Uber versucht den Neustart
Mitgründer Travis Kalanick legt nach Skandalen unbefristete Pause ein
(dpa) - Uber wurde seit Jahren eine toxische Unternehmenskultur vorgeworfen. Jetzt verspricht das milliardenschwere Startup einen großen Neuanfang. Mitgründer und Chef Travis Kalanick nimmt eine Auszeit.
Kaum ein Start-up war so aggressiv und – vielleicht deswegen – so beliebt bei Investoren wie Uber. Die Firma aus San Francisco legte sich weltweit mit der Taxibranche an, setzte sich über ungünstige Gesetze hinweg, hielt sich Behörden-Kontrolleure mit einer falschen App-Version vom Hals, verbrannte Milliarden bei ihrer internationalen Expansion und wurde dennoch bei Finanzspritzen mit bis zu 69 Milliarden Dollar bewertet. Im Firmenalltag wurden jedoch Beschwerden über sexuelle Belästigung oder Diskriminierung unter den Teppich gekehrt. Es fehlten elementare Kontrollmechanismen und erfolgreiche Mitarbeiter konnten sich spektakuläre Fehltritte erlauben.
Firmenkultur im Silicon Valley
Uber wurde so zum Symbol für eine Firmenkultur im Silicon Valley, wo der geringe Anteil und die Diskriminierung von Frauen im Arbeitsleben ein altbekanntes Thema ist. Selbst in diesem Umfeld wirkte Uber wie ein Club unreifer Jungs, die sich nur um Erfolg und Spaß scheren und dabei einen lockeren Umgang mit Recht, Wahrheit oder Moral pflegen.
Jetzt soll damit Schluss sein. Uber verspricht nach einer Häufung großer und kleiner Krisen einen Neuanfang. Personalführung, Disziplin, Umgang mit Beschwerden, Gleichberechtigung, der Anteil von Frauen in Führungspositionen – das alles soll nach Vorschlägen einer Kommission unter Führung des ehemaligen Justizministers Eric Holder besser werden. Bei Firmenfeiern soll weniger Alkohol fließen. Es gebe keine Toleranz mehr für „brillante Arschlöcher“, die in der Vergangenheit oft einen Freibrief bekommen haben sollen, versichert MedienMillionärin Arianna Huffington, die im Verwaltungsrat sitzt.
Die allererste Empfehlung des Berichts mit 13 dicht beschriebenen Seiten: Mitgründer und Chef Travis Kalanick muss einen Teil seiner Vollmachten abgeben. Kalanick, der gerade um seine bei einem Bootsunfall getötete Mutter trauert, kündigte daraufhin eine Auszeit an. „Die jüngsten Ereignisse haben mir beigebracht, dass Menschen wichtiger als die Arbeit sind“, schrieb er – und ließ offen, wie lang die Auszeit wird.
Kalanick war über die Jahre das Gesicht von Uber und galt als die prägende Kraft im Hintergrund. Er gründete Uber mit Anfang 30 nach mehreren gescheiterten Versuchen als Unternehmer – und viele SiliconValley-Beobachter glauben, dass dieser persönliche Erfolgsdruck die Firmenkultur von Uber durchtränkte.
Zahlreiche Alarmsignale
Alarmsignale gab es in den vergangenen Jahren viele. So begrüßte der New Yorker Uber-Manager Josh Mohrer 2014 eine Journalistin, die zum Interview kam, fröhlich mit den Worten, dass er ihren Weg über das interne System verfolgt habe. Die Erkenntnis, dass Uber-Mitarbeiter ganz offensichtlich nach Belieben die Fortbewegung einzelner Nutzer beobachten konnten, sorgte für Aufregung. Uber verschärfte die Datenschutzregeln und gelobte Besserung.
Wenig später verstrickte sich Kalanicks Vertrauter Emil Michael in Gedankenspiele darüber, wie man heimlich das Privatleben der kritischen Journalistin Sarah Lacy ausforschen könnte. In den Medien gab es einen Aufschrei, Kalanick ging auf Distanz, Michael entschuldigte sich. Auch er behielt seinen Job – bis er Anfang dieser Woche dem Vernehmen nach unter Druck des Verwaltungsrats ging.
Der nächste Fehltritt folgte: Uber wertete seine Datenbasis aus, um die Nutzung des Fahrdienstes nach OneNight-Stands in verschiedenen USStädten zu beziffern. Der als geschmacklos empfundene Blogeintrag wurde schnell gelöscht.
Der Sturm zog jedes Mal vorbei, Uber wuchs weiter. Das mag auch daran liegen, dass der Dienst zumindest im US-Markt mit heruntergekommenen Taxen und meist nur schwach ausgebautem öffentlichen Nahverkehr eine willkommene Alternative bietet.
Es war ein Blogeintrag der Software-Entwicklerin Susan Fowler, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie beschrieb unter anderem, wie sie gleich an ihrem ersten Arbeitstag unverhohlen von ihrem Manager über den Firmenchat angebaggert wurde. Sie meldete den Vorfall mit Screenshots an die Personalabteilung – und es passierte nichts. Weil der Mann eben eine wertvolle Topkraft, ein „high performer“, sei, wurde ihr erklärt. Andere Frauen hätten von ähnlichen Geschichten berichtet.
Unabhängig davon beschrieb Fowler, wie rivalisierende Manager einander Steine in den Weg legten und damit die Firma zurückwarfen. Der Blogpost schlug wie eine Bombe ein und schon am nächsten Tag leitete Uber die Untersuchung ein. Dann tauchten weitere unschöne Details auf wie ein Besuch von Topmanagern in einer südkoreanischen Karaoke-Bar, in der man auch Frauen mit Nummern auf dem Kleid zu sich an den Tisch einladen konnte. Der Abend kam heraus, weil Emil Michael Kalanicks damals anwesende ExFreundin anrief und dazu ermunterte, den Teil mit den nummerierten Frauen auszulassen.
Ein Zwischenfall bei der Vorstellung des Berichts zeigte fast schon wie in einer Parodie, wie tief die Probleme von Uber reichen. Huffington sagte, Daten belegten, dass wenn eine Frau in einen Verwaltungsrat einziehe, es viel wahrscheinlicher sei, dass eine zweite folgen werde. Ihr Kollege im Kontrollgremium, der Milliardär David Bonderman, warf laut einem im Netz veröffentlichten Mitschnitt daraufhin ein: „Eigentlich ist vor allem belegt, dass dann mehr geredet wird“– was als eindeutig sexistische Bemerkung bei einem Treffen über Maßnahmen gegen Sexismus interpretiert wurde. Bonderman will es zwar nicht so gemeint haben, nahm aber wenige Stunden später seinen Hut.
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