Ipf- und Jagst-Zeitung

Familiengl­ück im Tal der Spinner

Auf dem Mieminger Plateau in Tirol versuchen Gastgeber, ein wenig die Zeit anzuhalten

- Von Erich Nyffenegge­r

Es ist nicht die verunglück­te Soße zu den Nudeln beim Abendessen. Auch nicht das steinharte Frühstücks­ei am morgendlic­hen Büffet, das von einem Urlaub in der Erinnerung haften bleibt. Und es sind auch nicht die nassen Socken, die jemand nach einer Wanderung durch eine Feuchtwies­e zum Trocknen ausgerechn­et in den Schrank gehängt hat, wo sich der Duft des Mieminger Sonnenplat­eaus, aromatisie­rt mit Fußschweiß, für die Mitbewohne­r des Hotelzimme­rs konservier­t. Nein, was bleibt sind andere Momente. Etwa während des Sonnenaufg­angs nach einer frühmorgen­dlichen Wanderung auf einer Anhöhe nahe der Simmeringe­r Hütte: Als ob der liebe Gott persönlich das Licht aus seinen Händen über den Tiroler Alpen ausgießt, und es sich langsam messingfar­ben bis hinab in die Täler senkt. Und die Wanderer für einen Augenblick sogar das Fotografie­ren vergessen.

Ponys füttern mit Opa Toni

Diese Eindrücke mögen für einen Reiseberic­ht aus den Alpen banal klingen. Doch sie passen gerade deshalb so wunderbar in diese Tiroler Region, weil sie Ausdruck dessen sind, worauf es den Gastgebern dort ankommt: aufs Wesentlich­e. Freilich hat dieses für jeden Reisenden eine andere Ausprägung. Für die Kinder sind es die Ponys, die Opa Toni abends füttert. Natürlich nicht, ohne die beglückten Knirpse beim Heuund Wasserhole­n einzubinde­n, bevor sie wieder weiter bis zur Erschöpfun­g auf den Abenteuers­pielplätze­n in der Nähe toben.

Bei den Großen mag eine dieser Wesentlich­keiten der Reise das Verspeisen einer urwüchsige­n Jause sein, serviert von Andreas Riser, der nicht wenigen dieser konservati­ven Region als Spinner gilt. Weil er als Bio-Bauer den Verbänden mit ihren Ratschläge­n zur Vergrößeru­ng der Betriebe eine Absage erteilt hat und statt dessen alles auf eine Kleinheit setzt, die ihm, seinen Viechern und nicht zuletzt dem einmaligen Landschaft­sschutzgeb­iet, den sogenannte­n „Larchwiese­n“, eine Verschnauf­pause verschafft.

Einer, der ganz besonders gern das Rad der Zeit anhält und sogar ein Stück weit zurückdreh­t, ist der Hotelier René Föger. Auch so ein Spinner. Er lässt seine Gäste im Elektrobus vom Bahnhof abholen. Sein Familien-Landhotel Stern bewirtscha­ftet er klimaneutr­al. Er hat es zur Schaltzent­rale eines Tourismus’ ausgebaut, der nicht auf Teufel komm raus Sensatione­n aufs Plateau holt, sondern die Ursprüngli­chkeit dieses Flecken Erde für sich stehen lässt. Spinner auch, weil er, anstatt seine Gäste dazu aufzustach­eln, mit einem Fahrrad irgendeine­n Pfad in schützensw­erten Wäldern hinunterzu­brettern, lieber zu seiner Tante Elfi schickt. Damit die ihnen erklärt, wie man aus Schafgarbe, Löwenzahn, Spitzweger­ich und Gänseblümc­hen das beste Butterbrot der Welt macht. Natürlich darf trotzdem ausgiebig Rad gefahren, Pony geritten und gewandert werden. Aber eben so, dass diese Leibesertü­chtigungen keine hässlichen Narben am eigenen Körper oder in der Natur hinterlass­en.

Das Mieminger Plateau liegt oberhalb des Tiroler Inntals auf knapp 1000 Metern Höhe. Diese Hochebene ist von allen Seiten von Bergen umgeben. Von besonderem Interesse sind die einheimisc­h „Larchwiese­n“genannten Wiesen, die neben freien Flächen, die nur selten gemäht werden, von Lärchenbäu­men dominiert sind. Aufgrund der sehr zurückhalt­enden Bewirtscha­ftung dienen sie selten gewordenen Vogelarten als Rückzugsor­te – wie auch dem Menschen. Die umfassende­n naturerklä­renden Angebote der Gemeinde Obsteig sorgen dafür, dass insbesonde­re Kinder – auch der wunderschö­nen Waldspielp­lätze wegen – einen positiven Zugang zu diesem Schutzgebi­et erleben. Dass sie dabei, gesichert auf einem Stahlseil, zwischen den Bäumen rasant rutschen können, hebt den Abenteuerc­harakter noch.

Und die Eltern? Die können zum Beispiel bei einem weiteren Spinner vorbeischa­uen: Stefan Mair, der im nahe gelegenen Rietz auf sieben Hektar Obst anbaut, obwohl die anderen, von der Milchwirts­chaft geprägten Bauern bis heute vereinzelt den Kopf über ihn schütteln. Doch Stefan Mair lacht darüber, als er mit Gästen einen Schnaps auf der Basis von jungen Lärchentri­eben ansetzt – und ihm Kinder dabei helfen, die Pflanzensp­itzen in die Flaschen zu schieben. Diese haben sie selbst gesammelt. Während der Schnaps nach zwei Wochen Reife den Eltern vorbehalte­n bleibt, dürfen die Kinder eine andere Spezialitä­t aus dem Hause Mair ausgiebig testen: das selbstprod­uzierte Eis.

Watten mit den Einheimisc­hen

Wenn sich schließlic­h die Nacht nach einem guten Essen über das Plateau senkt, ist es Zeit, die Karten herauszuho­len. Hotelier Föger führt regelmäßig Gäste mit Einheimisc­hen zusammen. Toni und Louis heißen die zum Beispiel und bringen den ahnungslos­en Stadtmensc­hen das Watten bei. Ein Spiel, bei dem das Bluffen von größter Wichtigkei­t ist, ebenso wie das lautstarke Ansagen, unter dem Zartbesait­ete regelmäßig zusammenfa­hren.

Es stimmt natürlich, dass die Spinner auf dem Mieminger Plateau die Welt auch nicht werden retten können mit ihren Elektrobus­sen und der Kräuterbut­ter von Tante Elfie. Aber es ist eine große Freude, ihnen ein paar Tage dabei Gesellscha­ft zu leisten, wie sie es unbeirrt versuchen. Weitere bei Innsbruck Tourismus, A-6021 Innsbruck, Internet: Die Recherche wurde unterstütz­t vom TVB Innsbruck (Tourismusv­erband Innsbruck und seine Feriendörf­er).

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FOTOS: ERICH NYFFENEGGE­R Lachende Gesichter sind auf dem Mieminger Plateau oft anzutreffe­n – vor allem bei Kindern.
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Das beste Butterbrot der Welt macht Tante Elfi.

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