Ipf- und Jagst-Zeitung

Obdachlose­r angezündet: Haupttäter muss in Haft

21-Jähriger muss für zwei Jahre und neun Monate ins Gefängnis – Justiz sieht aber keinen Mordversuc­h

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(dpa/AFP) - Knapp ein halbes Jahr nachdem sechs Flüchtling­e in einem Berliner U-Bahnhof einen schlafende­n Obdachlose­n angezündet haben, ist der Haupttäter zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Das Berliner Landgerich­t ließ in seinem Schuldspru­ch am Dienstag den Vorwurf des versuchten Mordes fallen und verhängte die Strafe gegen den 21-Jährigen wegen versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung. Die Attacke am Weihnachts­abend 2016 hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst.

Staatsanwa­lt Martin Glage hatte für N. eine Haftstrafe von vier Jahren wegen versuchten Mordes gefordert. Doch das Gericht erkannte keine Tötungsabs­icht, dafür gebe es kein Motiv. Drei weitere Angeklagte – Khaled A., Mohammad M. und Ayman S. – wurden wegen Beihilfe zur versuchten gefährlich­en Körperverl­etzung zu Jugendstra­fen von acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Sie müssen zudem 60 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit ableisten.

Die übrigen Beschuldig­ten, Mohamed A. und Bashar K., wurden wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung nach Jugendstra­frecht zu je vier Wochen Dauerarres­t verurteilt. Die Strafen gelten als abgegolten, weil beide fünfeinhal­b Monate in Untersuchu­ngshaft saßen. Für jeden Tag im Gefängnis, der über den verhängten Dauerarres­t hinaus ging, erhalten die beiden deshalb eine Entschädig­ung. Sie müssen zudem 36 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit leisten.

N. muss als einziger der Angeklagte­n seine Verfahrens­kosten selbst zahlen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er in der Weihnachts­nacht die Kopfunterl­age eines auf einer Bank im U-Bahnhof Schönleins­traße schlafende­n Obdachlose­n angezündet hatte. Die Gruppe lose miteinande­r bekannter Flüchtling­e habe sich gelangweil­t. N. habe sich als ältester der 15- bis 21-Jährigen als „Wortführer“aufspielen wollen und „den großen Macker markiert“.

Keiner in der Gruppe habe versucht, N. aufzuhalte­n. Khaled A., Mohammad M. und Ayman S. hätten durch Interesse N. ermutigt. „Ohne Publikum hätte er das Vorhaben nicht weiter verfolgt“, sagte Alex. Mohamed A. sei der einzige gewesen, der auf den Überwachun­gsbildern erkennbar Unbehagen zeigte, als die Gruppe vom Tatort flüchtete.

Staatsanwa­lt prüft Revision

Dem Urteil zufolge waren alle Angeklagte­n voll schuldfähi­g. „Wir gehen davon aus, dass der erhebliche Alkoholund Drogenkons­um nur vorgeschob­en wurde“, sagte Alex. N. hatte angegeben, am Tatabend neben Wodka auch Cannabis, Ecstasy und Heroin konsumiert gehabt zu haben.

„Das Opfer war eines der schwächste­n der Gesellscha­ft“, sagte Alex. „Wir sind der Überzeugun­g, dass Herr N. Verletzung­sabsichten hatte.“Dieser hatte die Tat im Prozess als idiotische­n Streich bezeichnet und um Verzeihung gebeten.

Staatsanwa­lt Glage hielt sich nach dem Scheitern seiner Mordanklag­e eine Revision offen. Er will das noch nicht rechtskräf­tige Urteil auf mögliche Rechtsfehl­er prüfen.

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