Der teure Unbekannte
Bayern holt für 41,5 Millionen Euro Mittelfeldspieler Corentin Tolisso (22) aus Lyon
(SID/dpa/sz) - Es ist der Bundesliga-Rekordtransfer, aber trotzdem nicht der ganz große Name. Selbst der FC Bayern tut sich bei dem Ablöse- und Gehaltswahnsinn im europäischen Fußball schwer, die von Präsident Uli Hoeneß in Aussicht gestellte „Granate“zu verpflichten. Mehr als 100 Millionen Euro Ablöse für einen Marco Verratti von Paris St. Germain oder 25 Millionen Euro Jahresgehalt für Alexis Sanchez vom FC Arsenal – da sagen auch die finanzstarken Münchner (noch) Nein. Stattdessen setzen sie weiter auf hochkarätige Talente wie den 22 Jahre alten Corentin Tolisso von Olympique Lyon, einen französischen Nationalspieler mit togolesischen Wurzeln, der bislang nur Experten vertraut ist, aber als Mann mit großer Zukunft gilt und seit Mittwoch als teuerster Spieler der Bundesliga firmiert.
„Wir sind sehr glücklich, dass wir diesen jungen und hoch interessanten Spieler trotz großer Konkurrenz aus dem Ausland gewinnen konnten. Corentin Tolisso war der Wunschspieler von unserem Cheftrainer Carlo Ancelotti für das Mittelfeld“, sagte Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Lyons Trainer Bruno Genesio ließ Tolisso ungern ziehen: „Es ist ein Luxus, einen Spieler wie ihn zu haben. Egal, wo er spielt, er macht seine Sache gut“, sagte er einmal. Auch Lyons Präsident Jean-Michel Aulas schwärmte: „Corentin ist ein außergewöhnlicher Spieler, ohne Zweifel einer der besten in Europa auf seiner Position, aber zugleich ist er ein Mann mit starker Persönlichkeit.“
Entsprechend teuer wurde der Transfer. Tolisso kostet die Bayern einen Grundbetrag von 41,5 Millionen Euro. Mit Bonuszahlungen kann die Summe auf 47,5 Millionen anwachsen. Bislang hielt Tolissos künftiger Teamkollege Javi Martínez die Liga-Bestmarke – für den Spanier überwiesen die Bayern 2012 40 Millionen an Athletic Bilbao.
Tolisso, an dem unter anderem der AC Mailand, Juventus, Tottenham und Chelsea interessiert gewesen sein sollen, unterschrieb für fünf Jahre bis 2022. Er freue sich „riesig, bei einem der besten Klubs in Europa spielen zu dürfen. Ich habe mir hohe Ziele mit Bayern gesteckt“, sagte er bei seiner Vertragsunterschrift: „Heute ist ein großer Tag für mich.“
Tolisso, der flexibel einsetzbar ist, soll die nach dem Karriereende des spanischen Welt- und Europameisters Xabi Alonso (35) entstandene Lücke im zentralen Mittelfeld schließen. Er ist bei den Bayern der vierte Zugang nach den beiden Hoffenheimer Nationalspielern Niklas Süle (25 Millionen) und Sebastian Rudy (ablösefrei) sowie U21-Nationalspieler Serge Gnabry (Bremen/8) und passt bestens ins Anforderungsprofil von Kaderplaner Michael Reschke: jung, entwicklungsfähig, lernbereit, technisch brillant, polyvalent einsetzbar.
Tolisso, der aus Lyons Jugend stammt, ist für einen Mittelfeldspieler zudem extrem torgefährlich und damit ein Typus Spieler, der den Bayern noch fehlte. In den 47 Pflichtspielen der Saison schoss er 14 Treffer für Lyon und bereitete sieben vor. Kein zentraler Mittelfeldspieler in den fünf großen Ligen Europas kommt auf diese Torausbeute. Sein bislang einziges A-Länderspiel bestritt Tolisso im März gegen Spanien (0:2), beim 3:2 gegen England am Dienstag war er im Kader.
Costa vor dem Absprung
Dagegen steht bei den Bayern Douglas Costa vor dem Absprung. Laut Informationen der „Schwäbischen Zeitung“hat sich der 26 Jahre alte Brasilianer mit Champions-League-Finalist Juventus Turin geeinigt. „Costa ist ein Ziel für uns, er ist sehr gut“, wird Juve-Trainer Massimiliano Allegri im „Corriere dello Sport“zitiert. Offen ist noch die Ablöse. Bayern verlangt angeblich 50 Millionen Euro, Juve soll 35 Millionen bieten. Auch die Zukunft von Renato Sanches ist nach Tolissos Einkauf offener denn je. 35 Millionen hatten sich die Münchner den portugiesischen Europameister vor einem Jahr kosten lassen, doch der 19-Jährige enttäuschte bislang.
Ist die Einkaufstour der Münchner damit beendet? „Wir haben jetzt gerade mal den 14. Juni, und der Transfermarkt ist noch bis Ende August auf. Wir werden sicherlich nicht frühzeitig die Tür abschließen. Aber ich kann auch nicht garantieren, dass und was noch kommen wird“, sagte Rummenigge zurückhaltend.