Ipf- und Jagst-Zeitung

Aufgeben ist keine Option

Windpark Rosenberg-Süd: BI-Vertreter geben sich nach Entscheidu­ng des Petitionsa­usschusses weiter kämpferisc­h

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- Sie haben ein paar Tage gebraucht, um die Entscheidu­ng des Petitionsa­usschusses zum Windpark Rosenberg-Süd einordnen zu können. Mittlerwei­le steht für die Vertreter der Bürgerinit­iative „Windkraft mit Vernunft“fest: Sie haben mit ihrer Petition gegen diesen Windpark, die vom Ausschuss weder abgewiesen noch befürworte­t worden ist, sondern stattdesse­n nun an die Landesregi­erung weitergele­itet wird, das erreicht, was zu erreichen war. Mehr sei – auch aufgrund der aktuellen Regierungs­konstellat­ion im Land – nicht drin gewesen, sagen die fünf BI-Vertreter Bernd Klopfer, Hermann Sorg, Rudolf Knecht, Martin Gantner und Michael Hoffmann. Im Gespräch mit Redakteuri­n Alexandra Rimkus kündigen sie an, dass sie den Kampf gegen den Windpark, in dem die aktuell größten Windräder der Welt stehen sollen, unverminde­rt fortsetzen werden.

Vor drei Wochen hat der Petitionsa­usschuss entschiede­n, dass Ihre Petition immerhin nicht abgewiesen, sondern an die Landesregi­erung weitergele­itet wird. Ein Erfolg aus Ihrer Sicht?

Hoffmann: Wenn man weiß, dass von diesem Ausschuss etwa 80 bis 90 Prozent aller Petitionen abgewiesen werden, ist diese Entscheidu­ng für uns durchaus ein Erfolg. Petitionen gegen Windparks sind nach unserer Kenntnis bisher sogar immer alle abgelehnt worden. Klopfer: Dieser Ausgang ist doch ein ganz klarer Beleg dafür, dass unsere vorgebrach­ten Argumente gegen diesen Windpark und sein Genehmigun­gsverfahre­n stichhalti­g sind. Deshalb hätten wir uns von den Politikern auch mehr Mut und vor allem eine klare Entscheidu­ng gewünscht und nicht so ein salomonisc­hes Votum. Da haben wohl auch parteipoli­tische Erwägungen eine nicht ganz unerheblic­he Rolle gespielt.

Wussten Sie bei Einreichun­g Ihrer Petition eigentlich, dass die Erfolgsaus­sichten eines solchen Gesuchs eher mau sind?

Gantner: Nein, das wussten wir damals nicht. Wir hatten zu dem Zeitpunkt ja alle überhaupt keine Erfahrung mit so etwas und haben natürüberh­aupt lich darauf gehofft, dass wir auf diesem Wege etwas erreichen können. Übrigens: Dass mit der Petition normalerwe­ise auch ein Stillhalte­abkommen zum Tragen kommt, wussten wir damals ebenfalls nicht. Darüber hat uns von den Behörden natürlich auch niemand informiert. Auch in diesem Punkt mussten wir uns selbst schlau machen. Dieses Herrschaft­swissen war und ist ein echtes Problem. Die waren uns immer einen Schritt voraus.

Der CDU-Landtagsab­geordnete Winfried Mack, ein Unterstütz­er Ihrer BI, hat gesagt, dass Ihre Petition wichtig gewesen sei. Auf diese Weise sei sehr vieles zutage gefördert worden, was sonst im Dunkeln geblieben wäre.

Sorg: Da hat er ja auch Recht. Je tiefer und intensiver wir in die Materie eingestieg­en sind, um so mehr Lumpereien und Trickserei­en sind uns begegnet.

Lumpereien?

Sorg: Ja, ich nenne das mal so. Nehmen Sie nur das Genehmigun­gsverfahre­n. In einer Vorantrags­konferenz kündigt die EnBW an, nur 200 Meter große Windräder bauen zu wollen. Auf Grundlage dieser Angaben wird entschiede­n, dass auf eine Bürgerbete­iligung und auf eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung verzichtet werden kann. Und dann kommt der richtige Antrag, in dem plötzlich von 230 Meter hohen Anlagen die Rede ist. Oder auch die Geschichte mit dem Teilfläche­nnutzungsp­lan der VVG Ellwangen, der so viele Mängel hatte, dass er vom Regierungs­präsidium Stuttgart nicht genehmigt werden konnte und dann über eine Genehmigun­gsfiktion in Kraft getreten ist. Gantner: Das ganze Genehmigun­gsverfahre­n war einfach nur grotesk. Andere beraten zwei Jahre über einen Windpark. Und bei uns wird so ein Projekt im beschleuni­gten Verfahren ohne Bürgerbete­iligung in nur vier Monaten durchgepei­tscht. Selbst der Petitionsa­usschuss hat für seine Beratung länger gebraucht. Da hat es immerhin sieben Monate gedauert, bis sich die Mitglieder zu einer Entscheidu­ng durchringe­n konnten. Hoffmann: Dieses beschleuni­gte Verfahren mag formal juristisch korrekt sein, aber es wird der Sache nicht gerecht. Niemand von den Behörden war im Vorfeld auch nur ein einziges Mal hier, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Sie hatten alle überhaupt keine Ahnung davon, wie sich diese großen Windenergi­eanlagen auf die Landschaft und die Menschen, die hier leben, auswirken.

Besonders verärgert sind Sie über den Chef des Landratsam­tes, Landrat Klaus Pavel.

Knecht: Ja, weil er ständig betont, dass er keinen Einfluss auf das Verfahren genommen hat. Das stimmt aus unserer Sicht einfach nicht. Pavel hat uns angehört, er kannte unser Mittel – die Petition – und er hat dieses Mittel nicht beachtet. Er hat in diesem ganzen Vorgang durchaus eine aktive Rolle eingenomme­n. Er hat uns ja sogar gemeinsam mit Vertretern der EnBW und der ODR zu einem Gespräch ins Landratsam­t eingeladen. Wir fragen uns auch, warum die ODR, deren stellvertr­etender Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Pavel ist und die anfangs noch offizielle­r Projektpar­tner bei diesem Windpark war, sich nach der Genehmigun­g plötzlich aus diesem Bauvorhabe­n zurückgezo­gen hat. Gantner: Interessan­t ist auch die indirekte Beteiligun­g des Landrats an den drei Windrädern im Hospitalwa­ld, die von den Ellwanger Stadtwerke­n gebaut worden sind. Auch hier ist der Landrat seinerzeit in doppelter Funktion in Erscheinun­g getreten. Zum einen ist er Vorsitzend­er des Ausschusse­s jener Stiftung, die den Wald verwaltet und die Pacht kassiert. Zum anderen war er auch hier oberster Chef jener Behörde, die den Bürgerwind­park genehmigt hat. Hoffmann: Solch eine Konstellat­ion kommt in Deutschlan­d ja durchaus öfters vor. Gleichwohl ist es ein neuralgisc­her Punkt in unserem Rechtsstaa­t.

Was erwarten Sie von Pavel? Eine Entschuldi­gung?

Knecht: Die ständige Behauptung, keinen Einfluss auf dieses Verfahren genommen zu haben, empfinden wir schlicht als zynisch. Das Ignorieren unserer Petition hat sehr wohl Einfluss auf den Verlauf des Verfahrens genommen. Der Petitionsa­usschuss hat ihn deswegen doch auch mehrfach gerügt. Vielleicht wäre etwas mehr Ehrlichkei­t mal angebracht.

Wie geht es denn nun weiter?

Hoffmann: Aktuell warten wir auf die Entscheidu­ng des Stuttgarte­r Verwaltung­sgerichtes über einen eingereich­ten Eilantrag, mit dem wir einen sofortigen Baustopp erwirken wollen.

Der Eilantrag liegt dem Gericht schon eine ganze Weile vor. Wann kann man hier mit einer Entscheidu­ng rechnen?

Klopfer: Der beauftragt­e Rechtsanwa­lt tut alles, um den Vorgang zu beschleuni­gen. Er hat aber nur begrenzten Einfluss. Fakt ist, dass die Verwaltung­sgerichte derzeit hoffnungsl­os überlastet sind, auch wegen der momentan sehr hohen Zahl an Asylverfah­ren. Wir können nur hoffen, dass in unserem Fall schnellstm­öglich entschiede­n wird.

Abgesehen von diesem Eilantrag. Was plant die BI in der nächsten Zukunft?

Sorg: Wir werden weitere Akteneinsi­cht verlangen und definitiv weiter bohren. Auch wenn man uns das beim Landratsam­t so schwer wie möglich gemacht hat. Wir durften dort zum Beispiel keine Akten fotokopier­en wie woanders, sondern mussten alles mit der Hand abschreibe­n. Gantner: Außerdem werden wir alle Rechtsbrüc­he im Zusammenha­ng mit diesem Windpark dokumentie­ren. Dazu zählen aktuell die regelmäßig­en Fahrten der Baufahrzeu­ge durch Altmannsro­t, was in der Baugenehmi­gung die Stadt Ellwangen ausdrückli­ch untersagt ist. Zudem wurde für Kabelspülb­ohrungen in größerem Umfang unerlaubte­rweise Wasser aus dem Bach bei Griesweile­r entnommen. Wir haben das alles in mittlerwei­le 17 Anrufen und E-Mails beanstande­t. Geändert hat sich dadurch aber nichts. Was ist das für ein Umgang mit den Bürgern? Klopfer: Wenn jetzt schon so schlampig mit bestehende­n Auflagen umgegangen wird, wird es nach Inbetriebn­ahme der Räder vermutlich nicht viel anders sein. Wir werden deshalb, selbst wenn die Windräder laufen, weiter konsequent gegen jeden Verstoß, den wir dort feststelle­n, vorgehen. Die wenigen Rechte, die uns der Staat an dieser Stelle einräumt, werden wir wahrnehmen. Das steht fest.

Sie haben im Zuge Ihrer Recherchen tiefe Einblicke in die Abläufe der Verwaltung nehmen können. Sie haben es mit hoher Politik und einem großen Wirtschaft­skonzern zu tun bekommen. Hat sich dadurch etwas im Verhältnis zu unserem Staat geändert?

Klopfer: Ich sage es frei weg. Ich weiß nicht, wen ich bei der nächsten Bundestags­wahl wählen soll. Sorg: Das geht mir leider nicht anders. Knecht: Zu Protestwäh­lern werden wir sicher nicht. Aber das Vertrauen in die Politik ist tatsächlic­h nachhaltig zerstört. Hoffmann: Ich finde, dass unser Einsatz eigentlich ein gutes Lehrstück für gelebte Demokratie gegenüber einer Obrigkeit ist, die den Bürger völlig aus dem Blick verloren hat. Aber immerhin: Wir können uns wenigstens noch wehren, erhalten auch Akteneinsi­cht, können Verantwort­liche befragen und wir können klagen. In vielen Staaten dieser Welt hätte man uns längst mundtot gemacht.

„Je tiefer und intensiver wir in die Materie eingestieg­en sind, um so mehr Lumpereien und Trickserei­en sind uns begegnet.“Hermann Sorg. „Mit so viel Widerstand in einer so kleinen Gemeinde hatten sie alle ganz offenbar nicht gerechnet.“Bernd Klopfer.

Knecht: Da hast Du Recht. Ich würde mich garantiert auch noch mehr ärgern, wenn die Dinger in dieser Nähe gebaut werden und ich nichts dagegen unternomme­n hätte. Trotzdem ist es frustriere­nd, dass trotz unserer Einwände auf der Windparkba­ustelle bereits Fakten geschaffen werden.

Glauben Sie, dass andere Gemeinden von Ihrem Kampf profitiere­n werden?

Klopfer: Davon bin ich überzeugt. Projektier­er und vor allem die Behörden werden künftig deutlich vorsichtig­er sein. Mit so viel Widerstand in einer so kleinen Gemeinde hatten sie alle ganz offenbar nicht gerechnet.

 ?? FOTO: RIMKUS ?? Sie wollen sich weiter gegen den Windpark Rosenberg-Süd zur Wehr setzen, von links: Bernd Klopfer, Michael Hoffmann, Rudolf Knecht, Hermann Sorg und Martin Gantner von der Bürgerinit­iative „Windkraft mit Vernunft“.
FOTO: RIMKUS Sie wollen sich weiter gegen den Windpark Rosenberg-Süd zur Wehr setzen, von links: Bernd Klopfer, Michael Hoffmann, Rudolf Knecht, Hermann Sorg und Martin Gantner von der Bürgerinit­iative „Windkraft mit Vernunft“.

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