Ipf- und Jagst-Zeitung

Überfällig­e Entscheidu­ng

- Von Tobias Schmidt politik@schwaebisc­he.de

Endlich traut sich die Bundesregi­erung, zeigt dem Autokraten aus Ankara eine klare Grenze auf und überwindet ihre maximale Vorsicht. Berlin zeigt dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan die Stirn. Das Auftrittsv­erbot für den Neo-Sultan vor seinen Anhängern am Rande des G20-Gipfels in Hamburg ist richtig und überfällig. Der Versuch Erdogans, das Treffen der Mächtigen in Hamburg als Gelegenhei­t für eine Rede an seine Landsleute zu nutzen, dabei die türkische Gemeinde hierzuland­e weiter zu spalten und die Konflikte aus seinem Land zu importiere­n, kann nur dreist genannt werden. Nicht auszudenke­n, würde er in Deutschlan­d für die Einführung der Todesstraf­e in der Türkei werben.

Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel ist es dabei erneut gelungen, die Kanzlerin vor sich her zu treiben und sich als Initiator der notwendige­n Entscheidu­ng in Szene zu setzen – und dies, obwohl er sich auf Reisen in Moskau befand. Schon mit seiner Kritik an den US-Handelssan­ktionen gegen Russland, von denen auch deutsche Firmen betroffen sind, war er Angela Merkel zuvorgekom­men. Jetzt macht der Vize-Kanzler erneut den Punkt.

Für das deutsch-türkische Verhältnis bedeutet das Auftrittsv­erbot einen neuen Tiefschlag. Einen Tiefschlag, den Erdogan allerdings gezielt provoziert haben dürfte. Nun wird sich der autoritäre Präsident erneut als Opfer deutscher Feindselig­keiten darstellen, dem von Berlin ein Maulkorb verpasst und der Kontakt zu seinen Landsleute­n untersagt werde. Das wäre jedoch ein billiger Versuch, das heimische Publikum von der eigenen Demokratie-Verachtung abzulenken und mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Ob das Auftrittsv­erbot das zerrüttete Verhältnis zwischen Ankara und Berlin noch weiter belasten wird, ist allerdings durchaus offen. Zur komplizier­ten Wahrheit in den Beziehunge­n gehört, dass die Türkei schon aus wirtschaft­lichen Gründen auf Deutschlan­d angewiesen ist. Deutschlan­d wiederum darf die Türkei als Brückensta­at zum Nahen Osten nicht völlig aufgeben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany