„Jeder wusste, auf was er sich einlässt“
Beim Confed Cup debütieren öfter Überraschungskandidaten – Ronald Maul war es beim Chaos-Trip 1999
Im Jahr 1999 sorgte der Confed Cup in Deutschland für Aufsehen. Mit einem Team von NoNames reiste Teamchef Erich Ribbeck nach Mexiko und scheiterte bereits in der Vorrunde kläglich. Ronald Maul nahm an der legendären Reise der DFB-Elf teil und machte seine einzigen beiden Länderspiele. Mit Felix Alex sprach er über Parallelen zum aktuellen Turnier, Spiele im Glutofen vor 100 000 Fans und Leitwolf Lothar Matthäus.
Herr Maul, Sie können sich sicherlich denken, warum wir Sie aus dem Schwabenland anrufen?
Ich habe da so eine Ahnung. Es ist wieder Zeit für den Confed Cup. Da werde ich alle vier Jahre rausgekramt und dann häufen sich die Interviews. Ich sehe die Nummer aber immer relativ entspannt, habe das ja auch damals realistisch eingeschätzt. Bei mir kommt wohl alles zusammen: Vielleicht erinnert man sich an meinen Namen, zudem spielte ich damals bei Arminia Bielefeld und die waren ja nicht gerade als Lieferant für Nationalspieler bekannt.
Wie wurden Sie über die Einladung zur Mexiko-Reise informiert?
Ich glaube, ich bekam die Nachricht vom Manager von Bielefeld. Vor allem lag es ja auch daran, dass nicht mehr als drei Spieler pro Verein abgestellt werden sollten, zudem lag das Turnier in der Vorbereitungszeit und war dementsprechend nicht so beliebt. Aber im Zuge der Bewerbung für die WM 2006 musste die Nationalelf dorthin. Ich war ja zu dem Zeitpunkt schon länger in der damaligen A2-Nationalmannschaft aktiv. Zudem waren ja einige aus dem Team von Horst Hrubesch – Michael Ballack, Bernd Schneider, Robert Enke – dabei, die dorthin geschickt wurden.
Welche Vorstellungen hatten Sie?
Allgemein gab es keine große Erwartungshaltung, es war ja eine Reise ins Ungewisse: Wir mit unserem zusammengewürfelten Haufen, aber es waren mit Mehmet Scholl oder vor allem Lothar Matthäus auch Jungs dabei, die das schon mal gemacht haben. Ich selbst konnte ja noch weniger planen und wurde zweimal eingewechselt.
Wie wurden Sie aufgenommen?
Das habe ich sehr positiv in Erinnerung und trage es auch so weiter. Spieler wie Matthäus oder Scholl sind zu uns hingekommen, haben sofort mit einem gesprochen und uns so integriert. Das war sehr angenehm.
Haben Sie Erinnerungsstücke?
Trikots oder auch Medaillen existieren schon noch, das sind schöne Erinnerungen, aber ich habe das immer realistisch eingeschätzt und mich nie als „Ich bin der zweifache Nationalspieler“vorgestellt. Aber jetzt im Nachgang der Karriere merke ich es schon, dass die zwei Spiele in Erinnerung bleiben und weniger meine 180 Bundesligapartien.
Warum ging es danach für Sie nicht im Adler-Trikot weiter?
Man muss ja sagen, dass ich unter normalen Umständen gar nicht erst einer geworden wäre, also hat sich nicht so viel geändert. Ich hatte danach mit dem Hamburger SV eine Station, die nicht so gepasst hat, und dann ist man aus dem Notizbuch raus. Auch in den folgenden fünf Jahren bei Hansa Rostock war ich vermutlich nicht mehr auf dem Level, um Ansprüche zu stellen. Ich wusste immer ziemlich gut, was ich kann und was nicht. Wäre ich Stammspieler beim HSV geworden, wäre es vielleicht etwas anders gelaufen.
Im Nachhinein ging das Turnier, ebenso wie die EM 2000, als Tiefpunkt in die DFB-Geschichte ein. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Das haben wir ja in Mexiko gar nicht mitbekommen, dass es in Deutschland so zerrissen wurde. Und auch danach habe ich es nicht so wahrgenommen. Aber es war zu der Zeit wirklich viel Bewegung drin. Erich Ribbeck wurde ausgetauscht und danach ist ein neues System entstanden.
War es denn wirklich so schlimm?
Wir waren ja schon eine sehr zusammengewürfelte Truppe. Ich erinnere mich an die Vorbereitung zum Spiel gegen Brasilien. Da wurde die Manndeckung bei Freistößen anhand der Vornamen vergeben. Wir hatten Christian Wörns dabei, und auch bei Brasilien spielte ein Christian. „Also geht Christian zu Christian“, hieß es. Da wurde schon viel improvisiert. Aber vor 100 000 Leuten im Stadion zu spielen und das bei der drückenden Hitze, das war schon alles beeindruckend und ganz andere Dimensionen, als ich es sonst gewöhnt war.
Ribbeck sagte: „Das war furchtbar“damals, aber er hatte ja keine andere Wahl. Sportlich wäre es ein „Todeskommando“gewesen. Schmerzen solche Aussagen?
Das war für ihn sicherlich keine erfolgreiche Reise, die auch im DFB keine Ruhe gebracht hat. Klar, dass ihn das im Nachhinein begleitet. Aber jeder wusste, auf was er sich einlässt. Wir haben ja nun jetzt in Russland etwa die gleiche Situation, auch wenn der Bundestrainer einen anderen Stellenwert hat und die Situation in der Truppe eine andere ist.
Also alles anders als bei Ihrer Fahrt?
Ich glaube schon, dass die Mannschaft unserer damaligen einen deutlichen Schritt voraus ist. Ich wüsste nicht, dass da jemand dabei wäre, der kein gestandener Bundesligaspieler ist. Es ist eine junge und hungrige Truppe, da ist insgesamt die Stimmung deutlich angenehmer, als es damals war, und dementsprechend wird es auch in der Öffentlichkeit positiver wahrgenommen.
Also ist kein neuer Fall Ronald Maul, Heiko Gerber oder Mustafa Dogan zu erwarten, die sofort wieder in der Versenkung verschwinden?
Am Ende kann niemand voraussagen, wie eine Karriere weitergeht oder wann eine explodiert. Und die Jungs müssen sich bewusst sein, auch wenn sie nur zwei Länderspiele machen, dass das dann trotzdem viel mehr ist, als andere jemals schaffen werden. Dafür muss sich niemand schämen, aber deshalb sollte man auch nicht übertreiben. Ich kann nur sagen, dass man es genießen sollte und am Ende sowieso die Bundesligakarriere entscheidet.
Erich Ribbeck sagte, davon werden einige noch ihren Enkelkindern erzählen. Sind Sie denn jetzt, 18 Jahre später, schon der Märchenopa?
Meine Kinder sind noch nicht so alt, als das ich da was groß erzählen müsste. Ich bin einfach dankbar, dass ich das alles erleben durfte. Ronald Maul – am 13. Februar 1973 in Jena geboren – lief 178-mal in der
1. Bundesliga und 132-mal im Unterhaus auf. Er trug u. a. das Trikot von Arminia Bielefeld, dem Hamburger SV und Hansa Rostock. Nach Stationen bei Carl Zeiss Jena und Rot Weiss Ahlen beendete er 2011 seine Karriere bei Eintracht Osnabrück. Für die deutsche Nationalmannschaft bestritt er zwei Spiele. Nach der aktiven Karriere ging er in die Selbstständigkeit und war für verschiedene Vereine tätig. Nach einer Zeit als Netzwerker ist der 44-Jährige seit wenigen Tagen als Geschäftsführer beim Drittligisten SV Meppen tätig.