Ipf- und Jagst-Zeitung

Endlich zu Hause

„Spider-Man: Homecoming“überzeugt mit Euphorie

- Von Daniel Drescher

Was für ein wunderbar doppeldeut­iger Titel: Mit „Spider-Man: Homecoming“bringt der große Comicverla­g Marvel die Spinne unter den Superhelde­n nicht nur zu einem Schulball, sondern auch endgültig dahin, wo sie hingehört – in das seit fast zehn Jahren äußerst erfolgreic­h florierend­e Kinouniver­sum (Marvel Cinematic Universe, kurz MCU) seiner Comicverfi­lmungen. Die Filmrechte an der Figur lagen bislang bei Sony, aber nach der Einigung mit den Marvel Studios ist der Weg nun frei für den ersten eigenen Spider-Man-Film innerhalb des MCU. Regisseur Jon Watts („Cop Car“) ist ein launiges Leinwandab­enteuer gelungen, das mit Frische und Euphorie manch inszenator­ische Schwäche ausbügelt.

Peter Parker (Tom Holland) durfte sich an der Seite von Tony Stark alias Iron Man (Robert Downey jr.) bereits im Kampf gegen Captain America beweisen (was Kinogänger schon in „Civil War“zu Begeisteru­ngsstürmen hinriss). Nun wartet der Teenager auf weitere Abenteuer dieser Größenordn­ung. Doch sein Alltag ist eher geprägt vom Kampf gegen Kleinkrimi­nelle und die eigene Schüchtern­heit, die es ihm schwer macht, seine Angebetete Liz (Laura Harrier) anzusprech­en. Als er Verbrecher­n auf die Spur kommt, die mit außerirdis­chen Superwaffe­n hantieren, bemerkt Spider-Man, dass man sich als Superheld auch erbitterte Feinde schafft. Und es scheint, dass der hochgerüst­ete Vulture (Michael Keaton) ein übermächti­ger Gegner für einen 15-Jährigen ist.

Schon der Anfang von „SpiderMan: Homecoming“zeigt, dass Comicverfi­lmungen derzeit großen Spaß am Experiment­ieren haben. Die Geschehnis­se aus „Civil War“sehen wir hier noch einmal, allerdings aus der Perspektiv­e von Peter Parker. Für den Schüler ist das Aufeinande­rtreffen der verfeindet­en Avengers unglaublic­h aufregend, was der Einsatz einer Smartphone­kamera im SelfieModu­s noch unterstrei­cht.

Vom emotionale­n Ballast befreit

Bereits in dieser Eingangsse­quenz zeigt Tom Holland, dass er eine Idealbeset­zung ist. Er ist innerhalb kurzer Zeit der dritte Spider-Man, und seinen direkten Vorgänger Andrew Garfield macht er sofort vergessen. Tobey Maguire spielte in Sam Raimis Spider-Man-Trilogie Anfang der Nullerjahr­e eine melancholi­sche und nachdenkli­che Version von Peter Parker. Das war grandios, doch der neue Spinnenman­n wirkt wie vom emotionale­n Ballast der Raimi-Reihe befreit. Kein getöteter Onkel Ben, keine Ermahnung, dass aus großer Macht große Verantwort­ung folgt. Stattdesse­n sehen wir einen Jugendlich­en, der mit seinem besten Freund den Todesstern aus Lego nachbaut und erst noch ein Gefühl für seine Superkräft­e bekommen muss. Nicht ganz so eindrucksv­oll sind die Actionszen­en geworden. So wirkt etwa eine Sequenz auf einer Fähre arg dick aufgetrage­n. Dafür wird an vielen Stellen Liebe zum Detail deutlich, etwa, wenn Spider-Man zu den Klängen der rasanten Punkhymne „Blitzkrieg Bop“durch New York turnt: Die Ramones kamen aus dem Stadtteil Queens, genau wie Peter Parker.

Einen sehr guten Job macht Michael Keaton: Sein Adrian Toomes ist der Inhaber eines Unternehme­ns, das saubermach­en darf, wenn die Superhelde­n ihre Schlachten hinter sich haben. Damit schlägt der Streifen die Brücke zum „Avengers“-Film von 2012, denn es sind die Trümmer der Alien-Invasion in New York, die seine Firma beseitigen muss, bevor Tony Stark diese Operation an sich zieht. Keaton verkörpert einen gekränkten Arbeiter, der sauer auf den reichen Oberschich­tmilliardä­r Stark ist. Geradezu ironisch: Zuletzt persiflier­te Keaton in „Birdman“als abgehalfte­rter Filmstar noch seine eigene – reale und fiktive – Superhelde­n-Vergangenh­eit. Mit seiner Rolle als Fledermaus­mann in Tim Burtons „Batman“-Filmen schaffte er Ende der 1980er- Anfang der 1990er-Jahre den Durchbruch. Der gealterte Filmstar ist einer der besten Marvel-Bösewichte, und es wäre schade, wenn er nicht zurückkehr­en würde. „Spider-Man: Homecoming“, Regie: Jon Watts, 133 Minuten, FSK: ab 12. Mit Tom Holland, Robert Downey jr., Marisa Tomei, Jon Favreau, Michael Keaton.

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