Höchste Zeit für eine Strategie
In jüngster Zeit sind die Briten nicht besonders damit aufgefallen, zeitlich belastbare Austrittsszenarien formulieren zu können. Beim vermeintlich in Kürze anstehenden Brexit wird es ausgesprochen schwierig. Und wer würde, trotz der landestypischen Wettleidenschaft, heute auf das Jahr 2040 setzen, wenn wie jetzt angekündigt, ausgerechnet im Vereinigten Königreich keine Benziner oder Diesel mehr verkauft werden dürfen?
Aber: In Frankreich gibt es ähnliche Pläne, die Norweger sind bei der Förderung der Elektromobilität noch ehrgeiziger, Kalifornien grüßt mit der Marke Tesla. China baut Kapazitäten für die Herstellung von Batterien massiv auf. Auch die Grünen setzen Fristen, wenngleich sich darüber Ministerpräsident Winfried Kretschmann mächtig aufregt. Ob nun kalendarisch realistisch oder nicht, dass jetzt der Einstieg in den Ausstieg der weltweiten Produktion von Verbrennungsmotoren beginnt, dürfte eindeutig sein.
Verbunden mit der digitalen Umstrukturierung der Volkswirtschaft steht der Produktionsstandort Deutschland unter massivem Druck. Es geht um den Ab- oder Aufbau von Hunderttausenden Arbeitsplätzen, direkt bei den Herstellern, bei den Zulieferern und bei denen, die überhaupt die Infrastruktur für E-Mobilität und das autonome Fahren schaffen müssen. Wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren, hilft dabei nicht. Deutschland und besonders der Südwesten leben von der Globalisierung und die deutsche Autoindustrie ist trotz der von ihr verursachten Skandale um Dieselabgase und mögliche Kartelle nach wie vor handlungsfähig.
Bislang ist die deutsche Energiewende aber nicht wirklich ein Exportschlager. Auch die Autobauer wirken nicht besonders innovativ, wenn es um Elektrowagen geht. Der Abschied vom Verbrennungsmotor wird aber eine noch größere Herausforderung als das Ende der Atomindustrie. Über 2030 oder 2040 mögen manche in der Branche lachen, doch es ist höchste Zeit für eine überzeugende industrielle Strategie. Sonst lachen am Ende andere. h.groth@schwaebische.de