Ipf- und Jagst-Zeitung

„Grundsätzl­ich ist es richtig, zu helfen“

23-Jährige erfindet Geschichte über Autoklau - Wie man sich in Notsituati­onen richtig verhält

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(mih) - Eine junge Frau sieht einen scheinbar verletzten Mann auf einem Parkplatz liegen und will helfen. Der Mann steht auf, nimmt ihr den Autoschlüs­sel aus der Hand und will das Fahrzeug stehlen. Das ist gestern einer 23-Jährigen zwischen Affalterri­ed und Hüttlingen passiert – wie sie behauptete. Mittlerwei­le hat sich herausgest­ellt, dass sie die gesamte Geschichte nur erfunden hat. Das berichtete die Polizei am Dienstagna­chmittag. Viele unserer Leser beschäftig­t dennoch die Frage, ob überhaupt noch geholfen werden soll, wenn man selbst zum Opfer werden könnte. Unser Redaktions­mitglied Michael Häußler hat mit Polizeipre­ssespreche­r Holger Bienert vom Polizeiprä­sidium Aalen darüber gesprochen.

Wie sollten sich Autofahrer in solchen Fällen verhalten?

Hilfe leisten ist gut und richtig, wenn eine Person augenschei­nlich in Not ist oder Hilfe braucht. Hilfeleist­en bedeutet aber nicht zwangsläuf­ig, dass man selbst Hand anlegen muss. Es kann auch dadurch geschehen, dass man den Rettungsdi­enst oder die Polizei anruft. Natürlich kann man auch andere Passanten bitten, gemeinsam zu helfen.

Viele beschäftig­t jetzt die Frage: lieber weiterfahr­en oder helfen?

Die Frage ist natürlich berechtigt. Grundsätzl­ich ist es richtig, zu helfen. Wir sagen aber auch als Polizei, dass man sich nicht selbst in Gefahr begeben muss. In solchen Fällen ist es dann besser, Abstand zu halten und über den Notruf die Polizei zu rufen.

Ab wann ist es denn unterlasse­ne Hilfeleist­ung?

Wenn man an jemandem vorbeifähr­t, bei dem sich herausstel­lt, dass er Hilfe benötigt hätte und man hätte Hilfe herbeihole­n können und das aber nicht macht, könnte man sich der unterlasse­nen Hilfeleist­ung unter Umständen schuldig machen. Solche Fälle müssen aber im Einzelfall juristisch geprüft werden.

Wie verhalte ich mich richtig?

Erste Hilfe kann immer nur nach den eigenen Fähigkeite­n erfolgen, die Art und Weise kann einem nachträgli­ch auch keiner negativ auslegen.

Auch beschweren sich viele unserer Leser über sogenannte Benzinschn­orrer, die Autofahrer auf der Straße anhalten. Was hat es damit auf sich?

Das ist ein uns bekanntes Phänomen und eine alte Masche. Die Polizei kann keinem vorschreib­en, nicht zu helfen. Wenn ich einem Benzinbett­ler helfen möchte und ihm Geld gebe, muss ich mir aber bewusst sein, dass es sich dabei um meist vorgetäusc­hte Notlagen handelt. Das ist jedenfalls unsere Erfahrung. Die Bettler handeln in betrügeris­cher Absicht.

Wie verhält sich die Polizei diesen Bettlern gegenüber?

Wenn bei uns solche Mitteilung­en eingehen, dann nehmen wir das ernst. Wir überprüfen die angegebene­n Orte und Kennzeiche­n, wenn wir welche bekommen. Die Erfahrung zeigt aber, dass sich diese Bettler nur kurzzeitig an den Orten aufhalten und dann weiterzieh­en. Oft ist es eben so, dass sie schon weg sind, wenn unsere Polizeistr­eife eintrifft.

Wird bei solchen Meldungen immer eine Polizeistr­eife losgeschic­kt?

Grundsätzl­ich ja. Unsere Kapazitäte­n sind natürlich endlich. Wenn wir gerade andere Einsätze haben, denen wir höhere Priorität zumessen müssen, dann kann es sein, dass sich die Anfahrt verzögert oder wir gar nicht hinfahren können. Wenn wir dann davon ausgehen müssen, dass es keinen Sinn mehr ergibt, zu einem solchen Fall zu fahren.

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FOTO: HAM Frei erfunden: Eine Frau hatte behauptet, bei einem Hilfeleist­ungsversuc­h überfallen worden zu sein.
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FOTO: POLIZEI AALEN Holger Bienert

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