Wenn es im Dachstuhl flattert
Im Kloster Kirchheim lebt die größte Kolonie von Breitflügelfledermäusen weit und breit
(ij) - Im Kloster Kirchheim lebt die größte Kolonie von Breitflügelfledermäusen weit und breit – und keiner kennt das Quartier so gut wie Fledermaus-Fachmann Gerd Höhenberger. In diesem Sommer gibt es eine Infoausstellung in den Klosterräumen.
- Es fasziniert, wenn die geflügelten Jäger in der Dämmerung nacheinander aus dem Dach der Klosterkirche flattern. In Kirchheim findet sich das einzige große Sommerquartier der Breitflügelfledermaus weit und breit. Mindestens genauso faszinierend ist es, Fledermaus-Fachmann Gerd Höhenberger zu erleben – er kennt das Quartier wie kein Zweiter. In diesem Sommer, in dem gleichzeitig eine Fledermaus-Infoausstellung in den Klosterräumen stattfindet, ist beides möglich.
Höhenberger krümmt sich, um zu zeigen, wie Fledermäuse ihre Beute mit der Schwanzflughaut erhaschen. Er demonstriert, wie Fledermauskot zwischen den Fingern zerrieben wird, um Nahrungsreste zu identifizieren. Und er erzählt mit vollem Körpereinsatz, wie er eine Fledermaus, die er einmal auf seinem Dachboden in Pflege hatte, mithilfe eines Betttuchs gefangen hat.
„Rudi“hatte er diese Breitflügelfledermaus genannt, erinnert sich der 76-jährige Nördlinger. Er hatte das abgemagerte Tier nämlich vom früheren Leiter des Altenheims im Kloster Kirchheim, Rudolf Egelhofer, bekommen. Er bastelte Rudi ein Stoffkästchen als Behausung und fütterte ihn liebevoll per Pinzette mit Mehlwürmern. Zum Dank biss ihn Rudi in den Finger. „Das ist wie vier Injektionsnadeln auf einmal“, sagt Höhenberger, der schon ein gutes Dutzend verletzte oder schwache Fledermäuse aufgepäppelt hat.
1995 hat der studierte Biologe und frühere Computerfachmann Höhenberger begonnen, regelmäßig die lautlosen Segler zu zählen, die aus dem Dach des alten Kirchheimer Klosters flattern. Zur Hand hat er dabei einen sogenannten Bat-Detektor, der die Ultraschalltöne der Tiere hörbar macht. 2011 verzeichnete er den Rekordwert von 119 Fledermäusen. „Da waren allerdings nicht nur die Weibchen dabei, sondern auch die eben geborenen Jungen“, erzählt er. Der Kenner kann sie leicht unterscheiden. Die Weibchen fliegen gezielt irgendwohin, etwa zum Blasienberg. „Wenn Junge dabei sind, geht der Zirkus los, die schauen sich um, kreisen über den Hof, manchmal zu zweit.“Erwachsene Männchen gibt es keine im ehemaligen Kirchheimer Frauenkloster. Während Fledermäuse im Sommer in Holzstößen, Baumhöhlen oder Dachstühlen wohnen, bevorzugen sie als Winterquartier frostsichere Orte wie Höhlen, Keller und Stollen.
Vier Fledermausarten in Kirchheim gesichtet
Von 20 in Deutschland heimischen Arten hat Höhenberger in Kirchheim vier gesichtet. Die kleine Zwergfledermaus, die Wasserfledermaus, die an Eger und Sechta jagt, und die Rauhautfledermaus, die für den Winter vom Baltikum bis nach Frankreich fliegt. Sowie die Breitflügelfledermaus. „Unser Star“, nennt sie Höhenberger. Das Kirchheimer Quartier ist nicht nur das einzige große im Ries. Es beherbergt auch fast zehn Prozent des Bestandes dieser bedrohten Art in ganz Baden-Württemberg.
Fast wäre es damit zu Ende gewesen, als die Kirchengemeinde Ende der 90er-Jahre das Dach der Klosterkirche sanierte. „Ich habe alles mobilisiert, was ich konnte“, berichtet Höhenberger. Schließlich erreichte er bei Pfarramt und Kirchengemeinderat einen halbjährigen Baustopp über den Sommer: Die Kolonie durfte sich erst in Ruhe in die Winterquartiere zurückziehen und konnte im nächsten Jahr ins renovierte Dach – dann mit eigenen Einfluglöchern – zurückkehren. Am Dienstag, 15. August, ist die Fledermausausstellung, die die Umweltgruppe Kirchheim ins ehemalige Klostergebäude geholt hat, ab 20 Uhr zu sehen. In der
Dämmerung können mit Gerd Höhenberger Fledermäuse beobachtet werden. Die Besichtigung der Ausstellung kann auch individuell unter Telefon 07362 / 4860 vereinbart werden.