Der Reiz des portugiesischen Barocks
Festival Europäische Kirchenmusik gastiert in der Unterkochener Wallfahrtskirche
- Wohl zum ersten Mal ist portugiesische Barockmusik in der Wallfahrtskirche Unterkochen erklungen. Das ungewöhnliche, exotisch anmutende Klangerlebnis vermittelte das Konzert, zu dem das Gmünder Festival Europäische Kirchenmusik (EKM) am Sonntagabend eingeladen hat. Zahlreiche Besucher aus nah und fern ließen es sich nicht entgehen.
Ungewohnt war schon die Sprache, die sich wie weichgespültes Latein anhörte. Ungewöhnlich war der erheblich von deutscher Barockmusik abweichende Klang, der durch vielfältige Rhythmen und durch reiche dekorative Elemente strukturiert war. Dies zu demonstrieren stand im Vordergrund des zehnköpfigen portugiesischen Ensembles „A Corte Musical“, das von der Schweiz aus Tourneen durch ganz Europa macht.
EKM-Leitwort „Raum und Zeit“besonders interpretiert
Das Unterkochener Konzert interpretierte das EKM-Leitwort „Raum und Zeit“in besonderer Weise. Die im Originalzustand erhalten gebliebene Barockkirche in ihrem Formenund Farbenreichtum entsprach optimal dem Raumverständnis. Die Auswahl sämtlicher Werke des Konzerts orientierte sich ganz an der Zeit der Barockmusik Europas des 17. und 18. Jahrhunderts.
Nur zwei kleine Ausnahmen erlaubte sich der Leiter des Ensembles. Rogério Concalves (Jahrgang 1971) stellte seine beiden Instrumentals ins Programm, mit denen er die vielfältige Percussion – allerlei Handtrommeln und die großen Bongos – vorstellte, die den besonderen Reiz portugiesischen Barocks ausmachen. Mit dem Schlagwerk lenkte er auch die Dynamik und das Tempo der gesanglichen Darbietungen.
Dafür standen dem Ensemble vier virtuose Sängerinnen und Sänger der Spitzenklasse zur Verfügung. Unter den beiden Sopranen übertraf Mercedes Hernández allerdings Agnieszka Kowalczyk deutlich an Strahlkraft. Daniel Issa glänzte mit einem angenehmen, schmiegsamen Tenor, der sich im Quartett homogen einfügte. Die markante Altus-Stimme von Javier Robledano stach bisweilen heraus, was allerdings meist durch extreme Höhen bedingt war.
War schon beim Gesang kein Bass-Solist dabei, vermisste man die Tiefen auch bei den Instrumentalisten. Die beiden Geigen, die exzellente Harfe und die spanische Gitarre fanden in der Violone kein ausreichendes Pendant, um den Gesamtklang zur Wirkung zu bringen. Dafür war die Transparenz umso klarer.
Zum Verständnis der Texte bot das Programmheft gute Anleitung. Die Gesänge orientierten sich hauptsächlich an der Liturgie des Kirchenjahrs von der Beschneidung Jesu über Christi Himmelfahrt bis zum Allerheiligsten Altarsakrament. Dominiert bei der deutschen Barockmusik der strahlende Jubelgesang, so steht in den südländischen Barockgesängen die innige Betrachtung des persönlichen Beters im Mittelpunkt („Geliebter Gott meiner Seele“).
Die portugiesischen Komponisten unterscheiden sich offensichtlich wenig von ihren spanischen und italienischen Kollegen, bei denen sie oft ihre Ausbildung erhielten. Auffallend ist bei den Texten der Portugiesen jedoch die Häufigkeit von Tod, Trauer, Schmerz und Grausamkeit, untermalt von dumpfen Trommelklängen. Ein Ausgleich fand sich aber in den tänzerisch-heiteren Liedern, die vom „Wunder der Schönheit, von tausend Wohlgerüchen und süßen Düften“sangen. Langanhaltender Beifall wurde mit einer durch komplizierte Rhythmen scharf gewürzten Zugabe belohnt. Die durch den Südwestrundfunk (SWR 2) wird am Samstag, 29. Juli, um 19.05 Uhr in der Sendereihe „Geistliche Musik“übertragen.