Lichtgestalt auf dem Schlachtfeld
„Wonder Woman“will Superhelden-Kino und Feminismus zusammenbringen
Eine Comicadaption als feministisches Manifest? Mit „Wonder Woman“läuft am Donnerstag nun auch hierzulande der Film an, der das aktuell boomende Superheldenkino ordentlich aufmischt. Das Abenteuer der Amazone punktet mit krachender Action, prächtigen Bildern und einer überzeugenden Hauptdarstellerin: Gal Gadot („Fast & Furious“) trägt den Film in ihrer Rolle als naiv-idealistische Kämpferin – und macht damit die ein oder andere Schwäche wett.
Schon vor dem deutschen Kinostart hat „Wonder Woman“weltweit Schlagzeilen gemacht. Zum einen ist US-Regisseurin Patty Jenkins (die mit „Wonder Woman“ihren ersten Kinofilm seit dem 2003er-Oscargewinner „Monster“abliefert) der erfolgreichste Kinostart einer weiblichen Filmemacherin gelungen. Am ersten Wochenende spielte der Film in den USA und Kanada über 100 Millionen USDollar ein. Comicfans im Libanon werden das Leinwandabenteuer allerdings gar nicht erst zu sehen bekommen: Dort wurde der Film verboten, weil Hauptdarstellerin Gal Gadot aus Israel stammt. Die beiden Länder befinden sich offiziell im Krieg miteinander – und so gibt es einen Boykott gegen die SuperheldenVerfilmung.
Für das Filmstudio Warner ist „Wonder Woman“trotzdem schon jetzt ein Befreiungsschlag. Seit Jahren liefern sich die beiden wichtigsten Comicverlage der Welt ein cineastisches Wettrennen: Marvel ist die Heimat von Helden wie Spider-Man, Hulk und Captain America, während Detective Comics (DC) unter anderem Superman, Batman und eben Wonder Woman hervorgebracht hat. Marvel begann 2008 mit „Iron Man“den Aufbau eines eigenen Filmuniversums, das bislang 15 Werke in die Kinos gebracht hat und zu den erfolgreichsten Reihen der Welt zählt.
Die Idee, Comichelden in ihren eigenen Filmen und dann – in der Comicwelt nennt man das Crossover – für gemeinsame Abenteuer in Filmen wie „Avengers“aufeinandertreffen zu lassen, setzt nun seit 2013 Warner für DC Comics um. Doch die Kritiken für Filme wie „Batman vs. Superman“waren teils verheerend, und Einspielergebnisse waren solide, blieben aber etwas hinter den Erwartungen zurück. Nun scheint es, als sei mit dem ersten Kinofilm über die Figur, die 1941 das Licht der Comicwelt erblickte, der Bann gebrochen.
Die Handlung ist im Ersten Weltkrieg angesiedelt. Die Amazone Diana (Gal Gadot) lebt auf der Insel Themyscira, die eigentlich durch eine magische Sphäre vor den Blicken der Menschheit verborgen bleibt. Dort wird sie nach anfänglicher Skepsis ihrer Mutter, Königin Hippolyta (Connie Nielsen), zur Kriegerin ausgebildet. Doch eines Tages stürzt der Spion Steve Trevor (Chris Pine, besser bekannt als Captain Kirk aus den neuen „Star Trek“-Filmen) mit einem Flugzeug vor der Insel ins Meer, verfolgt von der deutschen Kriegsmarine. Diana rettet dem Piloten das Leben und erfährt von ihm von der Welt da draußen. Sie vermutet, dass der Gott des Krieges hinter den Gräueln des Ersten Weltkriegs steckt. Wenn sie ihn besiegt, so glaubt sie, wird das Gemetzel enden und Friede herrschen. Also macht sie sich die junge Frau mit den Superkräften auf in eine unbekannte Welt, in der sie viele Eigenheiten der Menschheit nicht versteht.
Entwaffnender Idealismus
Dieses Anecken bringt immer wieder die besten Momente des Films hervor. Etwa, wenn die Kriegsherren in London ihren Augen nicht trauen, weil sich eine Frau in den Raum traut – und dann auch noch dem General an den Kopf wirft, er sei ein Feigling, weil er nicht an der Front kämpft. Grandios auch das Zusammentreffen von Diana mit Steve Trevors Sekretärin Etta Candy (Lucy Davis). Als diese erklärt, was ihre Aufgaben sind, sagt Diana: „Wo ich herkomme, nennt man das Sklaverei.“
Überhaupt ist es immer wieder der entwaffnende Idealismus der Amazone, der einen, ja, fast schon berührt. Wo andere Superhelden mit Ironie (Iron Man) oder Humor (Spider-Man) agieren und die DC-Helden Superman und Batman in ihren neueren Abenteuern düster und grüblerisch daherkommen, ist Wonder Woman von Nächstenliebe und Gerechtigkeitssinn getrieben. Dadurch funktioniert auch die Szenerie des Ersten Weltkriegs. Denn in unserer von Krisen, Kriegen und Terror geplagten Welt ist Wonder Woman die perfekte Projektionsfläche, wie sie gegen das Böse kämpft und unschuldige Leben rettet. Die Sehnsucht nach selbstlosen Lichtgestalten passt perfekt in unsere Zeit.
Wie bei Comicverfilmungen üblich, muss man sich einlassen auf diese alternative Realität, die manchmal etwas hanebüchen wirkt: General Ludendorff als hochgepowerter Chefschurke, das ist schon gewagt. Bei allen optisch überwältigenden Kampfsequenzen bleibt die Story dieser Superhelden-Genese etwas dünn, die Bösewichte wirken blass. Der feministischen Prämisse zum Trotz ist das Heldinnen-Outfit unnötig knapp, die obligatorische Liebesgeschichte darf natürlich auch nicht fehlen. Ungeachtet dieser Schwächen ist „Wonder Woman“sehenswert. Das verdankt der Film in erster Linie seiner Hauptdarstellerin.
Im November ist Wonder Woman schon wieder in einem neuen Kinofilm zu sehen: In „Justice League“zieht sie an der Seite von Batman, Superman und drei weiteren Superhelden in den Kampf gegen das Böse. Ihre männlichen Mitstreiter können sich schon mal warm anziehen.