Das Raumschiff parkt bei der Vitrine
Rafael Nadal holt sich ohne Satzverlust den zehnten Paris-Titel, die Experten überschlagen sich vor Respekt
(SID/dpa) - Rafael Nadal ließ sich nach dem historischen zehnten Triumph in die geliebte rote Asche fallen und schien der Welt für einen Moment entrückt. „La Décima“war geschafft – und der Sandplatzkönig von Paris hatte nach einer Machtdemonstration der besonderen Art Tränen in den Augen. „Das ist ein ein spezieller Moment, ich bin gerade sehr emotional. Dieses Adrenalin, das ich hier auf diesem Platz spüre, ist mit keinem anderen Gefühl zu vergleichen“, sagte Nadal. Zuvor hatte der Mallorquiner in einem überraschend einseitigen French-Open-Finale US-Open-Champion Stan Wawrinka (Schweiz/3 ) mit 6:2, 6:3, 6:1 bezwungen. Nadal war zwar nur an Position vier gesetzt, aber im gesamten Turnier weit davon entfernt, auch nur einen Satz zu verlieren. – bereits 2008 und 2010 war ihm das gelungen. „Sagenhaft, Weltklasse – unglaublich“, sagte Tennis-Ikone Boris Becker bei Eurosport.
Nach nur 2:05 Stunden verwandelte Nadal auf dem Court Philippe Chatrier seinen ersten Matchball und nahm wenig später den mit 2,1 Millionen Euro dotierten „Coupe des Mousquetaires“von seinem Onkel Toni in Empfang. „Ohne ihn hätte ich das alles nicht geschafft“, sagte Rafael Nadal. Für den 31-Jährigen war es der 15. Grand-Slam-Triumph – und der erste seit genau drei Jahren an selber Stelle.
Nadals „La Décima“, der zehnte French-Open-Titel, ist eine historische Leistung. In der Open Era seit 1968 war es zuvor noch keinem Profi gelungen, ein und dasselbe MajorTurnier zehnmal zu gewinnen. Bislang hatte sich der 31-Jährige den Rekord mit Martina Navratilova geteilt. Die gebürtige Tschechoslowakin hatte in Wimbledon zwischen 1978 und 1990 insgesamt neunmal triumphiert.
Auf Sand, der für Nadal eine Art natürlicher Lebensraum ist, zeigte er in den letzten Wochen altbekannte Qualitäten. Vergessen schienen die bitteren Momenten vom Vorjahr, als er wegen einer Handgelenkblessur nicht zu seinem Achtelfinale hatte antreten können. Auf der Rückfahrt ins Hotel weinte der immer wieder von Verletzungen Gebeutelte im Auto. Doch er blieb seinem Motto treu: „Das Wichtigste ist, alle Dinge so zu akzeptieren, wie sie nun mal sind. Du musst alles geben für dein Ziel und jeden Tag dein Bestes geben.“
Im Endspiel gegen Wawrinka nutzte der Linkshänder von der Sonneninsel Mallorca nach nervösem Beginn seinen sechsten Breakball und ging mit 4:2 in Führung. Wenig später profitierte er beim Satzball von einem Fehler des Westschweizers. „Was du geleistet hast, ist einfach unglaublich“, sagte der 32-jährige Wawrinka später bei der Siegerehrung.
Bezeichnend für den Frust von Wawrinka, dass er im zweiten Durchgang seinen Schläger zertrümmerte und eine Verwarnung erhielt. Der älteste Roland-Garros-Finalist seit 44 Jahren, der seinen einzigen Breakball vergab, fand selten ein Mittel gegen die peitschenartige Vorhand von Nadal und kam nicht an seine Leistung aus dem Halbfinale heran.Dort hatte Wawrinka den topgesetzten Briten Andy Murray in einem Marathonmatch ausgeschaltet. Nadal indes schraubte seine Matchbilanz in Paris auf 79:2 Siege.
Zum letzten Mal mit Onkel Toni
Wawrinka verpasste seinen zweiten French-Open-Coup nach 2015 und seinen insgesamt vierten Grand-SlamErfolg. Zuvor hatte der frühere DavisCup-Sieger noch kein Major-Finale verloren. „Glaubt mir, es fühlt sich deutlich besser an, nach einem GrandSlam-Finale hier mit einem Pokal zu sitzen“, sagte er später bei der Pressekonferenz.
Auch der ehemalige Paris-Champion und Publikumsliebling Gustavo Kuerten war fasziniert vom „außerirdischen“Nadal. „Ich frage mich immer, wo er sein Raumschiff geparkt hat“, sagte der Brasilianer. Mutmaßlich in der Nähe der Vitrine, in der die Trophäen stehen. Nadals Titel war auch aus einem anderen Grund ein besonderer: Zum letzten Mal bei den French Open gehörte sein Onkel Toni zum Trainerteam. Der 57-Jährige, von dem der kleine „Rafa“einst glaubte, er habe magische Kräfte, will sich nach der Saison der Arbeit in der „Nadal Academy“auf Mallorca widmen.
Doppel-Sieger: Die Amerikanerin Bethanie Mattek-Sands und Lucie Safarova aus Tschechien haben bei den French Open den Titel im Doppel gewonnen durch ein 6:2, 6:1 gegen die Australierinnen Ashleigh Barty und Casey Dellacqua. Für das Duo war es der dritte Grand-SlamTitel in Serie. Ryan Harrison (USA) und Michael Venus (Neuseeland) schlugen im Männer-Finale zweier ungesetzten Duos Santiago Gonzalez/Donald Young (Mexiko/USA) mit 7:6 (7:5), 6:7 (4:7), 6:3.