Mal Rauke, mal Raute
Den Italienern muss man ewig dankbar sein, dass sie uns den Rucola gebracht haben“, sagt ein Freund im Lokal und macht sich voller Vorfreude über den Salat mit den dunkelgrünen, leicht bitter schmeckenden Blättern her. Damit hat er recht, aber auch nicht. Zunächst eine Klarstellung: Die Pflanze heißt die Rucola. Der Rucola ist der Salat, den man aus ihr macht. Und wenn wir schon beim Sprachliche sind: Alle Namen dieses Gewächses – italienisch rucola, englisch rocket, französisch roquette, spanisch oruga und deutsch Rauke – gehen auf den lateinischen Begriff eruca zurück. Und noch eines: Die Schreibweise ruccola für das italienische Wort, die man oft bei uns auf Speisekarten entdeckt, ist falsch. Dafür dürfen wir laut Duden sowohl Rucola als auch Rukola schreiben – warum auch immer. Doch weshalb ist nun der Anfangssatz zweideutig? In der Tat hat uns der Import der südländischen Küche in den letzten 30 Jahren auch den aparten Geschmack von Rucola beschert. Aber trotz ihrer Herkunft aus dem Mittelmeerraum kannte man die
Rauke – genauer die Senfrauke – bei uns schon lange. Sie war nur fast in Vergessenheit geraten. Schon um das Jahr 825 herum tauchte sie im Garten des berühmten St. Galler Klosterplans auf, der in der Abtei Reichenau entstand und als die weltweit älteste Darstellung eines Klosterareals gilt. Und mit Sicherheit wird sie eines Tages im „Campus St. Galli“angepflanzt werden, jener auf 40 Jahre angelegten Baustelle, auf der unweit von Meßkirch die Anlage getreu dem Plan und mit den Werkzeugen der damaligen Zeit wieder entstehen soll. Bleiben wir auf der Reichenau und wenden wir uns einer anderen Pflanze zu, deren Name zum Verwechseln ähnlich ist: der Raute. Mit der Merkelschen Raute, jener vielverlästerten Fingerübung der Kanzlerin in Form eines Rhombus, hat sie natürlich nichts zu tun. Die Herkunft dieses geometrischen Begriffes ist dunkel. Andererseits kannten die Römer ein Kraut namens ruta, das sie wohl auch über die Alpen mitbrachten. Und dessen Loblied singt schon Walahfrid Strabo aus dem Kloster Reichenau in seinem um 840 entstandenen „Hortulus“, der ersten Abhandlung über Gartenkultur auf deutschem Boden. Der bedeutende Abt, Diplomat, Gelehrte und Hymnendichter unterschied allerdings zwischen ruta, unserer Weinraute aus der Familie der Rautengewächse, und abrotanum, unserer Eberraute, die zur Gattung Artemisia gehört. Beide gelten als Heilund Gewürzpflanzen, denen man auch allerlei wundersame Wirkungen nachsagte. Und beide haben einen – sagen wir einmal – besonderen Geschmack. „Abartig!“, befindet die Gattin, während man sich genüsslich einen feinen Tee aus diesen Kräutern aufbrüht.