Koalition möchte Pflegeberufe attraktiver machen
Regierung beschließt umstrittene Reform – Kritik von Opposition und Verbänden
- Pflegekräfte für kranke Kinder, kranke Erwachsene und alte Menschen durchlaufen künftig in den ersten beiden Jahren eine gemeinsame Ausbildung. Im letzten Jahr können sie dann die bisherige, allgemeine Ausbildung fortführen oder sich auf die Kinderkrankenpflege beziehungsweise die Altenpflege spezialisieren. Auszubildende in der Pflege müssen künftig kein Schulgeld mehr bezahlen, sondern bekommen eine Ausbildungsvergütung. Nach langem Ringen beschloss der Bundestag am Donnerstag das sogenannte Pflegeberufegesetz, mit dem Ziel die Attraktivität des Berufsfeldes zu erhöhen. Von Verbänden und Opposition kam Kritik an den Plänen.
„Mit dem Gesetz werden die Pflegeberufe modernisiert und fit für den demografischen Wandel. Durch die Schulgeldfreiheit und eine angemessene Ausbildungsvergütung wird die Attraktivität der Ausbildung erhöht“, verteidigte Familienministerin Katarina Barley (SPD) das Gesetz. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) betonte, dass die alternde deutsche Gesellschaft in Zukunft mehr Pflegekräfte brauche. Deshalb müssten die Pflegekräfte besser auf die veränderten Anforderungen in der Praxis vorbereitet werden. Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Georg Nüßlein lobte die Reform als „gute Kompromisslösung“. Der CSU-Politiker sagte zur „Schwäbischen Zeitung“: „Wir geben mit dem Gesetz einen Rahmen vor. Die Details zu den Lehr- und Prüfinhalten werden in einer Verordnung festgelegt, über die dann der nächste Bundestag entscheidet.“Das Gesetz sei der letzte Baustein in einer Reihe von Pflegereformen.
Die Linken-Politikerin Pia Zimmermann nannte den Kompromiss indes ein „großes Durcheinander“. Statt die Ausbildung attraktiver zu machen, führe die Unübersichtlichkeit dazu, dass Arbeitgeber eher weniger ausbildeten. Auch die GrünenAbgeordnete Elisabeth Scharfenberg klagte, die Reform schaffe nicht das notwendige klare Berufsbild.
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe zeigte sich ebenfalls enttäuscht. Der Kompromiss bleibe deutlich hinter dem ursprünglichen Gesetzentwurf zurück und trage „den Eigeninteressen einer kleinen, aber militanten Minderheit Rechnung“. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste sprach von einem „schlechten Tag für die Altenpflege“. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mahnte, dass der Pflegeberuf nicht allein durch eine einheitliche Ausbildung attraktiver werde: Pfleger bräuchten mehr Verantwortung.
- Der Bundestag hat am Donnerstag die Reform der Pflegeberufe auf den Weg gebracht. Die drei bisherigen Ausbildungsgänge – Kinderkrankenpflege, Krankenpflege und Altenpflege – sollen zu einem zusammengeführt werden. In Zukunft wird es eine dreijährige Fachkraftausbildung geben, mit Unterricht an Pflegeschulen und praktischer Ausbildung etwa in Heimen oder Krankenhäusern. Die neue Berufsbezeichnung lautet „Pflegefachfrau“und „Pflegefachmann“.
In dieser neuen allgemeinen Ausbildung werden Qualifikationen zur Pflege von Menschen aller Altersgruppen (in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulant) vermittelt. Ziel ist es auch, die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Pflegebereichen zu erhöhen. Pflegefachfrauen und -männer sollen demnach auch in Krankenhäusern oder Altenheimen arbeiten dürfen.
Pflegeschüler lernen dabei die ersten beiden der insgesamt drei Ausbildungsjahre gemeinsam. Im dritten Jahr können sie sich für den allgemeinen Abschluss entscheiden oder sich auf die Alten- oder die Kinderkrankenpflege spezialisieren. Das neue System soll nach sechs Jahren auf den Prüfstand gestellt werden. Wenn sich mehr als 50 Prozent für die allgemeine Ausbildung entscheiden, sollen die Spezialisierungen abgeschafft werden.
Verlangt wird eine zehnjährige allgemeine Schulbildung. Mit Hauptschulabschluss nach der 9. Klasse ist ein Einstieg über die Ausbildungen zum Pflegeassistenten oder -helfer möglich. Die Neuerungen gelten für alle Ausbildungen, die nach dem 1. Januar 2020 begonnen werden.
Pflege als Studiengang
Ergänzend zum neuen Modell soll ein neues berufsqualifizierendes Pflegestudium angeboten werden. Bisher gab es dafür nur Pilotprojekte. Die Standards der Studiengänge sollen nun vereinheitlicht werden. Der Pflegebedarf sei komplexer geworden, ebenso der technische und wissenschaftliche Fortschritt in der Pflege, argumentiert die Bundesregierung. Das Studium soll mindestens drei Jahre dauern und mit der Verleihung eines akademischen Grades enden. Nach den Plänen der Regierung sollen die Länder die PflegeHochschulausbildung bezahlen.
Die Reform verursacht Mehrkosten von 322 Millionen Euro, unter anderem durch eine bessere Ausstattung der Pflegeschulen. Bislang haben die Ausbildungskosten für die Pflegeberufe jährlich rund 2,4 Milliarden Euro betragen. Die Mittel sollen aus regionalen Ausgleichsfonds erbracht werden, in die Krankenhäuser (57 Prozent), Pflegeeinrichtungen (30 Prozent), Länder (9,0 Prozent) und gesetzliche Pflegeversicherung (3,6 Prozent) einzahlen. Pflegeanbieter und Kliniken, die ausbilden, sollen eine Bonuszahlung aus dem Fonds erhalten.
Darüber hinaus wird das Schulgeld, das bis zuletzt in einigen Ländern noch üblich war, abgeschafft. Mit der Reform soll die Pflegeausbildung für die Azubis komplett kostenfrei werden. Die Bundesregierung setzt darauf, dass im Zuge der Änderungen sowohl die Ausbildungsvergütungen als auch die Bezahlung steigen – insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in der Pflege.
Derzeit werden Pfleger noch sehr unterschiedlich bezahlt. In Ostdeutschland liegt der Bruttoverdienst eines Altenpflegers im Schnitt bei 1945 Euro, im Westen bei 2568 Euro. Das ging zuletzt aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Es gibt große regionale Unterschiede in der Bezahlung: Ein Altenpfleger in Niedersachsen erhält fast 500 Euro weniger im Monat als in NordrheinWestfalen.
Die Bezüge von Krankenpflegern in Deutschland sind im Schnitt bis zu 30 Prozent höher als bei Altenpflegern. Ziel ist, dass durch die Reform Wettbewerb entsteht und die Löhne in der Altenpflege steigen.