Wenn es piepst, zählt für Stephan Stütz jede Sekunde
Berufsfeuerwehr? Fehlanzeige – Ohne Ehrenamtliche könnte die Feuerwehr die Vielzahl an Einsätzen nicht leisten
- Brände, Unfälle, Unwetterkatastrophen. Zwischen 350 und 400 Einsätze muss die Freiwillige Feuerwehr Aalen im Jahr im gesamten Stadtgebiet bestreiten. Ohne das Engagement der 280 aktiven, ehrenamtlichen Wehrmänner, die diese Aufgabe 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr neben ihrem Beruf wahrnehmen, sei dies gar nicht zu leisten, sagt der stellvertretende Kommandant Stephan Stütz und räumt damit mit dem immer noch vorhandenen Irrglauben auf, dass es in Aalen eine Berufsfeuerwehr gibt.
Eigentlich hätte Stephan Stütz heute frei. Zumindest, was seine Aufgabe als Zugführer vom Dienst bei der Aalener Feuerwehr betrifft. Denn frei hat der 48-Jährige, der als Selbstständiger das Geschäft Rad und Sport Stütz in Unterkochen betreibt, so gut wie nie. Heute muss er neben seiner eigentlichen Arbeit allerdings auch noch den Dienst eines Feuerwehrkollegen übernehmen. Den Piepser, mit dem die Rettungsleitstelle den Unterkochener alarmiert, trägt er in seiner Hosentasche. Geht dieser los, muss sich Stütz sputen. Vor seinem Geschäft steht der Einsatzleitwagen. In diesem ist auch die Schutzkleidung deponiert, in die der Zugführer vom Dienst rasch schlüpfen muss, um dann sofort mit Blaulicht zum Einsatzort zu fahren. Denn jede Sekunde zählt. Häufig begleitet ihn sein Bruder Florian als Führungsassistent und fährt den Einsatzleitwagen, damit Stephan Stütz selbst telefonisch Rücksprache mit der Leitstelle halten kann.
Beim Hochzeitstag sitzt die Frau auch mal allein im Restaurant
Für sein Ehrenamt haben seine Kunden Verständnis. Ab und an kommt es nämlich auch vor, dass er mitten im Beratungsgespräch zum Einsatz eilen muss. Den Job im Geschäft übernimmt dann seine Frau Susanne, ohne deren Unterstützung Stephan Stütz‘ Engagement bei der Feuerwehr so gar nicht möglich wäre. Sie hält ihm beruflich den Rücken frei, schluckt aber auch die Kröte, wenn sie am Hochzeitstag bei einem Essen in einem Restaurant plötzlich alleine am Tisch sitzt, weil die Pflicht ruft. Auch der 15-jährige Sohn und die zwölfjährige Tochter des Ehepaars sind es mittlerweile gewohnt, dass das Familienleben ein anderes ist, wenn der Papa Zugführerdienst hat. Und das ist alle sechs Wochen von Freitag bis Freitag der Fall. In dieser Zeit fallen dann gemeinsame Unternehmungen
„Das Ehrenamt erfordert viel Engagement und eine große Bereitschaft“, sagt Stephan Stütz.
ins Wasser, sagt Stütz, der rund um die Uhr Gewehr bei Fuß stehen muss.
Seit 1997 ist der Kommandant der Feuerwehrabteilung Unterkochen Zugführer. Seit 2001 ist er zudem einer der beiden ehrenamtlichen Stellvertreter des Kommandanten der Aalener Feuerwehr, Kai Niedziella, der diese Funktion allerdings ebenso wie die Gerätewarte hauptamtlich wahrnimmt. Ein Zugführer muss bei allen Einsätzen im Stadtgebiet ausrücken. Er wird gemeinsam mit der jeweiligen Abteilung vor Ort alarmiert und ist dafür verantwortlich, den Löschzug, der aus zwei Löschfahrzeugen und einer Drehleiter besteht, zu koordinieren und die Aufgaben aller drei Einheiten zu verteilen. Der Zugführer ist auch derjenige, der bei Bedarf weitere Kräfte nachalarmiert.
„Das Ehrenamt erfordert viel Engagement und eine große Bereitschaft“, sagt Stütz. Und mit Blick auf seine Kollegen, die nicht wie er selbstständig, sondern angestellt sind, viel Verständnis und Kulanz vonseiten des Arbeitgebers. Im Zugführerdienst rücke Stütz im Schnitt zu vier bis sechs Einsätzen pro Woche aus. Es gebe aber auch Zeiten, in denen er vier mal am Tag alarmiert wird. Diese Leistung, die er wie auch seine neun Zugführer-Kollegen das Jahr über ehrenamtlich leistet, sei keine Selbstverständlichkeit. „Auch wenn es für die Bürger selbstverständlich ist.“
Mit 350 bis 400 Einsätzen komme die Aalener Feuerwehr allerdings an ihre Grenzen. Wären es 100 Einsätze mehr, würden die ehrenamtlichen Wehrmänner, mit denen auch viel Personalkosten eingespart würden, bei den derzeitigen Strukturen an gewisse Grenzen stoßen, sagt Stütz. Eine Berufsfeuerwehr ist jedoch erst in Städten mit 100 000 Einwohnern vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Blickt Stütz allerdings auf Heidenheim oder Schwäbisch Gmünd, seien dort weitaus mehr Hauptamtliche angestellt.
Ausdauersport als Ausgleich, um den Kopf freizubekommen
Für den Dienst gibt es eine Aufwandsentschädigung. „Gefühlt allerdings zu wenig“, scherzt der 48-Jährige. Aber des Geldes wegen engagiert er sich auch nicht bei der Feuerwehr. Vielmehr sei es der Spaß und das Interesse an der Technik, aber vor allem der Wunsch, Menschen in Notlagen zu helfen. „Gelingt uns das, ist das eine tolle Motivation und ein gutes Gefühl.“Besonders an die Nieren gingen Stütz neben Großbränden wie der letzte bei Holzbau Weber in Ebnat im Jahr 2015 vor allem Unfälle, bei denen Kleinkinder zu Schaden kommen. Deshalb betreibt Stütz in seiner wenn auch spärlichen Freizeit vor allem viel Ausdauersport. „Das ist für mich ein wichtiger Ausgleich, um den Kopf freizubekommen.“Bis zum nächsten Einsatz.