Ipf- und Jagst-Zeitung

Gefahr aus dem All

In „Armageddon“droht ein Asteroid das Leben auf der Erde auszulösch­en – Der Film ist reine Fiktion, die Bedrohung aber real

- Von Ingrid Augustin

Ein riesiger Asteroid droht auf der Erde einzuschla­gen und alles Leben auf dem Planeten zu zerstören. Nur eine Truppe unerschroc­kener Bohrspezia­listen kann dies verhindern, indem sie eine Atombombe in einem Bohrloch auf dem Asteroiden zünden. Die spaltet den Brocken und beide Teile fliegen an der Erde vorbei. Happy End.

Albert Falke muss lachen. Der Projektlei­ter und Koordinato­r des Asteroiden-Abwehrproj­ektes NEO Shield-2 bei Airbus in Friedrichs­hafen kennt natürlich den HollywoodB­lockbuster „Armageddon“. Doch: „Wir sind noch weit davon entfernt, Asteroiden derart abzuwehren, wie uns Kinofilme immer vorgaukeln“, erklärt er und wird wieder ernst. Denn wenn auch vieles in dem Film reine Fiktion sei, die Bedrohung durch Asteroiden ist real.

Internatio­naler Asteroiden-Tag

Mehr als hunderttau­send erdnahe Asteroiden und Kometen besitzen das Potenzial, auf der Erde einzuschla­gen, doch bislang wurden mit allen auf der Erde verfügbare­n Teleskopen nur rund 15 Prozent davon entdeckt. Der alljährlic­he Internatio­nale Asteroiden-Tag am 30. Juni will die Menschen für die Gefahren sensibilis­ieren, die durch Asteroiden auf Kollisions­kurs mit der Erde drohen und zudem aufzeigen, welche Abwehrund Schutzmaßn­ahmen bereits existieren.

Weltweit arbeiten Wissenscha­ftler und Ingenieure daran, wie man die Wahrschein­lichkeit einer Asteroiden­kollision minimieren oder sie gar verhindern kann. Dazu beobachten sie – auch mit Unterstütz­ung von unzähligen Amateurast­ronomen auf der ganzen Welt – die sogenannte­n NEOs (Near Earth Objects = erdnahe Objekte). Sie sammeln und analysiere­n deren Daten, berechnen Flugbahnen voraus und entwickeln Methoden zur Abwehr oder Flugbahnän­derungen. Dazu gehört auch NEO Shield-2, ein von der EU unterstütz­tes Projekt zur Erforschun­g und Technologi­eentwicklu­ng zur Abwehr von Asteroiden. Das Team besteht aus elf europäisch­en Partnern unter der Führung von Airbus Friedrichs­hafen. Viele dieser erdnahen Objekte stammen ursprüngli­ch vom Planetoide­ngürtel zwischen Mars und Jupiter beziehungs­weise aus dem Kuipergürt­el außerhalb der Neptunbahn und sind durch Kollisione­n untereinan­der in Erdnähe geraten. Von diesen Hundertaus­enden Objekten könnten gerade einmal 15 Prozent genauer beobachtet werden, erläutert NEOShield-2-Projektlei­ter Falke. Der Rest sei unbekannt, unerforsch­t – nicht nur aufgrund der ungeheuren Anzahl, sondern auch, weil die Sichtbarke­it und damit die Erforschun­g der Objekte von bestimmten Lichtverhä­ltnissen abhängig ist. Für die bekannten 15 Prozent der Körper konnten jedoch die Flugbahnen für die nächsten 100 Jahre vorausbere­chnet werden. Dabei stellte sich heraus, dass nur wenige davon eine nennenswer­te Wahrschein­lichkeit haben, mit der Erde zu kollidiere­n. „Diese Objekte werden dann mit profession­ellen Teleskopen genauer untersucht und beobachtet – insbesonde­re wenn sie sich der Erde nähern“, so Albert Falke. Meist kann erst dann eine exaktere Flugbahn des Asteroiden bestimmt und „bisher immer Entwarnung gegeben“werden.

Dennoch schlagen ständig solche Objekte auf der Erde ein – aber nur selten mit derart verheerend­en Folgen wie beim Einschlag am 30. Juni 1908 im sibirische­n Tunguska. Bei der seit Beginn der Aufzeichnu­ngen größten bekannten Kollision mit einem Asteroiden war auf einen Schlag eine Fläche von mehr als 2000 Quadratkil­ometern verwüstet worden. Das ist größer als die Landkreise Bodenseekr­eis, Sigmaringe­n und Ravensburg zusammen. Ungefähr 40 Meter groß soll dieser Asteroid gewesen sein. „Täglich kollidiere­n kleine Objekte aus dem All mit der Erde“, erklärt Falke. In den allermeist­en Fällen bleibt das folgenlos, da diese in der Erdatmosph­äre verglühen. Abhängig von ihrer Zusammense­tzung und Größe können solche Objekte aber auch auf der Erdoberflä­che einschlage­n, wie 2013 im russischen Tscheljabi­nsk. Dementspre­chend ist ihre Zerstörung­skraft: Ein 18 Meter großer Asteroid besitze die Energie von etwa 30 HiroshimaA­tombomben, sagt Falke. Da fällt es einem nicht weiter schwer, sich vorzustell­en, was nach dem Einschlag eines 600 Meter großen Objekts übrig bleibt.

„Genau deshalb wollen wir die Menschen für dieses Thema sensibilis­ieren“, sagt der Projektlei­ter von NEOShield-2. Es gehe nicht darum, Panik zu schüren, sondern um Aufklärung. Auch darüber, wie man einen drohenden Einschlag abwehren könnte. Denn die Hollywood-Lösung à la „Armageddon“sei eine Variante mit vielen Risiken, so Falke.

Tatsächlic­h ist die nukleare Option in der Wissenscha­ft höchst umstritten, da nicht klar ist, wie und ob überhaupt ein Asteroid auf eine solche Weise zuverlässi­g von seinem Kollisions­kurs abgelenkt werden kann. Von der unkontroll­ierbaren Zerstörung­skraft der millionenf­ach entstehend­en Brocken, die die Erde treffen, ganz zu schweigen.

Lösungen in der Theorie

Erfolgvers­prechender sei der sogenannte Kinetic Impactor, ist sich Falke sicher. Dabei handelt es sich um einen Satelliten, der eine Änderung der Asteroiden-Flugbahn durch einen gezielten Rammstoß verursacht. Aufgrund der großen Entfernung­en im Weltraum genüge nur eine minimale „Kurskorrek­tur“, damit der Asteroid auf seiner späteren Flugbahn an der Erde vorbeiflie­gt anstatt sie zu treffen. Zumindest in der Theorie – denn noch konnten die Wissenscha­ftler von NEOShield-2 das noch nie in einer Mission verifizier­en.

Ebenso wenig wie den zweiten entwickelt­en Abwehrmech­anismus namens „Gravity Tractoring“, bei dem ein Satellit die Flugbahn eines erdnahen Objektes mithilfe der Gravitatio­n ändert: Dabei nutzt man die entstehend­en Anziehungs­kräfte zwischen dem Asteroiden und den ihn umkreisend­en Satelliten. Allerdings sei dies keine Sofortlösu­ng, so Falke, da diese Methode ihre Ablenkungs­kraft über einen sehr langen Zeitraum aufbringt. Den „Kinetic Impactor“könne man dagegen auch bei kürzeren Laufzeiten von 20 Jahren einsetzen.

Die Forschung ist mittlerwei­le zwar in der Lage, aktiv gegen Asteroiden vorzugehen, dennoch benötige man mehr Unterstütz­ung, um weiter voranzukom­men – und das nicht nur in finanziell­er Hinsicht, meint der Projektlei­ter. Im Gegensatz zu den Vereinigte­n Staaten oder Großbritan­nien, wo jede Lichtersch­einung am Himmel ausgiebig von den Menschen kommentier­t und diskutiert wird, sei die Begeisteru­ng für Weltraumth­emen in Deutschlan­d verhältnis­mäßig gering. Dementspre­chend würden auch in der Politik Themen wie der Asteroiden­abwehr weniger Beachtung geschenkt. Zudem kämpfen die Wissenscha­ftler gegen einen Faktor, den sie nicht beeinfluss­en können: die Zeit. Denn die Asteroiden-Forscher können nicht exakt vorhersage­n, wann ein Objekt die Erde trifft, nur dass es jederzeit geschehen kann.

Vielleicht liegt es eben auch an dieser Unsicherhe­it, dass sie bislang nur eine, wenn auch sehr konkrete, Bauanleitu­ng haben, wie sich dies verhindern lässt, aber noch keinen „Bauherren“, der eine Mission mit dem „Kinetic Impactor“durchführt und finanziert.

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FOTOS (3): AIRBUS/NEOSHIELD-2 Mehr als hunderttau­send erdnahe Asteroiden und Kometen besitzen das Potenzial, auf der Erde einzuschla­gen, doch bislang wurden mit allen auf der Erde verfügbare­n Teleskopen nur rund 15 Prozent davon entdeckt.
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Beim „Kinetic Impactor“ändert ein Satellit (rechts oberhalb) die Flugbahn eines Asteroiden durch einen Zusammenst­oß.
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FOTO: DPA Dieses Bild ging um die Welt: Der Kondensstr­eifen eines Meteoriten im Februar 2013 über der Stadt Tscheljabi­nsk im Ural, Russland.
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Albert Falke ist Projektlei­ter bei Airbus Friedrichs­hafen.

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