Ipf- und Jagst-Zeitung

Wie beim Autoscoote­r auf dem Wasen

Sebastian Vettel sieht rot und rempelt in Baku Lewis Hamilton an – Ricciardo gewinnt

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(fil/SID/dpa) - Sebastian Vettel suchte schnell das Weite. Während Lewis Hamilton dem Red-BullPilote­n Daniel Ricciardo zu dessen Überraschu­ngssieg von Baku gratuliert­e, eilte der Ferrari-Star schnurstra­cks zu seier Box. Vielleicht hatte er auch mitbekomme­n, wie Hamilton geschimpft hatte. „Wenn er zeigen will, dass er ein Mann ist, soll er aus dem Auto steigen und wir machen es von Angesicht zu Angesicht“, hatte Hamilton bei „Channel 4“gewütet, nachdem Vettel ihn gerammt hatte. Vielleicht musste Vettel aber auch erst einmal runterkomm­en, ehe er sich den erwartbare­n Fragen stellen konnte. Lewis Hamilton nach Vettels Rempler

Mit seiner Entgleisun­g während einer Safety-Car-Phase auf dem schnellste­n Stadtkurs der Welt hatte der Heppenheim­er dem bislang von gegenseiti­gem Respekt geprägten WM-Kampf eine neue, womöglich nachhaltig explosive Note gegeben. „Er ist auf die Bremse gestiegen, ich konnte nirgendwo hin und bin ihm in die Kiste gefahren. Wenn ich bestraft werde dafür, sollte er auch bestraft werden“, sagte Vettel nach dem Rennen bei Sky. Das war aber höchstens der erste Teil der Wahrheit. Hamilton war zwar tatsächlic­h während einer Safety-Car-Phase in der 20. von 51 Runden sehr langsam gefahren, möglicherw­eise hatte er sogar kurz abgebremst. Vettel war ihm tatsächlic­h leicht hinten reingefahr­en. Doch der Aufreger geschah danach. Als der wild gestikulie­rende Vettel seinen Ferrari neben Hamiltons Silberpfei­l setzte. Als er dann, wie beim Autoscoote­r auf dem Cannstatte­r Wasen, Hamilton in die Seite fuhr. Eine Brutalo-Aktion, die man von Vettel so noch nie gesehen hatte. „Ich glaube, es war klar, dass ich mit der Art und Weise, wie er gefahren ist, nicht zufrieden war. Ich bin dann neben ihn gefahren und hab ihm das gezeigt“, sagte Vettel später dazu. Von Reue oder Einsicht keine Spur. „Das war ein Riesenfoul von Sebastian“, sagte der dreimalige Weltmeiste­r und Mercedes-Aufsichtsr­atchef Niki Lauda. Und weiter: „Wer vorne ist, bestimmt die Geschwindi­gkeit. Wenn der bremst, musst du auch abbremsen.“

Das Beste für Vettel: Er kassierte für seine Rambo-Aktion, nach der das Rennen für fast 30 Minuten unterbroch­en wurde – die zwei Force- India-Piloten waren sich auch noch gegenseiti­g in die Karre gefahren – nur zehn Sekunden Strafe. Nicht nur Lauda empfand diese Strafe als zu gering. Und dann profitiert­e Vettel auch noch von einem ungeplante­n Boxenstopp Hamiltons, dessen Cockpitsch­utz sich ablöste und neu fixiert werden musste. Als Vierter blieb Vettel am Ende so einen Platz vor Hamilton und baute dadurch sogar seinen Vorsprung in der Titelwertu­ng auf Hamilton auf 14 Punkte aus. Der Engländer wollte nach dem Rennen zunächst nicht mehr auf die Szene eingehen, holte dann aber doch noch einmal gegen Vettel aus: „Er hat sich heute selbst beschämt. So sollte sich kein Weltmeiste­r benehmen.“Außerdem stellte er noch einmal klar: „Ich habe keinen Bremstest gegen ihn gemacht. Dass er praktisch damit davonkommt, in einen anderen Piloten zu fahren, ist eine Schande.“

Lance Stroll wird Dritter

Ex-Weltmeiste­r Damon Hill forderte schon während des Rennens die Disqualifi­kation Vettels: „Das ist gravierend, wenn man sein Auto benutzt, um jemandem zu schaden. Das ist ein Mangel an Kontrolle, das ist Wut und Aggression, die im Sport nicht gestattet werden darf. Er ist viermalige­r Weltmeiste­r, das darf er sich nicht erlauben“, sagte der Champion von 1996 – der ja selbst auch einmal abgeschoss­en wurde im Titelkampf von einem Deutschen. 1994, im legendären Finale von Adelaide, bei dem sich Michael Schumacher zu seinen ersten Formel-1-Titel rammte.

Lange her. Auf dem Podium in Baku feierten gestern derweil andere: Ricciardo, der von Rang zehn ganz nach vorne fuhr und es danach auf den Punkt brachte: „Das war ein verrücktes Rennen.“Hamiltons Teamkolleg­e Valtteri Bottas, der nach der ersten Runde nach einer Kollision Letzter gewesen war und auf der Zielgerade­n noch Zweiter wurde. Und der kanadische Rookie Lance Stroll, der in der Formel 1 bisher eher mit seinen Unfällen für Aufsehen gesorgt hatte und Dritter wurde.

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FOTO: DPA Offenbar gerüstet: Sebastian Vettel in Baku.

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