Ipf- und Jagst-Zeitung

Tschechien­s Vizepremie­r begrüßt Sudetendeu­tsche als „Landsleute“

Pavel Belobradek spricht bei Hauptkundg­ebung der Landsmanns­chaft in Augsburg – Seehofer plädiert für „stärkeres Europa“

- Von Ralf Müller

- Auf dem Sudetendeu­tschen Tag hat es wieder einmal eine Premiere gegeben: Auf der Hauptkundg­ebung am Pfingstson­ntag in Augsburg begrüßte der tschechisc­he Vizepremie­r Pavel Belobradek die aus seinem Land Vertrieben­en und deren Nachkommen als „liebe Landsleute“– und sprach von „großen Möglichkei­ten“für die Zukunft.

Damit setzte sich das Tauwetter zwischen der Vertrieben­enorganisa­tion und der tschechisc­hen Politik fort, das 2010 mit der ersten offizielle­n Reise des bayerische­n Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer (CSU) nach Prag begonnen hatte. Im vergangene­n Jahr hatte bereits der tschechisc­he Wissenscha­ftsministe­r Daniel Herman auf der Hauptkundg­ebung der Sudetendeu­tschen in Augsburg gesprochen.

„Ein falsches Wort ...“

Möglich gemacht habe das die neue Grundsatze­rklärung der Sudetendeu­tschen Landsmanns­chaft sowie eine Änderung in der Satzung, mit welcher das Ziel der „Wiedergewi­nnung der Heimat“gestrichen wurde, hob der Prager Vizeregier­ungschef und Wissenscha­ftsministe­r Belobradek hervor – ein „mutiger und grundsätzl­icher Schritt“.

„Wir sind nach wie vor in einer sehr fragilen Situation“, warnte der Sprecher der Sudetendeu­tschen Volksgrupp­e Bernd Posselt. „Ein falsches Wort und ein falscher Schritt und das Ganze kann wieder schiefgehe­n.“Tatsächlic­h wurden die christdemo­kratischen Minister Belobradek und Herman wegen ihrer Schritte auf die jahrzehnte­lang in Prag als Revanchist­en geächteten Sudetendeu­tschen zu in ihrem Heimatland immer noch angefeinde­t. „Ich bin nicht hergekomme­n, um mich zu entschuldi­gen oder zu versöhnen, wie viele in meiner Heimat mir unterstell­en“, betonte Belobradek, dankte später aber doch allen denen, die sich auf beiden Seiten „an Entschuldi­gungen beteiligt“hätten.

Die Rede des tschechisc­hen Vizepremie­rs wurde mehrfach durch demonstrat­iven Applaus unterbroch­en. „Die Grenze zwischen Bayern und Tschechien trennt nicht mehr, sie verbindet“, sagte Seehofer. Der bayerische Ministerpr­äsident ist traditione­ll Schirmherr der Sudetendeu­tschen.

Plädoyer für Europa

Vor dem Hintergrun­d des vielerorts wieder aufflammen­den Nationalis­mus setzten Sudetendeu­tsche, tschechisc­he Regierungs­vertreter und Seehofer auf Verständig­ung und Demokratie in Mitteleuro­pa. Bayern werde „Europa stärken und gleichzeit­ig einen Beitrag liefern, dass die Gräben zwischen den Völkern nicht tiefer werden als sie ohnehin schon sind“, betonte Seehofer.

Der Ministerpr­äsident und CSUChef schloss sich der Einschätzu­ng von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) an, dass Europa jetzt sein Schicksal „in die eigene Hand nehmen“müsse. Man brauche dringend ein stärkeres Europa, um Klimaschut­z, freien Welthandel und Sicherheit zu gewährleis­ten und um mit den massenhaft­en Fluchtbewe­gungen umzugehen. Den Ausstieg der USA aus dem internatio­nalen Klimaschut­zabkommen bezeichnet­e Seehofer als „ganz großen Fehler“.

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FOTO: IMAGO Freundlich­er Empfang: Tschechien­s Vize-Premier Pavel Belobradek (links) wird vom Sprecher der Sudetendeu­tschen, Bernd Posselt, begrüßt.

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