Die Politik entdeckt das Thema Wohnungsbau
Die Politik stürzt sich auf das Thema Wohnungsbau. Der Wohnungsbautag, zu dem ein Bündnis von sieben Verbänden der Branche in die bayerische Landesvertretung in Berlin geladen hatte, wurde zur Wahlkampfarena. Kanzlerkandidat Martin Schulz (SPD) war gekommen; Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) und CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann diskutierten mit Spitzenpolitikern von Grünen, der Linkspartei und FDP. Ein Überblick über die Herausforderungen und Rezepte.
Die Lage: Bundesbauministerium und Bauwirtschaft sind sich einig: Pro Jahr werden bis zu 400 000 neue Wohnungen gebraucht, davon 80 000 Sozialwohnungen, um den Bedarf annähernd zu decken. Einer neuen Prognos-Studie zufolge kann sich in den Ballungszentren von Hamburg bis München eine Familie mit einem Nettoverdienst von 2168 Euro weniger als 70 Quadratmeter leisten. Die Folge: Immer mehr Familien und Menschen mit geringen und mittleren Einkommen werden an die Stadtränder gedrängt.
Die Hintergründe: Lange Zeit hatte der Wohnungsbau keine Priorität für die Politik. Vor mehr als zehn Jahren wurde die Eigenheimzulage abgeschafft und das Aus für den Sozialen Wohnungsbau eingeläutet. Zwar hat der Bau inzwischen angezogen, wurden 2016 mit fast 280 000 Wohnungen so viele errichtet wie seit zwölf Jahren nicht mehr. Dennoch wird die Lücke immer größer, weil der Bedarf noch stärker steigt. Die verfügbaren Sozialwohnungen sind sogar rückläufig. Gebremst wird der Neubau vor allem durch Vorschriften und Baulandknappheit.
Die Rezepte gegen höhere Mieten: Martin Schulz und seine SPD wollen die bislang wirkungslose Mietpreisbremse nachschärfen. Insbesondere soll dies durch die Pflicht für den Vermieter geschehen, die Vormiete offenzulegen. Mieterhöhungen nach Modernisierungen sollen gedeckelt werden. Die Grünen stehen dahinter. Beides war aber mit der Union nicht zu machen. Die CDU-geführten Landesregierungen von NRW und Schleswig-Holstein wollen die Mietpreisbremse sogar abschaffen – ebenso wie die FDP. Die Pläne zur Neubau-Förderung: Die Union ist hier noch unkonkret, diskutiert wird ein Baukindergeld, um Familien beim Immobilienerwerb zu unterstützen. Bayerns Innenminister Herrmann setzte sich am Donnerstag für eine Lockerung der Auflagen ein. Die energetischen Standards seien „inzwischen einfach übertrieben“. Die SPD will laut Bundesbauministerin Barbara Hendricks Familien mit bis zu 20 000 Euro unterstützen, wenn sie in Gegenden mit knappem Wohnraum bauen oder kaufen. Und die Sozialdemokraten wollen die Bundesfinanzierung des Sozialen Wohnungsbaus wieder ermöglichen, die ohne Grundgesetzänderung 2020 auslaufen würde. Die FDP setzt auf Steuersenkungen, um den Bau anzukurbeln. Besonders stark schlägt beim Immobilienkauf die Grunderwerbsteuer ins Kontor, die den Ländern im vergangenen Jahr zwölf Milliarden Euro in die Kassen spülte. Einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer von 500 000 Euro für Familien, den Lindner vorschlägt, werden die Länder kaum akzeptieren. Die Linkspartei will Steuerabschreibungen für Wohnungsbauer auf Genossenschaften beschränken.