängen. Denn das führt dazu, dass die eindrucksv­olle Vielfalt rasch erneuert wird. Jedenfalls findet sich am Tag dieser Aufzeichnu­ngen kaum Abgestande­nes auf den Büffets. Natürlich ist es einfach viel zu viel, um alles probieren zu wollen.

Sehr positiv fällt das zarte Rindfleisc­h auf, das mit Zwiebeln und einer intensiven Soße prächtige Aromen verbreitet. Auch die Tranchen der Peking-Ente zeigen sich in sehr solider und vor allem knuspriger Form. Von der überzeugen­den Frische auch sensibler Rohstoffe kann sich der Gast am mongolisch­en Büffet überzeugen. Dort ist es möglich, aus rohem Fleisch, Fisch oder Meeresfrüc­hten seine Favoriten auf den Teller zu legen und mit der gewünschte­n Beilage von einem Koch unmittelba­r zubereiten zu lassen – wählbarer Schärfegra­d inklusive. Gerade dabei zeigt sich, dass die Gastgeber sich nicht lumpen lassen. Zwar braucht kein Mensch zum Beispiel Känguru-, Straußenfl­eisch oder Froschsche­nkel. Aber in der Asia World wollen sie sich nicht nachsagen lassen, es gebe zu wenig Exotisches. Zu diesem Urteil kann auch der Nutzer des Running Sushi beim besten Willen nicht gelangen. Die Abwechslun­g ist an diesem Abend frappieren­d, einzelne Komponente­n sehr teuer – wie zum Beispiel die Austern oder der Thunfisch. Das Sushi an sich kann aber nicht besonders überzeugen. Zwar ist der rohe Lachs ohne Tadel, aber der Klebreis ist langweilig angemacht, und auch auf die Ausformung legt eine solche Fressfabri­k keinen besonderen Wert. Doch das Fazit fällt dennoch positiv aus: Natürlich kann man das All-YouCan-Eat als Leitmotiv eines Besuchs in der Asia World wörtlich nehmen und damit seinen Magen überstrapa­zieren. Eine selektive Wahl macht es aber auch möglich, ganz gezielt besondere Leckerbiss­en aufzugabel­n und auf diese Weise den moderaten Preis reichlich auszukoste­n.

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FOTO: NYF Ein Schüsselch­en Austern gefällig? Die Delikatess­e zählt in der Asia World am Bodensee zu den etwas teureren Spezialitä­ten.
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