Am laufenden Band in der Fressfabrik
In Zeiten allgemein um sich greifender Ernährungshysterie sind Mega-Restaurants mit ihren AllYou-Can-Eat-Büffets zu einem Gegenentwurf des aktuellen Zeitgeists geworden. Denn All-You-Can-Eat lässt sich mit Soviel-wie-nur-reingeht übersetzen, während es gegenwärtig eher zum guten Ton gehört, zu betonen, was man alles nicht isst. Jedenfalls entfacht diese Begrifflichkeit eine schlaraffenlandähnliche Selbstwahrnehmung im Gast, der sich nach dem Betreten der Asia World in Friedrichshafen von Nahrungsgebirgen umgeben sieht. Um im Bild des Märchenhaften zu bleiben: Es gibt zwei Schokoladenbrunnen, die Stund um Stund Milliarden von Kalorien umwälzen. Vielleicht noch übertroffen von einem Softeis-Automaten, der auf Knopfdruck unendliche Mengen süße Glitschigkeit absondert. Doch diesen klebrigen Dingen wenden sich die Menschen naturgemäß erst am Ende ihre Mahles zu. Das Konzept des in einem ehemaligen Teppichlager untergebrachten Riesenrestaurants mit 550 Sitzplätzen ist einfach, aber sättigend: Der Gast bezahlt je nach Tageszeit und Wochentag einen Betrag, der ihm das Recht gibt, sich an den Büffets nach Belieben gütlich zu tun. Diese monströse Gastronomie ist übrigens weniger ungemütlich als erwartet. In einem Teilbereich der Asia World gibt es verglaste Laufbänder für das Running Sushi. Gegen einen geringen Aufpreis darf der Hungrige unmittelbar am Band Platz nehmen und zugreifen, wann immer ihm ein vorbeiziehendes Tellerchen gefällt. Bei einem Rundgang ums Büffet offenbart sich rasch, dass es durchaus von Vorteil ist, wenn viele Gäste in das Restaurant drängen. Denn das führt dazu, dass die eindrucksvolle Vielfalt rasch erneuert wird. Jedenfalls findet sich am Tag dieser Aufzeichnungen kaum Abgestandenes auf den Büffets. Natürlich ist es einfach viel zu viel, um alles probieren zu wollen.
Sehr positiv fällt das zarte Rindfleisch auf, das mit Zwiebeln und einer intensiven Soße prächtige Aromen verbreitet. Auch die Tranchen der Peking-Ente zeigen sich in sehr solider und vor allem knuspriger Form. Von der überzeugenden Frische auch sensibler Rohstoffe kann sich der Gast am mongolischen Büffet überzeugen. Dort ist es möglich, aus rohem Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchten seine Favoriten auf den Teller zu legen und mit der gewünschten Beilage von einem Koch unmittelbar zubereiten zu lassen – wählbarer Schärfegrad inklusive. Gerade dabei zeigt sich, dass die Gastgeber sich nicht lumpen lassen. Zwar braucht kein Mensch zum Beispiel Känguru-, Straußenfleisch oder Froschschenkel. Aber in der Asia World wollen sie sich nicht nachsagen lassen, es gebe zu wenig Exotisches. Zu diesem Urteil kann auch der Nutzer des Running Sushi beim besten Willen nicht gelangen. Die Abwechslung ist an diesem Abend frappierend, einzelne Komponenten sehr teuer – wie zum Beispiel die Austern oder der Thunfisch. Das Sushi an sich kann aber nicht besonders überzeugen. Zwar ist der rohe Lachs ohne Tadel, aber der Klebreis ist langweilig angemacht, und auch auf die Ausformung legt eine solche Fressfabrik keinen besonderen Wert. Doch das Fazit fällt dennoch positiv aus: Natürlich kann man das All-YouCan-Eat als Leitmotiv eines Besuchs in der Asia World wörtlich nehmen und damit seinen Magen überstrapazieren. Eine selektive Wahl macht es aber auch möglich, ganz gezielt besondere Leckerbissen aufzugabeln und auf diese Weise den moderaten Preis reichlich auszukosten.