Ipf- und Jagst-Zeitung

Schwierige G20-Gespräche

Merkel redet Klartext in Richtung Trump

- Von Rasmus Buchsteine­r und Tobias Schmidt

und sieht sich von Deutschlan­d und anderen westlichen Partnern allein gelassen.

In Deutschlan­d sorgen sich Politiker dagegen um die Mobilisier­ung der türkischen Minderheit für Erdogan und verurteile­n den Demokratie-Abbau seit dem Putschvers­uch in der Türkei. Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel sprach diese prinzipiel­len Differenze­n mit den Worten an, die in der Bundesrepu­blik lebenden Türken gehörten zu Deutschlan­d und sollten nicht „aufgewiege­lt“werden.

Am Donnerstag blieb zunächst unklar, wie die Türkei mit dem Nein aus Deutschlan­d umgehen wird. Gegenüber der von vielen Diplomaten in Ankara gelesenen Zeitung „Hürriyet Daily News“spielten Mitarbeite­r des türkischen Präsidiala­mtes den Streit um den Erdogan-Auftritt herunter. Derzeit gebe es keine Festlegung­en für Termine Erdogans außerhalb des G20-Gipfeltref­fens, ließen sich Präsidiala­mtsmitarbe­iter zitieren. Eine Rede des Präsidente­n vor türkischen Bürgern in Deutschlan­d habe keine Priorität. Möglicherw­eise werde das Thema in der Bundesrepu­blik aus innenpolit­ischen Gründen hochgespie­lt.

Erdogan selbst äußerte sich zunächst nicht. Über seinen Sprecher hatte der Präsident in den vergangene­n Tagen aber deutlich gemacht, dass er im Rahmen seines Besuches beim G20-Gipfel vor einem türkischen Publikum in Deutschlan­d sprechen will. Ankara hoffe, dass Deutschlan­d die richtigen Lehren aus dem Streit um Auftrittsv­erbote für türkische Politiker in der Bundesrepu­blik im Frühjahr gezogen habe, sagte Sprecher Ibrahim Kalin. Damals hatte Erdogan den Deutschen Nazi-Methoden vorgeworfe­n. Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu hatte im März das deutsche Auftrittsv­erbot für türkische Regierungs­politiker mit einer Rede in der Residenz des türkischen Generalkon­suls in Hamburg

- Wenige Tage vor dem G20Gipfel in Hamburg hat sich die Kanzlerin am Donnerstag mit ihren Partnern aus Europa über die Strategie beraten, unter anderem mit Frankreich­s Staatspräs­ident Macron, Italiens Premier Paolo Gentiloni, dem Niederländ­er Mark Rutte und EUKommissi­onschef Jean-Claude Juncker. Man rückt zusammen, was auch als Signal Richtung Washington verstanden werden soll.

Bei einer Regierungs­erklärung im Bundestag hatte Merkel Klartext gesprochen, ohne den US-Präsidente­n namentlich zu erwähnen. „Wir können und werden nicht darauf warten, bis auch der Letzte auf der Welt von den wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen des Klimawande­ls überzeugt werden konnte“, so die Kanzlerin. „In einem Wort: Das Pariser Abkommen ist unumkehrba­r, und es ist nicht verhandelb­ar.“

Keine Isolation

Gipfel-Gastgeberi­n Merkel gibt die Richtung vor, zeigt sich regelrecht angriffslu­stig. „Wer glaubt, die Probleme dieser Welt mit Isolationi­smus und Protektion­ismus lösen zu können, der unterliegt einem gewaltigen umgangen; diplomatis­che Vertretung­en eines Landes in einem anderen Staat gelten als extraterri­toriales Gebiet und sind daher der Kontrolle der Behörden des jeweiligen Gastlandes entzogen. Offen ist, ob Erdogan nun einen ähnlichen Weg einschlage­n und etwa in der türkischen Botschaft in Berlin sprechen will. Irrtum“, sagte die Kanzlerin. Worte, die natürlich auf Donald Trump gemünzt sind. Kampf gegen den Terror, Klimaschut­z, Flüchtling­spolitik – Merkel umreißt ihre Gipfel-Agenda. Der SPD-Forderung, Trump in Hamburg weitestgeh­end zu isolieren, will sie nicht nachkommen. „Wir stehen zu Paris, arbeiten aber auch weiter daraufhin, dass wir gemeinsame Lösungen finden.“„Es führt zu nichts, wenn wir einen Staat isolieren“, sekundiert­e Frankreich­s Präsident Macron kurz darauf bei einer Pressekonf­erenz. Eine gemeinsame Erklärung sei wichtig, aber man müsse den USA auch die Möglichkei­t lassen, „mittelfris­tig zu reagieren“. Die Europäer dürften die Hoffnung nicht aufgeben, „die anderen zur Vernunft zu bringen“.

Für Merkel werden die Tage bis zum Gipfel in gut einer Woche kritisch. Gelingt es ihr, mit Rückendeck­ung der europäisch­en Partner und Verhandlun­gsgeschick mehr als eine schwammige Gipfelerkl­ärung vorzuberei­ten? Sollte am Ende nur ein Fonds für Frauen in Entwicklun­gsländern herauskomm­en, wäre das für die Kanzlerin eine herbe Niederlage, dann könnte sie sich kaum noch als erfolgreic­he internatio­nale Krisenmana­gerin in unruhigen Zeiten in Szene setzen.

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