Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Wettbewerb­sfähigkeit Deutschlan­ds steht auf dem Spiel

- Von André Stahl und Ruppert Mayr, Berlin

Zehntausen­de Jobs sind in Gefahr, wenn die Beiträge für die deutschen Sozialkass­en weiter steigen – diese Warnung aus dem Munde der Arbeitgebe­r kommt nicht zum ersten Mal – und nicht zu Unrecht.

Steuern, „Soli“, Kommunalab­gaben, Beiträge zur Arbeitslos­en-, Kranken- und Rentenvers­icherung – die Bürger werden kräftig zur Kasse gebeten. Vor allem die hohen Sozialabga­ben machen die Arbeit hierzuland­e teuer. Deutschlan­d rangiert unter den Industriel­ändern weit oben. Und die zunehmende Alterung der Gesellscha­ft belastet die Sozialsyst­eme zusätzlich – auch bei langfristi­g moderatem Wirtschaft­swachstum. Die Wettbewerb­sfähigkeit Deutschlan­ds und damit Wohlstand und soziale Sicherheit stehen auf dem Spiel.

Ein lediger Angestellt­er ohne Kind musste im vergangene­n Jahr im Schnitt 49,4 Prozent seines Bruttolohn­es an den Staat abliefern. Im Kreis der 35 OECD-Länder rangiert Deutschlan­d damit auf dem zweithöchs­ten Platz nach Belgien. Zurzeit gehen 39,95 Prozent für Renten-, Kranken- und Pflege- sowie Arbeitslos­enversiche­rung weg. Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) meinte im Frühjahr: „Die Abgabenlas­t für die Wirtschaft ist vertretbar, sie sollte aber nicht steigen.“Zuletzt war es Konsens zwischen Wirtschaft und Politik, nicht über die 40-Prozent-Marke zu kommen. Der Arbeitgebe­rverband BDA zitiert eine Prognos-Studie, wonach ein Anstieg der Sozialbeit­räge um einen Prozentpun­kt den Verlust von 90 000 Arbeitsplä­tzen bedeute.

Nach den Prognos-Berechnung­en steigt der Gesamtbeit­rag für die vier zentralen Sozialvers­icherungen bis 2040 auf 48,8 Prozent, wenn es keine gesetzlich­en Eingriffe gibt. Gibt es Eingriffe etwa bei der Rente, könnten sie sogar auf 55,5 Prozent zulegen. Damit drohe ein massiver Verlust an Arbeitsplä­tzen – trotz gleichzeit­igem Fachkräfte­mangel. Die Arbeitgebe­r warnen denn auch vor Wahlgesche­nken wie einer Ausweitung der Mütterrent­e. Im Sozialbudg­et schlagen jetzt schon Mehrausgab­en für höhere Renten an mehr Ruheständl­er und mehr Kassenausg­aben für medizinisc­he Leistungen zu Buche. 2016 gab der Staat nach dem aktuellen Sozialberi­cht 918 Milliarden Euro für Sozialleis­tungen aus – ein Plus von 33 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr. Dieser Zuwachs fällt etwas höher aus als das Konjunktur­Plus. Bis 2021 könnten die Sozialausg­aben auf 1,1 Billionen Euro klettern. Nimmt die Zahl der Erwerbstät­igen ab, wird es schwierig, das ohnehin nicht allzu üppige Wirtschaft­swachstum zu halten. Zugleich steigt der Anteil der Ruheständl­er. Mit der Konsequenz, dass immer weniger Arbeitnehm­er für immer mehr Rentner und Pensionäre zahlen müssen – auch für andere Sozialkass­en.

Mit der schrittwei­sen Anhebung des Rentenalte­rs unter Schwarz-Rot auf 67 Jahre verschafft­e sich die Politik bei der Finanzieru­ng der Rentenkass­en etwas Luft. Weitere Reformen Anfang der 2000er-Jahre kamen hinzu. Die wachsende Zahl an Zuwanderer­n vor allem aus EU-Ländern hat die Finanzlage der Sozialvers­icherungen verbessert. Trotz Reformen seien daher die Renten- und Krankenkas­senbeiträg­e auf absehbare Zeit stabil, hat die Deutsche Rentenvers­icherung ermittelt. (dpa)

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