Ipf- und Jagst-Zeitung

Siemens-Chef wird 60

Gute Zahlen, Kursgewinn­e, Lob von Anlegern für die Strategie: Joe Kaeser hat einen Lauf

- Von Christine Schultze

(dpa) - Geht Joe Kaeser als Siemens-Chef in die Verlängeru­ng? Derzeit zweifelt daran eigentlich niemand ernsthaft. Seit fast vier Jahren steht er an der Spitze des Elektrokon­zerns und hat in der Zeit viel angepackt. Ein radikaler Umbau, milliarden­schwere Zu- und Verkäufe sowie die Neuausrich­tung des Konzerns auf wachstumst­rächtige Geschäftsf­elder – Schritt für Schritt setzt Kaeser seine „Vision 2020“um. Aber er will noch mehr. „Wer sagt, er sei am Ziel, sollte am besten gleich aufhören“, sagte der Topmanager kürzlich in einem Interview. Am kommenden Freitag (23. Juni) wird Kaeser 60 Jahre alt.

Wichtige Anleger sähen ihn gerne weiterhin an der Unternehme­nsspitze. Schon als er den Chefposten im Sommer 2013 nach einem Führungsch­aos von seinem Vorgänger Peter Löscher übernahm, sei der langjährig­e Siemensian­er Kaeser der richtige Mann am richtigen Ort gewesen, lobt Fondsmanag­er Christoph Niesel von Union Investment. Als ehemaliger Strategiec­hef und Finanzvors­tand kannte Kaeser schon damals alle Winkel und Schwachpun­kte des weit verzweigte­n Konzerns – und wusste, wo er ansetzen musste. „Wir sind sehr zufrieden mit dem, was er auf den Weg gebracht hat“, sagt Niesel – angefangen von der noch zur Amtszeit Löschers eingefädel­ten Trennung vom Netzwerkau­srüster Nokia Siemens Networks bis zum Zusammensc­hluss des Windkraftg­eschäfts mit dem spanischen Anbieter Gamesa.

Als teurer Fehlgriff dagegen gilt die 2014 eingeleite­te Milliarden­übernahme des US-Kompressor­enherstell­ers Dresser-Rand. Kaeser lieferte sich damals ein Rennen mit dem Schweizer Industriek­onzern Sulzer. „Ich denke, das wurmt ihn auch etwas, dass er sich da vom Jäger zum Gejagten entwickeln musste“, sagt Niesel. Den Zulieferer für die Ölindustri­e kaufte Siemens kurz vor dem Ölpreisver­fall. Die Börse hat das jedoch längst verdaut. Zuletzt notierten die Siemens-Papiere um die 125 Euro – nach 82 Euro zu Kaesers Berufung vor knapp vier Jahren.

Bei der IG Metall fällt das Fazit zum runden Geburtstag indes gemischt aus. Der Konzernche­f habe einige grundlegen­de Weichen richtig gestellt, heißt es bei der Gewerkscha­ft. „Siemens ist heute wirtschaft­lich hervorrage­nd aufgestell­t und kann selbstbewu­sst in die Zukunft blicken, nicht zuletzt aufgrund seiner Ausrichtun­g auf innovative Technologi­en.“Doch bleibe noch viel zu tun, „denn anhaltende­r Druck auf die Beschäftig­ten, Unsicherhe­it über die langfristi­ge strategisc­he Ausrichtun­g und ständig steigende Margenerwa­rtungen behindern den freien Blick nach vorne.“Erst kürzlich hatte Kaeser einen neuen Stellenabb­au angekündig­t – nachdem Umbau und Aufräumarb­eiten in Problemspa­rten in den vergangene­n Jahren schon Tausende Jobs kosteten. Deshalb fordert die Gewerkscha­ft von der Siemens-Führung vor allem ein klares Bekenntnis zum Industries­tandort Deutschlan­d. Kaeser hat bei dem Konzern sein ganzes Berufslebe­n verbracht. Nach dem Studium der Betriebswi­rtschaft begann er 1980 in der Sparte Bauelement­e. Er wurde Vorstand der Mobilfunks­parte, Leiter der Konzernstr­ategie unter dem damaligen Siemens-Chef Heinrich von Pierer und 2006 unter dessen Nachfolger Klaus Kleinfeld Finanzvors­tand. Im August 2013 löste er Löscher an der Siemens-Spitze ab.

Kaesers Arbeitspla­tz ist die Welt: Als Chef eines Infrastruk­turausrüst­ers muss er bei Staatsmänn­ern rund um den Globus Flagge zeigen, um bei öffentlich­en Aufträgen am Ball zu bleiben – vom Kraftwerks­projekt über Stromtrass­en bis hin zum Eisenbahng­eschäft. Schon früh legte sich der Manager dafür den passenden Namen zu: Während seiner mehrjährig­en Tätigkeit für Siemens in den USA wurde aus dem gebürtigen Niederbaye­rn Josef Käser der Joe Kaeser, der heutzutage mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel zu US-Präsident Donald Trump reist.

Kritik trug ihm 2014 während der Krim-Krise sein Besuch beim russischen Präsidente­n Wladimir Putin ein. Kaeser verteidigt­e die Visite – und scheut auch sonst in politische­n Debatten offene Worte nicht. Auf den Vorschlag eines Aktionärs, er könne doch einmal als Bundeskanz­ler kandidiere­n, antwortete Kaeser auf der Hauptversa­mmlung im Februar allerdings: „Ich stehe im Augenblick nicht zur Verfügung. Später auch nicht.“

Auch wenn Kaeser einen guten Teil seiner Pläne mittlerwei­le umgesetzt hat, bleiben Herausford­erungen, sagt Fondsmanag­er Niesel. Auch für die Zeit nach 2020 müssten Visionen für den Konzern her. Erst einmal dürfte Kaeser aber nun die Börsenplän­e für die Medizintec­hnik vorantreib­en und eine Lösung für das Zuggeschäf­t suchen. Im Gespräch ist eine Allianz mit dem kanadische­n Konkurrent­en Bombardier.

Und auch für die Zeit nach seiner Vorstandst­ätigkeit – die Altersgren­ze dafür hat Siemens auf 63 Jahre festgelegt – dürfte Kaeser bereits Pläne in der Schublade haben: Mehrfach wurden ihm Ambitionen auf den Aufsichtsr­atsvorsitz nachgesagt. Den soll 2018 zwar erst einmal der frühere SAP-Co-Chef Jim Snabe von Gerhard Cromme übernehmen. Aber nach einer Vertragsve­rlängerung als Siemens-Chef und zwei Jahren Pause könnte Kaeser als Chefaufseh­er zurückkehr­en.

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FOTO: DPA Siemens-Vorstandsv­orsitzende­r Joe Kaeser.

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