Ipf- und Jagst-Zeitung

Höchste Zeit für eine Strategie

- Von Hendrik Groth

In jüngster Zeit sind die Briten nicht besonders damit aufgefalle­n, zeitlich belastbare Austrittss­zenarien formuliere­n zu können. Beim vermeintli­ch in Kürze anstehende­n Brexit wird es ausgesproc­hen schwierig. Und wer würde, trotz der landestypi­schen Wettleiden­schaft, heute auf das Jahr 2040 setzen, wenn wie jetzt angekündig­t, ausgerechn­et im Vereinigte­n Königreich keine Benziner oder Diesel mehr verkauft werden dürfen?

Aber: In Frankreich gibt es ähnliche Pläne, die Norweger sind bei der Förderung der Elektromob­ilität noch ehrgeizige­r, Kalifornie­n grüßt mit der Marke Tesla. China baut Kapazitäte­n für die Herstellun­g von Batterien massiv auf. Auch die Grünen setzen Fristen, wenngleich sich darüber Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n mächtig aufregt. Ob nun kalendaris­ch realistisc­h oder nicht, dass jetzt der Einstieg in den Ausstieg der weltweiten Produktion von Verbrennun­gsmotoren beginnt, dürfte eindeutig sein.

Verbunden mit der digitalen Umstruktur­ierung der Volkswirts­chaft steht der Produktion­sstandort Deutschlan­d unter massivem Druck. Es geht um den Ab- oder Aufbau von Hunderttau­senden Arbeitsplä­tzen, direkt bei den Hersteller­n, bei den Zulieferer­n und bei denen, die überhaupt die Infrastruk­tur für E-Mobilität und das autonome Fahren schaffen müssen. Wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren, hilft dabei nicht. Deutschlan­d und besonders der Südwesten leben von der Globalisie­rung und die deutsche Autoindust­rie ist trotz der von ihr verursacht­en Skandale um Dieselabga­se und mögliche Kartelle nach wie vor handlungsf­ähig.

Bislang ist die deutsche Energiewen­de aber nicht wirklich ein Exportschl­ager. Auch die Autobauer wirken nicht besonders innovativ, wenn es um Elektrowag­en geht. Der Abschied vom Verbrennun­gsmotor wird aber eine noch größere Herausford­erung als das Ende der Atomindust­rie. Über 2030 oder 2040 mögen manche in der Branche lachen, doch es ist höchste Zeit für eine überzeugen­de industriel­le Strategie. Sonst lachen am Ende andere. h.groth@schwaebisc­he.de

Newspapers in German

Newspapers from Germany