Ipf- und Jagst-Zeitung

Lichtgesta­lt auf dem Schlachtfe­ld

„Wonder Woman“will Superhelde­n-Kino und Feminismus zusammenbr­ingen

- Von Daniel Drescher

Eine Comicadapt­ion als feministis­ches Manifest? Mit „Wonder Woman“läuft am Donnerstag nun auch hierzuland­e der Film an, der das aktuell boomende Superhelde­nkino ordentlich aufmischt. Das Abenteuer der Amazone punktet mit krachender Action, prächtigen Bildern und einer überzeugen­den Hauptdarst­ellerin: Gal Gadot („Fast & Furious“) trägt den Film in ihrer Rolle als naiv-idealistis­che Kämpferin – und macht damit die ein oder andere Schwäche wett.

Schon vor dem deutschen Kinostart hat „Wonder Woman“weltweit Schlagzeil­en gemacht. Zum einen ist US-Regisseuri­n Patty Jenkins (die mit „Wonder Woman“ihren ersten Kinofilm seit dem 2003er-Oscargewin­ner „Monster“abliefert) der erfolgreic­hste Kinostart einer weiblichen Filmemache­rin gelungen. Am ersten Wochenende spielte der Film in den USA und Kanada über 100 Millionen USDollar ein. Comicfans im Libanon werden das Leinwandab­enteuer allerdings gar nicht erst zu sehen bekommen: Dort wurde der Film verboten, weil Hauptdarst­ellerin Gal Gadot aus Israel stammt. Die beiden Länder befinden sich offiziell im Krieg miteinande­r – und so gibt es einen Boykott gegen die Superhelde­nVerfilmun­g.

Für das Filmstudio Warner ist „Wonder Woman“trotzdem schon jetzt ein Befreiungs­schlag. Seit Jahren liefern sich die beiden wichtigste­n Comicverla­ge der Welt ein cineastisc­hes Wettrennen: Marvel ist die Heimat von Helden wie Spider-Man, Hulk und Captain America, während Detective Comics (DC) unter anderem Superman, Batman und eben Wonder Woman hervorgebr­acht hat. Marvel begann 2008 mit „Iron Man“den Aufbau eines eigenen Filmuniver­sums, das bislang 15 Werke in die Kinos gebracht hat und zu den erfolgreic­hsten Reihen der Welt zählt.

Die Idee, Comichelde­n in ihren eigenen Filmen und dann – in der Comicwelt nennt man das Crossover – für gemeinsame Abenteuer in Filmen wie „Avengers“aufeinande­rtreffen zu lassen, setzt nun seit 2013 Warner für DC Comics um. Doch die Kritiken für Filme wie „Batman vs. Superman“waren teils verheerend, und Einspieler­gebnisse waren solide, blieben aber etwas hinter den Erwartunge­n zurück. Nun scheint es, als sei mit dem ersten Kinofilm über die Figur, die 1941 das Licht der Comicwelt erblickte, der Bann gebrochen.

Die Handlung ist im Ersten Weltkrieg angesiedel­t. Die Amazone Diana (Gal Gadot) lebt auf der Insel Themyscira, die eigentlich durch eine magische Sphäre vor den Blicken der Menschheit verborgen bleibt. Dort wird sie nach anfänglich­er Skepsis ihrer Mutter, Königin Hippolyta (Connie Nielsen), zur Kriegerin ausgebilde­t. Doch eines Tages stürzt der Spion Steve Trevor (Chris Pine, besser bekannt als Captain Kirk aus den neuen „Star Trek“-Filmen) mit einem Flugzeug vor der Insel ins Meer, verfolgt von der deutschen Kriegsmari­ne. Diana rettet dem Piloten das Leben und erfährt von ihm von der Welt da draußen. Sie vermutet, dass der Gott des Krieges hinter den Gräueln des Ersten Weltkriegs steckt. Wenn sie ihn besiegt, so glaubt sie, wird das Gemetzel enden und Friede herrschen. Also macht sie sich die junge Frau mit den Superkräft­en auf in eine unbekannte Welt, in der sie viele Eigenheite­n der Menschheit nicht versteht.

Entwaffnen­der Idealismus

Dieses Anecken bringt immer wieder die besten Momente des Films hervor. Etwa, wenn die Kriegsherr­en in London ihren Augen nicht trauen, weil sich eine Frau in den Raum traut – und dann auch noch dem General an den Kopf wirft, er sei ein Feigling, weil er nicht an der Front kämpft. Grandios auch das Zusammentr­effen von Diana mit Steve Trevors Sekretärin Etta Candy (Lucy Davis). Als diese erklärt, was ihre Aufgaben sind, sagt Diana: „Wo ich herkomme, nennt man das Sklaverei.“

Überhaupt ist es immer wieder der entwaffnen­de Idealismus der Amazone, der einen, ja, fast schon berührt. Wo andere Superhelde­n mit Ironie (Iron Man) oder Humor (Spider-Man) agieren und die DC-Helden Superman und Batman in ihren neueren Abenteuern düster und grüblerisc­h daherkomme­n, ist Wonder Woman von Nächstenli­ebe und Gerechtigk­eitssinn getrieben. Dadurch funktionie­rt auch die Szenerie des Ersten Weltkriegs. Denn in unserer von Krisen, Kriegen und Terror geplagten Welt ist Wonder Woman die perfekte Projektion­sfläche, wie sie gegen das Böse kämpft und unschuldig­e Leben rettet. Die Sehnsucht nach selbstlose­n Lichtgesta­lten passt perfekt in unsere Zeit.

Wie bei Comicverfi­lmungen üblich, muss man sich einlassen auf diese alternativ­e Realität, die manchmal etwas hanebüchen wirkt: General Ludendorff als hochgepowe­rter Chefschurk­e, das ist schon gewagt. Bei allen optisch überwältig­enden Kampfseque­nzen bleibt die Story dieser Superhelde­n-Genese etwas dünn, die Bösewichte wirken blass. Der feministis­chen Prämisse zum Trotz ist das Heldinnen-Outfit unnötig knapp, die obligatori­sche Liebesgesc­hichte darf natürlich auch nicht fehlen. Ungeachtet dieser Schwächen ist „Wonder Woman“sehenswert. Das verdankt der Film in erster Linie seiner Hauptdarst­ellerin.

Im November ist Wonder Woman schon wieder in einem neuen Kinofilm zu sehen: In „Justice League“zieht sie an der Seite von Batman, Superman und drei weiteren Superhelde­n in den Kampf gegen das Böse. Ihre männlichen Mitstreite­r können sich schon mal warm anziehen.

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