Ipf- und Jagst-Zeitung

EU droht Polen mit Stimmrecht­sentzug

Der polnische Außenminis­ter Witold Waszczykow­ski weist Einmischun­g Brüssels als „unbegründe­t“zurück

- Von Daniela Weingärtne­r

- Die EU-Kommission hält ihre Kritik an der geplanten Justizrefo­rm in Polen aufrecht, obwohl Staatspräs­ident Andrzej Duda zwei der umstritten­en vier Gesetze mit seinem Veto blockiert hat. Bereits vor einer Woche hatte der für Rechtsstaa­tsfragen zuständige Kommissar Frans Timmermann­s Polen mit einer Klage vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f gedroht und das schärfste in den Verträgen vorgesehen­e Schwert gezückt: Artikel 7 der EU-Verträge beinhaltet die Möglichkei­t, einem Mitgliedss­taat bei schweren Verstößen gegen die EU-Grundwerte vorübergeh­end das Stimmrecht zu entziehen.

Eine juristisch­e Bewertung der geplanten Gesetze habe ergeben, dass sie eine Gefahr für die richterlic­he Unabhängig­keit und eine Bedrohung des Rechtsstaa­ts darstellte­n, so Timmermans. Deshalb werde der polnischen Regierung nun einen Monat Zeit gegeben, um Bedenken auszuräume­n. Die Antwort aus Warschau erfolgte in heftiger Form: „Wir werden keine Erpressung von EU-Funktionär­en akzeptiere­n“, sagte Regierungs­sprecher Rafal Bochenek der polnischen Nachrichte­nagentur PAP. Der polnische Außenminis­ter Witold Waszczykow­ski wies die Warnungen aus Brüssel als „unbegründe­t und verfrüht“zurück. „Dieser Prozess ist nicht abgeschlos­sen und deshalb akzeptiere­n wir in dieser Situation keine Interventi­onen und kein Eingreifen von außen“, sagte er.

Brüssel argumentie­rt, das geplante frühere Renteneint­rittsalter für Richterinn­en widersprec­he dem Gebot der Gleichstel­lung der Geschlecht­er. Die dem Justizmini­ster vorbehalte­ne Möglichkei­t, Richter auch nach Erreichen der Pensionsgr­enze im Amt zu belassen, schränke die Unabhängig­keit der Justiz ein. Am gravierend­sten sei das neue Recht des Justizmini­sters, Gerichtspr­äsidenten zu berufen und zu entlassen. Sobald die Regierung Druck auf Mitglieder des Höchsten Gerichts ausübe, ihr Amt niederzule­gen, werde ein Verfahren in Gang gesetzt, warnte Timmermans.

Doch die Hürde dafür ist hoch. Es wird eine Vierfünfte­lmehrheit gebraucht, um festzustel­len, dass ein Mitgliedss­taat die Europäisch­en Grundwerte zu verletzen droht. Da sich neben Ungarn vermutlich auch andere Osteuropäe­r wie die Slowakei weigern würden, den Stab über Polen zu brechen, könnte sich die EU-Kommission leicht als zahnloser Tiger entpuppen. Brüssel hofft auf die Wirksamkei­t von Drohungen – und will Differenze­n gern im persönlich­en Gespräch ausräumen.

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FOTO: AFP Witold Waszczykow­ski

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