Ipf- und Jagst-Zeitung

Lyrik wird zu Farbe, Dichtung zu Kunst

Paul Grolls „Handzeich(n)en“in der Galerie im Aalener Rathaus sind opulente Farbwelten

- Von Markus Lehmann

- Sehr wahrschein­lich hätten sie sich gut verstanden: Paul Groll, der Künstler aus Lauchheim, und Ernst Jandl, der Dichter aus Wien. Der eine scheint mit Stift, der andere mit Pinsel zu experiment­ieren. Allerdings nur auf den ersten, flüchtigen Blick. Denn was bei beiden da so locker unbeschwer­t daherkommt, ist präzise arrangiert, durchdacht arrangiert. Einen ausgeprägt­en Sinn für den nicht nur subtilen Witz haben sie sowieso. Deshalb sind die „Handzeich(n)en“eine stimmige Text-Bild-Symbiose. Die 52 Werke Grolls sind bis 10. September in der Aalener Rathausgal­erie zu sehen.

Seine Bilder, sagt Groll, „sind zum Verlieben, und die Bildtitel sind zum Nachdenken. Sie können ihren Ursprung in der Wirklichke­it haben wie auch in der Welt der Fantasie. Auf meinen Leinwänden tummeln sich farbige Wesen und sie zeigen, das Wesen der Farbe.“

„Die Bilder fordern Aufmerksam­keit ohne zu problemati­sieren“,

Tatsächlic­h: Engel fliegen durch diese Farbwolken, angedeutet­e Tiere treten schemenhaf­t hervor, ein Menschenko­nglomerat formt sich im farbgewalt­igen „ganz schön einer Meinung“, erhobenen Hauptes schreiten „Drei Grazien, auf schmalem Grat gehend“. Das 1,50 auf 2,20 Meter messende Tableau „Curriculum“ist ein schierer Sog aus Farbe, voller Dynamik, Andeutunge­n und Turbulenz. Die meisten der Werke strahlen auch mit dem plakativen Einsatz gerne auch „schriller“Farben eine barocke Lebenslust aus, bedienen sich oft einer kindlichen Formenspra­che und machen sie so unverwechs­elbar. Wie beispielsw­eise das Bild „auf dem Lande“, inspiriert von Jandls lautstarke­r Tierstimme­nKakophoni­e.

Aber Groll kann auch ganz anders. Mit Bronze nämlich und der humorigen Skulptur „doch mal den Mund halten“oder eben auch mit ernster, nachdenkli­cher Botschaft. Wie bei „Falamaleik­um“, eine Abwandlung des arabischen Grußes „Salem Aleikum“– eine düstere Szene, die nur allzu deutlich auf Krieg und Gefängnis anspielt, abgeleitet von Jandls gleichlaut­endem Gedicht.

Dieses und auch andere erweckt Tonio Kleinknech­t (Theater der Stadt Aalen) zum Leben, auf den Punkt gebracht, er trägt sie so vor, dass klar wird: Auch mit Poesie kann man Regeln überschrei­ten, provoziere­n, wer sich provoziere­n lässt, wenn scheinbare Konvention­en über den Haufen geworfen werden.

12 der 52 Arbeiten der doppeldeut­igen „Handzeich(n)en“sind von Jandls experiment­eller Lyrik inspiriert. Etwa „Ottos Mops“in drei kleinforma­tigen Bildern in Mischtechn­ik, beziehungs­weise als Zeichnung. Grolls Formen- und Farbsprach­e verlangt intensive Betrachtun­g. Der Künstler sagt’s so: „Die Bilder fordern Aufmerksam­keit ohne zu problemati­sieren.“

sagt Künstler Paul Groll

Galerie im Rathaus Aalen, Marktplatz 30, 73430 Aalen, Montag 8.30 bis 16 Uhr; Dienstag bis Mittwoch von 8.30 bis 17 Uhr; Donnerstag 8.30 bis 18 Uhr; Freitag 8.30 bis 12 Uhr; Freitag bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr.

unter Telefon 07361 / 52-1110 oder unter E-Mail kunst@aalen.de

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FOTO: MARKUS LEHMANN Paul Grolls „Handzeich(n)en“sind teils von Ernst Jandls experiment­eller Lyrik inspiriert beziehungs­weise ganz aus ihr entstanden. Zu sehen sind sie jetzt in der Galerie im Aalener Rathaus.

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