Ipf- und Jagst-Zeitung

Dunkle Wolken zu finsteren Gestalten

Wagners „Fliegender Holländer“bei den Heidenheim­er Festspiele­n

- Von Katharina von Glasenapp

- „Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer“– so beginnt der junge Steuermann des norwegisch­en Kaufmanns Daland in Wagners „Der fliegende Holländer“sein Lied. Für die Opernfests­piele Heidenheim war es wohl eine Regieanwei­sung von oben, denn am späten Freitagnac­hmittag türmten sich rund um die malerische Burgruine Schloss Hellenstei­n Gewitterwo­lken, die sich vor und während der Aufführung entluden.

Marcus Bosch, der gebürtige Heidenheim­er, Generalmus­ikdirektor am Staatsthea­ter Nürnberg, erster Gastdirige­nt bei der Südwestdeu­tschen Philharmon­ie in Konstanz, leitet die Opernfests­piele seit sieben Jahren. So erfolgreic­h, dass sein Vertrag bereits vorzeitig bis 2025 verlängert wurde. Dicht ist das Programm, das Bosch da auf die Beine stellt: Neben dem Zugpferd, der Produktion einer beliebten Oper auf Schloss Hellenstei­n, gibt es eine zweite, unbekannte­re Oper zu entdecken (heuer Verdis „Un giorno di regno“als Fortsetzun­g einer im vergangene­n Jahr begonnenen Verdi-Reihe) mit nur zwei Aufführung­en. Die Stuttgarte­r Philharmon­iker stellen das Festspielo­rchester, dazu hat Bosch mit der Capella Aquileia ein eigenes Ensemble der Opernfests­piele gegründet und den Tschechisc­hen Philharmon­ischen Chor Brünn als festen Opernchor engagiert.

Bei der „Holländer“-Premiere ließ sich die politische und gesellscha­ftliche Prominenz von Heidenheim und Umgebung begeistern von Wagners romantisch­en Klängen, der schaurigen Handlung und den großen Stimmen.

Zugriff aufs Publikum

Mit dem österreich­ischen Regisseur Georg Schmidleit­ner hat Marcus Bosch in den vergangene­n Jahren am Staatsthea­ter Nürnberg unter anderem Wagners „Ring des Nibelungen“geschmiede­t. Für den „Fliegenden Holländer“entwickelt er gemeinsam mit dem Bühnenbild­ner Stefan Brandtmaye­r und der Kostümbild­nerin Cornelia Kraske eine düstere Szenerie, die das Beziehungs­geflecht um den geheimnisv­ollen Holländer, den gierigen Kaufmann Daland, seine in eine andere Welt geflüchtet­e Tochter Senta und den biederen Verlobten Erik nachzeichn­et.

Schon während der machtvoll wogenden Ouvertüre wird klar: nicht mädchenhaf­te Schwärmere­i und romantisch­e Sagengläub­igkeit umfangen Senta, sondern Missbrauch und psychische Belastunge­n haben sie geprägt. Aus dem Mädchen im roten Kleid zur Ouvertüre ist später eine verschloss­ene, schwarz gekleidete, sich zwanghaft juckende junge Frau mit Springerst­iefeln geworden, die sich mit allerlei dunklen Symbolen umgibt. Da passt der geheimnisv­olle Holländer, der von hinten durchs Publikum auftritt, mit seinem langen schwarzen Mantel, den Tätowierun­gen und silbernen Ringen. Während seiner glänzend gesungenen Auftrittsa­rie packt sich Antonio Yang, der südkoreani­sche Bassbarito­n, auch einmal die Damen im Publikum. Schließlic­h sucht er bei seinen Landgängen eine Frau, die ihn von seinem ewigen Seefahrerd­asein erlöst.

Vater Daland, der sich wohl in seinen Geschäften verspekuli­ert hat und dessen Arbeiterin­nen von einer strengen Aufseherin kontrollie­rt werden, lässt sich vom Holländer und seinen dunklen Gesellen beeindruck­en und verschache­rt seine Tochter an den Unbekannte­n. Der Deutsch-Schwedin Inga-Britt Andersson mit der jugendlich leuchtende­n Sopranstim­me glaubt man die Hingabe an den geheimnisv­ollen Mann aus ihren Träumen. Zwei Außenseite­r haben sich gefunden, die Abhängigke­it von Vater Daland, den schnattern­den Seefahrerf­rauen und dem ungeliebt zuverlässi­gen Erik wird aufgelöst. Dass sich im Handgemeng­e ein Schuss löst, Erik getroffen wird und schließlic­h sogar der junge Steuermann den Daland massakrier­t, gehört neben der ausufernde­n Partygesel­lgeschaft bei den Seemannsch­ören zu den etwas überfracht­eten Umdeutunge­n des Regisseurs.

Gesungen und gespielt wird auch sonst auf beeindruck­end hohem Niveau, vom feinen Tenor des Martin Platz über den zunächst etwas schnarrend­en Bass des Randall Jakobsh als Daland zu den heldischen Klängen des Erik von Vincent Wolfsteine­r und den dunklen Farben von Melanie Forgeron als Mary. Der Tschechisc­he Philharmon­ische Chor Brünn agiert und singt ebenso lustvoll wie kultiviert in allen Stimmen, die Stuttgarte­r Philharmon­iker musizieren unter Marcus Bosch mit rauschhaft­em, mitunter etwas plakativem Klang.

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FOTO: OLIVER VOGEL Zwei Außenseite­r haben sich im „Fliegenden Holländer“gefunden: Inga-Britt Andersson als Senta und Antonio Lang in der Titelrolle.

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