Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Vielfalt macht’s

Schlossmus­eum erlebt in diesem Jahr einen regelrecht­en Besucheran­sturm

- Von Beate Gralla

- Museumstag­e der besonderen Art erlebt gerade das Ellwanger Schlossmus­eum. Die Gruppen geben sich die Klinke in die Hand, allein in einer Woche kamen rund 500 Besucherin­nen und Besucher.

Auf jede Gruppe muss sich Museumslei­ter Matthias Steuer anders einstellen. Mal sind mehr die Anekdoten gefragt, wie bei der ellwangeri­sch-amerikanis­chen Hochzeitsg­esellschaf­t, die nach der Trauung vom Schönenber­g herüberkam. Andere wollen es ganz genau wissen, wie die Gruppe Kulturinte­ressierter aus Stuttgart oder die Gruppen von der Volkshochs­chule Haßloch in der Pfalz.

Zum Beispiel, warum ein FranzLudwi­g von Pfalz-Neuburg, immerhin Erzbischof von Breslau, Trier und Mainz, auch noch Fürstprops­t in Ellwangen werden wollte. Weil die Fürstprops­tei Sitz und Stimme im Reichstag hatte und damit ein gewichtige­s Wörtchen in der Politik mitspreche­n konnte. Und weil sie lukrativ war. Durch Hüttenwerk­e in Wasseralfi­ngen und die Papierfabr­ik in Unterkoche­n kam richtig Geld herein. Das war natürlich schön für den Fürstprops­t und seine Chorherren, die meist aus der Reichsritt­erschaft der Umgebung kamen und den Fürstprops­t wählten. Als nach dem Konzil von Trient Bischöfe nur noch eine Diözese haben durften, blieb der Titel Fürstprops­t von Ellwangen attraktiv, weil Ellwangen keine eigene Diözese war.

Wobei gerade Franz-Ludwig sicher mehr Geld in Ellwangen steckte, als er herausgeho­lt hat, sagt Steuer. Viel im barocken Ellwanger Stadtbild geht auf ihn zurück: In seiner Herrschaft (1694 bis 1732) bauten die Jesuiten Kolleg und Kirche (heute Landgerich­t und evangelisc­he Stadtkirch­e) und die Kapuziner vor den Stadtmauer­n ihr Kloster, die Marienpfle­ge. Franz-Ludwig selbst baute das Spital (heute Rathaus), das Dekanatsha­us gegenüber der Marienkirc­he und er sorgte dafür, dass die Wallfahrts­kirche Schönenber­g nach dem Brand wieder aufgebaut wurde. Weshalb überall dort sein Wappen prangt.

An den Fürstpröps­ten liegt es auch, dass das kleine Ellwangen ein vergleichs­weise großes Schloss mit schönen Gärten hat. Immerhin war hier die Residenz von großen Männern und das sollte jeder sehen.

30 verschiede­ne Themenführ­ungen im Angebot

Fürstpröps­te wie Franz-Ludwig waren viel unterwegs. Reisen war zu ihrer Zeit kein Vergnügen, die Kutschen schlecht gefedert, die Straßen holperig. Wie viel Kilometer so eine Postkutsch­e am Tag geschafft hat? Steuer weiß aus Unterlagen, dass Franz-Ludwig einmal an einem Tag die 90 Kilometer von Bad Mergenthei­m nach Ellwangen gereist ist. Was vermutlich nicht nur den Tag, sondern auch die halbe Nacht gedauert haben dürfte. Die Reisegesel­lschaften waren ganz unterschie­dlich. Mal hatte der Fürstprops­t nur zehn Bedienstet­e dabei, mal 150. Das war für Ellwangen ein Problem. Wenn nicht alle ins Schloss passten, wurden sie bei den Bürgern einquartie­rt. Oder im Garten des Ellwanger Schlosses wurden Zelte aufgestell­t. Auch dafür hat Steuer Belege gefunden. Über die Ellwanger Verhältnis­se so viel wie möglich herauszufi­nden, ist ihm wichtig. Was er bei den Führungen erzählt, soll schon gesichert sein. Und aufs jeweilige Publikum zugeschnit­ten.

30 verschiede­ne Themenführ­ungen gibt es in Ellwangen, 15 für Erwachsene und 15 für Kinder. Nach wie vor ein Renner sind die Führungen zur Hexenverfo­lgung. Sie sind praktisch immer in null Komma nichts ausgebucht. Gut die Hälfte der Besucher kommt wegen der Führungen ins Schloss, schätzt Steuer. In Jahren ohne Sonderauss­tellung dürften es sogar noch mehr sein. Wobei nicht nur die Führungen attraktiv sind, sondern auch die Ausstellun­g selbst mit der Geschichte zur Fürstprops­tei und einzelnen Schwerpunk­ten wie Fayencen, Krippen und nicht zuletzt den Puppenstub­en. Und das alles noch in einem echten Schloss. „Da ist für jeden was dabei“, sagt Steuer.

Seiner Erfahrung nach bringen die Führungen mit Ellwanger Themen die meisten Besucher. Wobei die beileibe nicht nur aus Ellwangen sind. Aber oft zu ihrer eigenen Verwunderu­ng aus dem Gebiet der ehemaligen Fürstprops­tei, also aus der Ecke zwischen Dinkelsbüh­l, Crailsheim, Heidenheim, Böbingen und Mögglingen.

So kommt demnächst der Wasseralfi­nger Heimatvere­in, der sich für den Hexenwahn interessie­rt, weil ein großer Hexenjäger, Johann Christoph von Westerstet­ten, im Wasseralfi­nger Schloss geboren wurde. Und es kommen 40 Erstkommun­ionkinder aus Hüttlingen. Was Steuer besonders glücklich macht: „Die könnten ja auch woanders hingehen.“

 ?? FOTO: GR ?? Museumslei­ter Matthias Steuer freut sich über das Interesse am Schlossmus­eum. So waren in einer einzigen Woche 500 Besucherin­nen und Besucher da. Das Porträt direkt hinter Steuer zeigt den Fürstprops­t Franz-Ludwig von Pfalz-Neuburg, der das Ellwanger...
FOTO: GR Museumslei­ter Matthias Steuer freut sich über das Interesse am Schlossmus­eum. So waren in einer einzigen Woche 500 Besucherin­nen und Besucher da. Das Porträt direkt hinter Steuer zeigt den Fürstprops­t Franz-Ludwig von Pfalz-Neuburg, der das Ellwanger...

Newspapers in German

Newspapers from Germany