Aufregung am See Entwarnung in Friedrichshafen nach der Bombendrohung
Unbekannter kündigt in Friedrichshafen Explosion im Medienhaus an – Spürhunde finden nichts – Polizei erst nach 48 Stunden informiert
- Ein Erpresserbrief samt Bombendrohung, eine Behörde in Schockstarre und ein Großgewässer ohne Schifffahrt – in Friedrichshafen und auf dem Bodensee herrschte gestern Ausnahmezustand. Ein Unbekannter forderte 100 000 Euro, ansonsten werde er eine Bombe im Medienhaus am See (K42) zünden. Das Drohschreiben war bereits am Dienstagabend gefunden worden, doch erst am Donnerstag wurde die Polizei informiert. Warum das so ist, wird jetzt ermittelt.
Nach Bekanntwerden der Bombendrohung rückte sofort ein Großaufgebot von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten aus. Der Buchhornplatz in Friedrichshafen wurde weiträumig abgesperrt, Gebäude und Gelände evakuiert. Mit Sprengstoffspürhunden durchsuchten die Beamten daraufhin das Gebäude. Die Polizei räumte den gesamten Hafen und stoppte den Schiffsverkehr.
Mehrseitiges Schreiben
Eine Mitarbeiterin des Medienhauses im Gebäude K42 hatte allerdings schon am späten Dienstagabend das mehrseitige und in großer Schrift verfasste Schreiben mit der Bombendrohung gefunden. Warum die Stadtverwaltung das Schreiben nach eigenen Angaben einen Tag lang „intern bewertet“hat und erst am Donnerstag um 9.15 Uhr die Polizei informierte, begründete Stadtsprecherin Monika Blank auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“damit, dass man zunächst habe feststellen wollen, wie ernst die Bombendrohung zu nehmen sei. Das Schreiben habe gemeinsam mit dem Medienhaus „stadtintern bewertet“werden müssen.
„Wir werden uns den Ablauf auf jeden Fall nochmal kritisch anschauen. In der ersten Nachbetrachtung sehen wir klar, dass wir in solchen Fällen in Zukunft schneller und sensibler reagieren müssen“, räumte sie ein. Bei der Polizeidirektion in Konstanz stößt diese Verzögerung durch die Stadt auf wenig Verständnis. „Fakt ist, dass wir erst am Donnerstagvormittag über den Brief informiert wurden“, sagte Polizeisprecher Jens Purath. Zwischen dem Auffinden des Drohbriefs und der Information der Polizei sei „definitiv ein Zeitverzug drin“.
Purath wörtlich: „Da laufen Überprüfungen, in denen diese Frage aufgearbeitet wird.“Er mahnt, bei ähnlichen Fällen unverzüglich die Polizei zu informieren.
Nachdem am Donnerstagmorgen bei der Polizei die Meldung über den Fund des Schreibens eingegangen war, sperrten die Beamten den Buchhornplatz um 10 Uhr großräumig ab. Das Gebäude des Medienhauses am See wurde komplett geräumt, es beherbergt neben der Bücherei auch Wohnungen und Hoteleinheiten.
Rot-weiße Polizeiabsperrbänder zogen sich durch die Straßen rund um das direkt am See gelegene Gebäude. Auf dem Platz selbst standen mehrere Fahrzeuge von Polizei und Feuerwehr, Dutzende Einsatzkräfte kontrollierten innerhalb der Absperrung, hielten hin und wieder ihre Funkgeräte ans Ohr und warteten auf neue Anweisungen. Bei den Passanten hingegen war von Aufregung oder gar Panik nichts zu spüren. Zwar rief das ungewöhnlich große Polizeiaufgebot verwunderte Blicke hervor, ernsthaft bedroht schien sich jedoch kaum einer zu fühlen. So blieben auch die angrenzenden Straßencafés gut besucht.
Ein ungutes Gefühl habe er nicht, wenngleich nur wenige Meter hinter ihm das Polizeiabsperrband im Wind flatterte, sagte ein Mann, der es sich am Buchhornplatz in einem Straßencafé gemütlich gemacht hatte: „Wenn man sich von solchen Leuten Angst machen lässt, kann man sich Zuhause einsperren.“Auch eine andere Café-Besucherin sah die Situation gelassen: „Langsam wird man abgestumpft, wenn man sowas hört. Ändern können wir es auch nicht.“Etwas unangenehm sei ihr das Geschehen jedoch schon, gab sie zu. „Wenn man dabei ist, ist es schon ein anderes Gefühl, als wenn man es im Fernsehen sieht“, sagte sie.
Insgesamt 24 Feuerwehrleute, rund zehn Sanitäter und Sondereinsatzkräfte, ein Notfallnachsorgesanitäter sowie insgesamt nahezu 50 Polizeibeamte waren vor Ort. Mit zwei Sprengstoffspürhunden durchsuchte die Hundestaffel der Polizei das K42Gebäude. Erst am frühen Nachmittag gab es die Entwarnung: Gegen 14 Uhr konnten die Durchsuchungen abgeschlossen werden – „mit dem Ergebnis, dass wir keine verdächtigen Gegenstände aufgefunden haben“, gab Polizeisprecher Jens Purath auf einer Pressekonferenz bekannt. Die Absperrung wurde aufgehoben, auch die Schiffe nahmen ihren Betrieb wieder auf. Zum Verfasser des Drohschreibens könne man derzeit keine Angaben machen, erklärte Purath. „Hierzu dauern die Ermittlungen noch an.“
Gespenstische Leere auf dem See
Eine in Anbetracht des strahlenden Sommerwetters und der anstehenden Haupttourismussaison fast schon gespenstische Leere zeigte am Donnerstagmorgen der Blick hinaus auf den See vor Friedrichshafen. Den Schiffsbetrieb traf der Großeinsatz ins Mark: Der gesamte Hafen musste geräumt werden, sowohl der Katamaranals auch der Kursschiff- und Fährbetrieb kamen zum Erliegen. „Drei Schiffe befanden sich zunächst noch im Hafen, darunter ein Katamaran und zwei Passagierschiffe, die den Hafen dann verlassen mussten“, erklärte Josef Siebler, Pressesprecher der Bodensee-Schiffsbetriebe. Die Wasserschutzpolizei sorgte auf dem See dafür, dass auch private Boote nicht in den Uferbereich fahren konnten.
Autofahrer mussten sich gedulden
Eine Fähre aus Richtung Romanshorn, die planmäßig um 11.17 Uhr in Friedrichshafen hätte anlegen sollen, musste kurz vor dem Häfler Uferbereich wieder kehrtmachen. Nachdem das Schiff rund eine Dreiviertelstunde lang auf dem See abgewartet hatte, steuerte die Fähre schließlich Langenargen an. Am Langenargener Landungssteg, an dem normalerweise nur Ausflugsschiffe mit Personen anlegen, dockte das Fährschiff an und ließ Fußgänger und Radfahrer von Bord gehen. Die Autofahrer mussten sich noch gedulden.
„Als absehbar war, dass die Absperrung noch länger andauern wird, hat man sich zu diesem Schritt entschieden“, erklärte Siebler. Anschließend fuhr die Fähre zurück nach Romanshorn, wo die Autos schließlich vom Schiff fahren konnten. Die Kursschiffe mussten während des Polizeieinsatzes eine Hafenstation auslassen. Fahrgäste, die nach Friedrichshafen wollten, mussten in Immenstaad oder Langenargen auf Busse umsteigen.