Höchste Virtuosität und charaktervolle Eleganz
Klenze-Quartett bewegt die Zuhörer beim zweiten Ellwanger Schlosskonzert – Traumwandlerisch makellose Interpretation
(R.) - Das zweite Ellwanger Schlosskonzert hat Maßstäbe gesetzt. Mit vollendeter Hingabe an die Musik versetzte das KlenzeStreichquartett die Zuhörer im Thronsaal des Schlossmuseums in beglücktes Staunen.
Das Quartett wurde 2002 in München gegründet. Die Musiker Johannes Zahlten, Viola, Rupert Buchner, Cello, und José Monton, Geige, gehören zum Ensemble der Bayerischen Staatsoper. Seit 2007 ist der junge österreichische Violinist David Frühwirth erster Geiger des Quartetts. Frühwirth ist Mitglied des Jugendorchesters der Bayerischen Philharmonie und spielt auf der „ex-Brüstlein“Stradivari von 1707.
Finale blüht temporeich auf
Alexander Borodin komponierte sein zweites Streichquartett D-Dur 1881. Seine Popularität verdankt das facettenreiche Werk in erster Linie dem lyrischen dritten Satz. Mit verinnerlichter Intensität und geschmeidiger Sanftheit entfaltete Frühwirth wohltuend unpathetisch das vom Cello eingeführte NotturnoThema. Das Finale blühte temporeich auf und schwelgte in den differenzierten Klangfarben des Werks.
Gidon Kremer gebührt das Verdienst der Wiederentdeckung des in Vergessenheit geratenen deutschböhmischen Pianisten und Komponisten Erwin Schulhoff. Als einer der ersten Europäer flocht Schulhoff Elemente des Jazz in seine Werke ein und setzte sich experimentierfreudig mit dem Dadaismus auseinander. Mit seinen „Fünf Stücken für Streichquartett“gelang ihm 1924 der Durchbruch.
Meisterhaft entwickelten die Streicher die kühne Eigenart der prägnant kurzen Sätze mit ironischen Seitenhieben auf allzu sentimentale Wiener Walzerseligkeit. Mit der Tarantella des Finales setzte Schulhoff seiner böhmischen Heimat ein folkloristisch inspiriertes Denkmal. Mit souveräner Bravour und charaktervoller Eleganz meisterten Frühwirth, Zahlten, Buchner und Monton die Hürden des delikaten Werks, das zu seiner Zeit neue Klangwelten eröffnete.
Die Ruhe vor dem Weltensturm
Höchste Ansprüche an die Interpreten stellt Dmitri Schostakowitschs drittes Streichquartett. Es entstand 1946 und ist den Opfern von Krieg und Faschismus gewidmet. Das eröffnende Allegretto schildert die Ruhe vor dem Weltensturm und mutet graziös und tänzerisch an. Die spürbar drängende Unruhe des zweiten Satzes gestalteten die Münchener feingliedrig und furios. Technisch brillant und in stupender Expressivität offenbarten sie im fast unerträglich schrillen Allegro des dritten Satzes das entfesselte Grauen des Krieges. Im berührenden Adagio löste sich David Frühwirths Violine wunderbar innig zu wehmütiger Totenklage und leitete behutsam über zum Cellosolo des fünften Satzes. Schostakowitsch greift das leichtfüßige Tanzthema zögernd und zagend auf und stellt in einem letzten ersterbenden Seufzer die ewige Frage nach dem Warum des Krieges.
Eine Zugabe, so gerne man sie gehört hätte, hätte nach dieser ergreifenden und traumwandlerisch makellosen Interpretation fast blasphemisch angemutet. Der lange Beifall der bewegten Zuhörer löste sich erst nach minutenlangem Schweigen als Dank für einen wahrhaft großen Konzertabend.