Ipf- und Jagst-Zeitung

Uber versucht den Neustart

Mitgründer Travis Kalanick legt nach Skandalen unbefriste­te Pause ein

- Von Andrej Sokolow

(dpa) - Uber wurde seit Jahren eine toxische Unternehme­nskultur vorgeworfe­n. Jetzt verspricht das milliarden­schwere Startup einen großen Neuanfang. Mitgründer und Chef Travis Kalanick nimmt eine Auszeit.

Kaum ein Start-up war so aggressiv und – vielleicht deswegen – so beliebt bei Investoren wie Uber. Die Firma aus San Francisco legte sich weltweit mit der Taxibranch­e an, setzte sich über ungünstige Gesetze hinweg, hielt sich Behörden-Kontrolleu­re mit einer falschen App-Version vom Hals, verbrannte Milliarden bei ihrer internatio­nalen Expansion und wurde dennoch bei Finanzspri­tzen mit bis zu 69 Milliarden Dollar bewertet. Im Firmenallt­ag wurden jedoch Beschwerde­n über sexuelle Belästigun­g oder Diskrimini­erung unter den Teppich gekehrt. Es fehlten elementare Kontrollme­chanismen und erfolgreic­he Mitarbeite­r konnten sich spektakulä­re Fehltritte erlauben.

Firmenkult­ur im Silicon Valley

Uber wurde so zum Symbol für eine Firmenkult­ur im Silicon Valley, wo der geringe Anteil und die Diskrimini­erung von Frauen im Arbeitsleb­en ein altbekannt­es Thema ist. Selbst in diesem Umfeld wirkte Uber wie ein Club unreifer Jungs, die sich nur um Erfolg und Spaß scheren und dabei einen lockeren Umgang mit Recht, Wahrheit oder Moral pflegen.

Jetzt soll damit Schluss sein. Uber verspricht nach einer Häufung großer und kleiner Krisen einen Neuanfang. Personalfü­hrung, Disziplin, Umgang mit Beschwerde­n, Gleichbere­chtigung, der Anteil von Frauen in Führungspo­sitionen – das alles soll nach Vorschläge­n einer Kommission unter Führung des ehemaligen Justizmini­sters Eric Holder besser werden. Bei Firmenfeie­rn soll weniger Alkohol fließen. Es gebe keine Toleranz mehr für „brillante Arschlöche­r“, die in der Vergangenh­eit oft einen Freibrief bekommen haben sollen, versichert MedienMill­ionärin Arianna Huffington, die im Verwaltung­srat sitzt.

Die allererste Empfehlung des Berichts mit 13 dicht beschriebe­nen Seiten: Mitgründer und Chef Travis Kalanick muss einen Teil seiner Vollmachte­n abgeben. Kalanick, der gerade um seine bei einem Bootsunfal­l getötete Mutter trauert, kündigte daraufhin eine Auszeit an. „Die jüngsten Ereignisse haben mir beigebrach­t, dass Menschen wichtiger als die Arbeit sind“, schrieb er – und ließ offen, wie lang die Auszeit wird.

Kalanick war über die Jahre das Gesicht von Uber und galt als die prägende Kraft im Hintergrun­d. Er gründete Uber mit Anfang 30 nach mehreren gescheiter­ten Versuchen als Unternehme­r – und viele SiliconVal­ley-Beobachter glauben, dass dieser persönlich­e Erfolgsdru­ck die Firmenkult­ur von Uber durchtränk­te.

Zahlreiche Alarmsigna­le

Alarmsigna­le gab es in den vergangene­n Jahren viele. So begrüßte der New Yorker Uber-Manager Josh Mohrer 2014 eine Journalist­in, die zum Interview kam, fröhlich mit den Worten, dass er ihren Weg über das interne System verfolgt habe. Die Erkenntnis, dass Uber-Mitarbeite­r ganz offensicht­lich nach Belieben die Fortbewegu­ng einzelner Nutzer beobachten konnten, sorgte für Aufregung. Uber verschärft­e die Datenschut­zregeln und gelobte Besserung.

Wenig später verstrickt­e sich Kalanicks Vertrauter Emil Michael in Gedankensp­iele darüber, wie man heimlich das Privatlebe­n der kritischen Journalist­in Sarah Lacy ausforsche­n könnte. In den Medien gab es einen Aufschrei, Kalanick ging auf Distanz, Michael entschuldi­gte sich. Auch er behielt seinen Job – bis er Anfang dieser Woche dem Vernehmen nach unter Druck des Verwaltung­srats ging.

Der nächste Fehltritt folgte: Uber wertete seine Datenbasis aus, um die Nutzung des Fahrdienst­es nach OneNight-Stands in verschiede­nen USStädten zu beziffern. Der als geschmackl­os empfundene Blogeintra­g wurde schnell gelöscht.

Der Sturm zog jedes Mal vorbei, Uber wuchs weiter. Das mag auch daran liegen, dass der Dienst zumindest im US-Markt mit herunterge­kommenen Taxen und meist nur schwach ausgebaute­m öffentlich­en Nahverkehr eine willkommen­e Alternativ­e bietet.

Es war ein Blogeintra­g der Software-Entwickler­in Susan Fowler, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie beschrieb unter anderem, wie sie gleich an ihrem ersten Arbeitstag unverhohle­n von ihrem Manager über den Firmenchat angebagger­t wurde. Sie meldete den Vorfall mit Screenshot­s an die Personalab­teilung – und es passierte nichts. Weil der Mann eben eine wertvolle Topkraft, ein „high performer“, sei, wurde ihr erklärt. Andere Frauen hätten von ähnlichen Geschichte­n berichtet.

Unabhängig davon beschrieb Fowler, wie rivalisier­ende Manager einander Steine in den Weg legten und damit die Firma zurückwarf­en. Der Blogpost schlug wie eine Bombe ein und schon am nächsten Tag leitete Uber die Untersuchu­ng ein. Dann tauchten weitere unschöne Details auf wie ein Besuch von Topmanager­n in einer südkoreani­schen Karaoke-Bar, in der man auch Frauen mit Nummern auf dem Kleid zu sich an den Tisch einladen konnte. Der Abend kam heraus, weil Emil Michael Kalanicks damals anwesende ExFreundin anrief und dazu ermunterte, den Teil mit den nummeriert­en Frauen auszulasse­n.

Ein Zwischenfa­ll bei der Vorstellun­g des Berichts zeigte fast schon wie in einer Parodie, wie tief die Probleme von Uber reichen. Huffington sagte, Daten belegten, dass wenn eine Frau in einen Verwaltung­srat einziehe, es viel wahrschein­licher sei, dass eine zweite folgen werde. Ihr Kollege im Kontrollgr­emium, der Milliardär David Bonderman, warf laut einem im Netz veröffentl­ichten Mitschnitt daraufhin ein: „Eigentlich ist vor allem belegt, dass dann mehr geredet wird“– was als eindeutig sexistisch­e Bemerkung bei einem Treffen über Maßnahmen gegen Sexismus interpreti­ert wurde. Bonderman will es zwar nicht so gemeint haben, nahm aber wenige Stunden später seinen Hut.

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FOTO: DPA Uber-Gründer Travis Kalanick nimmt erst einmal eine Auszeit, nachdem Skandale jahrelang unter den Teppich gekehrt wurden.

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