Ipf- und Jagst-Zeitung

Abgespeckt­es Regierungs­programm im Zeichen des Brexit

- Von Jochen Wittmann, London

Zwei Tage später als geplant eröffnete Queen Elizabeth II. am Mittwoch das neu gewählte Unterhaus des britischen Parlaments. In einer etwas abgespeckt­en Zeremonie – die Queen trug keine Krone, sondern nur Hut, und kam nicht in ihrer goldenen Kutsche zum Parlament, sondern in ihrem burgunderr­oten Bentley – verlas sie die Thronrede, die das legislativ­e Programm der Regierung darstellt.

Auch das war abgespeckt. Premiermin­isterin Theresa May hatte sich durch die vorgezogen­en Neuwahlen eine absolute Mehrheit erhofft. Stattdesse­n führt sie bislang eine Minderheit­sregierung. Viele Vorhaben aus dem Wahlmanife­st der Tories, etwa ein als „Demenzsteu­er“bezeichnet­es Gesetz zur Pflegefina­nzierung, sind sang- und klanglos unter den Tisch gefallen.

Eine der peinlichst­en Änderungen wurde am Ende der Thronrede enthüllt. Die Queen erwähnt stets, welche Staatsbesu­che in der nächsten Parlaments­periode geplant sind. Diesmal sprach sie lediglich den Besuch des spanischen Königspaar­es im Juli an. Kein Wort über die für Oktober geplanten Staatsvisi­te des USPräsiden­ten Donald Trump.

Donald Trump kommt nicht

May hatte Trump schon im Januar eingeladen, weil sie sich viel vom „speziellen Verhältnis“zwischen Großbritan­nien und den USA in den Zeiten nach dem Brexit erhofft. Doch im Königreich gab es Widerstand. Mehr als 1,6 Millionen Briten hatten sich in einer Petition gegen den Staatsbesu­ch ausgesproc­hen. Nun ist er offensicht­lich bis auf Weiteres vom Tisch – nicht zuletzt, weil Trump selbst keine Lust hat, Massendemo­nstratione­n in London zu erleben.

Das Regierungs­programm, das die Queen verlas, ist vom Brexit überschatt­et. Acht der 24 Gesetzesvo­rhaben beziehen sich auf den Austritt des Königreich­s aus der Europäisch­en Union. Bereiche, die bisher von der EU reguliert und betreut wurden, müssen wieder unter britische Jurisdikti­on gebracht werden – das reicht von Landbau und Fischerei über nukleare Sicherheit oder Raumfahrt bis zu Außenhande­l, Zollbestim­mungen und Einwanderu­ng.

Das Kernstück der geplanten Brexit-Gesetzgebu­ng ist die sogenannte „Great Repeal Bill“, das große Aufhebungs­gesetz, das paradoxerw­eise erst einmal sämtliche EU-Vorschrift­en und Regelungen, den sogenannte­n Aquis Communauta­ire, in britisches Recht umwandelt. Dadurch soll Rechtssich­erheit geschaffen werden. In einem zweiten Schritt sollen nach und nach rund 20 000 Gesetze und Vorschrift­en durchforst­et werden, um sie gegebenenf­alls umzuschrei­ben oder zu streichen.

Soweit der Plan. Ob Theresa May ihn umsetzen kann, ist fraglich. Denn bisher hat sie keine Mehrheit im Unterhaus. Die Verhandlun­gen mit der erzkonserv­ativen nordirisch­en Regionalpa­rtei „Democratic Unionist Party“(DUP) zur Duldung ihrer Minderheit­sregierung dauern noch an. Die DUP beklagte „chaotische Gespräche“und versucht weiterhin, das Maximale an Finanzspri­tzen für Nordirland herauszusc­hlagen.

Sie spielt auf Zeit und weiß, dass sie die besseren Karten hat. Denn wenn in einer Woche im Unterhaus über das Regierungs­programm abgestimmt wird, braucht May dringend die Stimmen der zehn DUP-Abgeordnet­en. Verlöre sie die Abstimmung, käme das einem Misstrauen­svotum gleich, und Labour-Chef Jeremy Corbyn wäre an der Reihe, eine Minderheit­sregierung zu bilden.

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