Orientierungslos
Politik streitet über den Umgang mit der Autoindustrie
(dpa) - Kurz vor dem DieselGipfel von Bundesregierung und Industrie erhöht die Politik massiv den Druck auf die deutschen Autohersteller. Sie hätten eine „verdammte Verantwortung, das Vertrauen wiederherzustellen und die begangenen Fehler zu beheben“, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) der „Bild am Sonntag“. Im Kern erwartet Dobrindt, „dass die Fahrzeuge schnellstens auf Kosten der Hersteller optimiert werden“. Motoren mit Euro-5- und Euro-6Norm könnten mit neuer Software deutlich verbessert werden.
Für Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), am Mittwoch neben Dobrindt Gastgeberin des „Nationalen Forums Diesel“, ist eine Software-Nachrüstung indes nur ein erster Schritt. In einem zweiten Schritt müssten die Autobauer dann die Hardware der Fahrzeuge nachrüsten, „und zwar auch auf ihre Kosten“, wie sie am Freitagabend in ARD und ZDF sagte. Dazu sagte Dobrindt: „Ob es zusätzliche Hardware-Lösungen für bestimmte Wagentypen geben kann, muss mit Experten geprüft werden.“
Die Branche selbst hält ihre geplanten Softwareupdates für Dieselautos weiter für die beste Lösung zur Reduzierung der Stickoxidbelastung im Straßenverkehr. „Unsere Unternehmen sind bereit, eine große Zahl von Autos mit der Schadstoffklasse Euro 5 und zum Teil auch Euro 6 mit neuester Software nachzubessern“, sagte der Präsident des Branchenverbandes VDA, Matthias Wissmann, der Funke-Mediengruppe. Mit der neuen Software lasse sich der Ausstoß von Stickoxiden im Schnitt der deutschen Fahrzeugflotte um mindestens 25 Prozent senken, versicherte Wissmann. Hardware-Nachrüstungen lehnte Wissmann als untauglich ab. „In den meisten Fällen sind Hardware-Nachrüstungen technisch und wirtschaftlich nicht machbar, weil die Fahrzeuge schon viele Jahre alt sind“, sagte er.
Aus den Reihen der Auto-Bundesländer kamen derweil Vorschläge, die Dieselkrise auch mit öffentlichem Geld anzugehen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Es müssen Anreize für den Umstieg von alten Diesel- auf Euro-6- und Elektroautos geschaffen werden“und brachte „steuerliche Anreize oder eine Art Klimaprämie“ins Gespräch, „die von Industrie und Staat angeboten wird“. Weils bayerischer Kollege Horst Seehofer (CSU) setzt auf die Reduzierung der Kfz-Steuer als „Anreiz zum Kauf eines emissionsarmen Euro-6Diesel“, wie er dem „Spiegel“sagte.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) pochte auf substanzielle Ergebnisse beim Diesel-Gipfel. „Ich gehe davon aus, dass es beim Diesel-Gipfel die Zusage für wirksame und nachprüfbare Schadstoffsenkungen zügig für die gesamte Euro-5- und Euro-6-Flotte gibt“, sagte Kretschmann. Bei FDP und Grünen stoßen Steueranreize auf Widerspruch: „Schon jetzt fließen Milliarden an Steuervergünstigungen in den Diesel, ohne dass es dafür eine umwelt- oder klimapolitische Begründung gibt“, sagte der Verkehrsexperte der Grünen, Oliver Krischer.