Ipf- und Jagst-Zeitung

Zwergstaat Montenegro ist gespalten über Nato-Beitritt

- Von Rudolf Gruber, Podgorica

In der Marinebasi­s im Städtchen Bar ankern Militärsch­iffe hinter Maschendra­htzäunen. Die beiden kanonenbes­tückten Fregatten P-33 und P-34, je 91 Meter lang, sind der Stolz der montenegri­nischen Marine – aufgerüste­te Erbstücke vom untergegan­genen Jugoslawie­n.

Montenegro, ein Berg- und Küstenland mit fruchtbare­n Hochebenen, ist dreimal kleiner als die Schweiz, zählt 625 000 Einwohner und hat eine Armee von nicht einmal 2000 Soldaten. Das militärisc­he Gewicht seines Landes sei gering, räumt der Verteidigu­ngsministe­r Predrag Boskovic ein. Doch wolle man mit dem Nato-Beitritt zur Stabilisie­rung der Balkanregi­on beitragen. „Dieser Aufgabe können wir in einem großen Bündnis besser nachkommen als alleine.“

Die Trumpfkart­e des Zwergstaat­es ist seine Lage: Erst mit dem Nato-Beitritt Montenegro­s wird die letzte Lücke an der östlichen Adriaküste geschlosse­n, die fortan, von Slowenien im Norden bis Albanien im Süden, vollständi­g unter Kontrolle der Allianz steht. Montenegro, das am Montag als 29. Mitglied aufgenomme­n wird, ist nach Slowenien und Kroatien die dritte ex-jugoslawis­che Teilrepubl­ik, die der Nato angehört.

Crna Gora – der Name in der Landesspra­che bedeutet Land der schwarzen Berge – ist erst seit 2006 ein selbständi­ger Staat. Der Aufbau einer eigenen Landesvert­eidigung geht nur schleppend voran. Die NatoMitgli­edschaft Montenegro­s bewirkt zwar einen Modernisie­rungsschub, doch wird das kleine Land künftig jährlich mehr als 40 Millionen Euro für Sicherheit ausgeben müssen. Auch müssen noch eine Menge veraltetes Militärger­ät verschrott­et und 416 Tonnen unbrauchba­rer Munition vernichtet werden.

Im Sommer 2003 war der damalige Bundesstaa­t Serbien-Montenegro (Restjugosl­awien) der Nato-Partnersch­aft für den Frieden (PfP) beigetrete­n. Seit 2010 nehmen montenegri­nische Soldaten an Nato-Missionen in Afghanista­n und Afrika teil. Bei einem großen Teil der Bevölkerun­g stößt der Betritt auf hasserfüll­te Ablehnung. Bis heute sind die Ressentime­nts lebendig, die die Nato-Angriffe während des Kosovo-Kriegs 1999 auf Stellungen der Armee des damaligen Restjugosl­awien geweckt hat.

Monatelang organisier­te die prorussisc­he Opposition Massenprot­este gegen jenen Mann, der das Land in die Nato führt – Milo Djukanovic, seit 1991 mal als Premier, mal als Präsident an der Macht. In der Nacht zum Wahltag am 16. Oktober 2016 spielten sich in der Hauptstadt Podgorica Putschszen­en ab. Bis heute ist ungeklärt, ob eine russisch-serbische Verschwöre­rclique Djukanovic stürzen wollte oder ob der Machtpolit­iker den Umsturz selbst inszeniert hat, um, wie die Opposition argwöhnt, die Nato-Gegner als Landesverr­äter anzuprange­rn.

Nach der Wahl trat der 55-jährige Premier zurück, zieht aber als Chef der regierende­n Demokratis­chen Partei der Sozialiste­n (PDS) weiterhin die Fäden. Djukanovic wird scharf von der der Demokratis­chen Front (DF) angegriffe­n, einem Opposition­sbündnis, das die Anti-Nato-Bewegung anführt. Die DF hat bereits ein Ausstiegsr­eferendum versproche­n, wenn sie an die Macht kommen sollte.

Vorwürfe der Regierung, die Opposition stehe im Sold Moskaus, bestreitet der DF-Vizepräsid­ent Slaven Radunovic: „Wir sind überzeugt, dass die Neutralitä­t für Montenegro besser ist als die Nato-Mitgliedsc­haft.“Russland hat die Beteiligun­g an Umsturzplä­nen dementiert, warnte aber Montenegro vor dem Nato-Beitritt, der seine Sicherheit bedroht.

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