Vor dem Computer sind alle gleich
Ethik-Kommission legt Grundlinien für autonomes Fahren vor – Ungelöste Fragen bleiben
- Eine deutsche Ethik-Kommission entwickelt weltweit erste Grundlinien für das autonome Fahren. Auf eine Antwort zur wichtigsten Frage nach Leben und Tod finden aber auch Theologen, Juristen, Techniker und Philosophen keine eindeutige Antwort. Wolfgang Mulke erläutert die Hintergründe zum Thema:
Worum geht es bei der Ethik des Autofahrens?
Wenn der Fahrer eines Autos die Verantwortung für die Tour an einen Computer übergibt, entstehen etliche Fragen, die von der Haftung bei Unfällen über den Umgang mit den gewonnenen persönlichen Daten bis hin zu der Entscheidung führen, wem ein körperlicher Schaden zugefügt wird, wenn der Computer nur zwischen verschiedenen schlechten Möglichkeiten entscheiden kann. Für all diese Fragen will die Bundesregierung schon frühzeitig Antworten entwickeln. Sie sollen „Eckpfeiler für ein internationales Regelwerk“werden, wie Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) betont.
Welche Kernthesen hat die Kommission entwickelt?
Insgesamt 20 Thesen haben die Experten aufgestellt. „Jedes Menschenleben ist gleich“, lautet eine der wichtigsten Festlegungen der Kommission. Sollte also ein selbstfahrendes Fahrzeug bei einer Notfallsituation vor der Entscheidung stehen, entweder in eine Gruppe von Kindern auszuweichen oder einen Rentner umzufahren, darf es deren Alter oder andere Unterscheidungsmerkmale nicht berücksichtigen. Grundsätzlich steht der Schutz von Menschenleben vor der Vermeidung von Sachschäden.
Haben die Experten eindeutige Antworten auf die Frage nach Leben und Tod beim autonomen Fahren gefunden?
Nein. Die Situationen, in denen ein Fahrroboter in ein Entscheidungsdilemma gerät, sind dafür zu unterschiedlich. Klar ist nur die Gleichbehandlung aller Menschen und grundsätzlich verboten, auch heute schon, ist die Verrechnung von Menschenleben. Das bedeutet, im Notfall darf das Fahrzeug nicht einfach die kleinere von zwei Gruppen auswählen, wenn es in eine der beiden hineinfahren müsste. Generell gilt zugleich die Pflicht, etwaige Schäden möglichst gering zu halten. Das kann wiederum eine Entscheidung für die kleinere Gruppe bedeuten.
Welche Empfehlungen sind noch besonders wichtig?
Grundsätzlich halten die Ethiker die Förderung des autonomen Fahrens für geboten, weil dadurch die Zahl der Unfälle und Personenschäden abnimmt. Auch sprechen sich die 14 Mitglieder für klare Haftungsregelungen aus. „Es muss immer klar sein, wer an welcher Stelle die Verantwortung trägt“, erläuterte Kommissionschef Udo di Fabio. Das ab diesem Donnerstag geltende Recht bleibt bei der Haftungsfrage dagegen vage.
Was sagen die Experten zum Schutz der persönlichen Daten bei autonomen Systemen?
Die selbstfahrenden Autos sammeln jeden Menge personenbezogener Daten ein, vom Fahrverhalten bis hin zu Bewegungsprofilen. „Der Fahrer muss grundsätzlich selbst über die Weitergabe und Verwendung seiner Fahrzeugdaten entscheiden können“, fordern die Ethiker.
Warum werden jetzt schon Richtlinien diskutiert für selbstfahrende Autos, die es noch gar nicht gibt?
Verkehrsminister Dobrindt sagt eine rasante Entwicklung der Technik voraus. Derzeit gibt es nur vergleichsweise einfache Hilfestellungen für den Fahrer, zum Beispiel Parkassistenten oder Tempomaten. Hier ist der Fahrer noch dauerhaft verantwortlich. In den nächsten Stufen gibt der Fahrer immer mehr Aufgaben an den Bordcomputer ab bis hin zum vollautomatisierten Fahren. Auf den Teststrecken sind bereits solche Autos unterwegs. „In fünf Jahren werden diese Fahrzeuge im Autohaus stehen“, glaubt der Politiker.
Gibt es vergleichbare Empfehlungen in anderen Ländern?
Die Empfehlungen der Kommission sind weltweit die ersten Leitlinien für das autonome Fahren. Das internationale Interesse daran ist Dobrindt zufolge hoch.
Was geschieht nun mit dem Rat der Ethiker?
Das ist nicht klar. Di Fabio rechnet mit einer anhaltenden Diskussion über den richtigen Umgang mit der künstlichen Intelligenz, die mehr und mehr Besitz von den Autos ergreift.
Wie sieht die Rechtslage beim autonomen Fahren heute aus?
Am Donnerstag tritt ein erstes Gesetz zum automatisierten Fahren in Kraft. Es erlaubt erstmals, dass ein Fahrer nicht ständig die Hände am Lenkrad haben und das Fahrzeug führen muss. Allerdings muss er die Hoheit über das Fahrzeug jederzeit wieder übernehmen können.