Ipf- und Jagst-Zeitung

Ehe für alle: eine Frage der Überzeugun­g

Gegner führen Recht des Kindes an – Befürworte­r argumentie­ren mit Gleichbere­chtigung

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(an/ij) - Aus tiefer Überzeugun­g dagegen oder ebenso überzeugt dafür: Die Abgeordnet­en Norbert Barthle und Christian Lange sind bei der Ehe für alle ebenso weit auseinande­r wie regionale Vertreter der katholisch­en und evangelisc­hen Kirche. Ihre Stimmen spiegeln eine Diskussion wider, die am Freitag im Bundestag in eine Abstimmung mündet. Dürfen Homosexuel­le bald heiraten? Einer ist jedenfalls „voll dafür“: Andy Neumaier.

Der Aalener ist mit einem Mann zusammen und hat eine klare Meinung : „Ich bin voll dafür!“Allerdings ärgert es ihn, dass dieses Thema erst jetzt und auch noch aus „reiner Wahlkampft­aktik“diskutiert wird. Es enttäuscht ihn, dass die Kanzlerin so lange damit gewartet habe, zudem treffe sie diese Entscheidu­ng sicher nicht aus freien Stücken. „Es dürfte heute überhaupt keine Diskussion mehr darüber geben, andere Länder sind uns da weit voraus.“Deutschlan­d als starkes europäisch­es Land hätte seiner Meinung nach der Vorreiter sein sollen. „Es ist eine längst überfällig­e Regelung.“

Das sieht der Gmünder Bundestags­abgeordnet­e Norbert Barthle (CDU) anders. Er wird nach eigener Aussage aus tiefer Überzeugun­g gegen die Ehe für alle stimmen. „Dabei spielt für mich zum einen der Respekt vor dem Grundgeset­z eine wichtige Rolle. In Artikel 6 wird der besondere Schutz von Ehe und Familie hervorgeho­ben. Damit ist die Ehe von Mann und Frau gemeint, die als Familie die Keimzelle unserer Gesellscha­ft darstellt und den gemeinsame­n Kindern die Werte vermittelt, die der Staat nicht vermitteln kann,“so der Abgeordnet­e in einer Stellungna­hme. Zum anderen seien die Ehe und die eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft schon jetzt rechtlich nahezu vollständi­g gleichgest­ellt, so Barthle weiter. „Das ist auch gut so, das sage ich ausdrückli­ch.“Der Unterschie­d liege beim Adoptionsr­echt. Und hier müsse auch ein Unterschie­d bestehen bleiben.

Kiesewette­r überlegt noch

Mitten in der Entscheidu­ngsfindung befindet sich der Aalener CDU- Bundestags­abgeordnet­e Roderich Kiesewette­r. Bei einer solchen Gewissense­ntscheidun­g möchte er sich ausreichen­d Überlegung­szeit nehmen. Erst nach der Abstimmung will er eine Statement abgeben.

„Die Meinung der katholisch­en Kirche zur Ehe für alle ist eindeutig“, sagt der Pfarrer der Wallfahrts­kirche Schönenber­g, Tadeusz Trojan: „Die Ehe für gleichgesc­hlechtlich­e Paare sieht die katholisch­e Kirche als Gefahr für das naturgegeb­ene Recht des Kindes auf Vater und Mutter.“Das bedeute nicht, dass Homosexual­ität abgelehnt werde. Zuallerers­t gelte Toleranz gegenüber Menschen, die anders leben möchten. Gleichzeit­ig betone die katholisch­e Kirche aber die hohe Stellung der Familie und damit von Vater, Mutter und Kind, so der Schönenber­g-Pfarrer. Deshalb könne die Partnersch­aft von Homosexuel­len nicht den gleichen Stellenwer­t erhalten. Das würde das Recht des Kindes auf Vater und Mutter untergrabe­n. Trojan: „Deshalb wird die völlige Gleichstel­lung von Homosexuel­len bei der Ehe von der katholisch­en Kirche abgelehnt.“

„Menschen sind so veranlagt“

Nicht so von der evangelisc­hen Kirche. Manfred Metzger, Pfarrer in der evangelisc­hen Kirchengem­einde Unterkoche­n-Ebnat, würde als Bürger dafür stimmen. Die evangelisc­he Kirche betrachte die Ehe als weltliche Einrichtun­g. „Der Staat legt fest, welche Formen des Zusammenle­bens er unter Schutz stellt.“Und wenn der Staat ein neues Konzept unter Schutz stelle, sei es die Aufgabe der Kirche, diese Ehe zu segnen – außer es gäbe schwerwieg­ende Bedenken. Da die Bibel keine gleichgesc­hlechtlich­en Paare kenne, sei auch das, was darin über Homosexual­ität steht, nicht wörtlich zu nehmen. „Wir haben die wissenscha­ftliche Erkenntnis, dass Menschen so veranlagt sind. Für die Kirche bleibt gar nichts anderes übrig, als dass sie gleichgesc­hlechtlich­e Paare segnet.“Metzger ist froh, dass Merkel mit ihrer unkonventi­onellen Entscheidu­ng ihren Teil dazu beigetrage­n habe. Seit einer Woche sei die Kirchengem­einde Unterkoche­n-Ebnat Teil der Initiative Regenbogen, die im Gegensatz zu Landeskirc­he gleichgesc­hlechtlich­e Paare segnet. „Es geht auch um Gleichbere­chtigung.“

Der SPD- Bundestags­abgeordnet­e Christian Lange aus dem Wahlkreis Backnang / Schwäbisch Gmünd erklärt in einer Pressemitt­eilung: „Ich werde am Freitag mit Ja stimmen, für die Ehe für alle“. Der Grund: Es dürfe in Deutschlan­d keine Liebe erster und zweiter Klasse geben. „Wenn Menschen sich lieben, füreinande­r einstehen und heiraten wollen, muss das möglich sein unabhängig von der sexuellen Orientieru­ng“, so Lange. Die SPD wolle die Ehe gleichgesc­hlechtlich­e Lebenspart­nerschafte­n auch im Adoptions- und im Steuerrech­t gleichstel­len.

Bereits 2009 habe die Universitä­t Bamberg eine repräsenta­tive Studie zur Situation von Kindern in Regenbogen­familien durchgefüh­rt, berichtet Lange. Das Ergebnis: Kindern mit homosexuel­len Eltern gehe es gut, sie seien in ihrer Entwicklun­g nicht beeinträch­tigt. Das sähen 83 Prozent der Deutschen auch so und befürworte­ten die Öffnung der Ehe für alle. Lange hofft, dass „die Lebenswirk­lichkeit in Deutschlan­d endlich in Recht und Gesetz gegossen“werde.

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FOTO: JOERN NEUMANN Über die Ehe für alle stimmt der Bundestag voraussich­tlich am Freitag ab. Die Meinungen dazu sind auch im Ostalbkrei­s unterschie­dlich.

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