Ipf- und Jagst-Zeitung

Fleischer sieht Hirschbach­bad in Gefahr

Grünen-Fraktionsc­hef im Sommergesp­räch: „Bäder haben Vorrang vor Prestigeob­jekten“

- Von Eva-Marie Mihai

- Die Campingstü­hle bringt Michael Fleischer selbst mit für das Sommergesp­räch mit den Aalener Nachrichte­n. Allerdings kann er sie dann doch in den Taschen lassen, an dem Freitagvor­mittag hat es noch genügend Platz an den Sitzgruppe­n neben dem Becken im Hirschbach­freibad, nur vereinzelt ziehen die Besucher im Wasser ihre Bahnen. Was an dem bewölkten Himmel liegen könnte. Gerade für solche durchwachs­enen Tage biete sich ein Kombibad an, in dem man draußen schwimmen und sich im Gebäude aufwärmen kann, sagt Fleischer und kommt auf ein Thema zu sprechen, das ihm sehr am Herzen liegt und weswegen er auch das Freibad als Treffpunkt für das Gespräch gewählt hat: die Aalener Bäderlands­chaft.

Zusammenar­beit mit dem OB ist durchwachs­en

Er selbst gehe oft mit seinem 14-jährigen Sohn in das Hirschbach­freibad, sagt der 60-Jährige. „Es ist das Bad für die Kernstadt.“Nun allerdings sieht er das Freibad gefährdet. Der Grund: In dem Bädergutac­hten, das ein Schweizer Büro im Gemeindera­t vorgestell­t hat, wird zwar auch der Ausbau des Hirschbach­bads in ein Kombibad mit Außen- und Innenschwi­mmbecken empfohlen, allerdings habe OB Thilo Rentschler eine Aussage getroffen, die den GrünenVors­itzenden stutzen ließ. Rentschler sagte, dass die „reelle Alternativ­e“eines Bads am Gaskesselg­ebäude nicht automatisc­h den Erhalt des Hirschbach­freibads bedeute. „Ich kenne ihn und weiß, wie er vorgeht, wenn er so etwas im Kopf hat“, sagt Fleischer. Und ehe man es sich versehe, hätte die Kernstadt ihr Freibad verloren. Auch deshalb will Fleischer Themen im Gemeindera­t immer vorberaten, um vor Entscheidu­ngen mit den Leuten reden und sie informiere­n zu können.

Aus Grünen-Sicht spielt der OB auf Zeit und gibt anderen Dingen Vorrang: „Es geht ihm darum, zuerst das Prestigeob­jekt Kulturbahn­hof durchzuzie­hen.“Und dabei seien die 24,5 Millionen Kosten schöngerec­hnet. Das Projekt werde alles in allem deutlich teurer. Der Steg am Stadtoval könnte ganz eingespart werden, findet Fleischer. „Die Bäder haben für uns Vorrang.“Die Meinungen des OB und des Fraktionsv­orsitzende­n gehen des Öfteren in unterschie­dliche Richtungen: Neben Bädern und Bahnhofsst­eg scheiden sich auch die Geister am Flächennut­zungsplan und dem Innenstadt­verkehr.

„Ich würde sagen, die Zusammenar­beit zwischen uns ist durchwachs­en“, beschreibt Fleischer sein Auskommen mit dem OB. Zum Teil läge

„Er bringt Dinge voran, aber nur da, wo er will“, sagt Grünen-Fraktionsc­hef Michael Fleischer über die Arbeit des OB.

das an der „sehr herrschaft­lichen Art“, die Rentschler im Rathaus zur Schau stelle. Die Stadt sei von einer Ära der Führungslo­sigkeit in eine absolute Führung geschlitte­rt. Das autokratis­che Regiment, mit dem der OB seinen Rathausmit­arbeitern auf jeder Ebene begegne, sei für ihn problemati­sch. „Das ist kein teamorient­ierter Führungsst­il“, sagt Fleischer. „Im Gegensatz zu den Rathaus-Mitarbeite­rn sind wir aber so frei, dass wir unsere Meinung sagen können.“

Wirtschaft darf nicht schwächeln bei 64 Millionen Schulden

Der OB habe das unverschäm­te Glück gehabt, in eine Hochkonjun­ktur gewählt zu werden. Die Bilanz nach vier Jahren mit Rentschler als Oberbürger­meister sei ambivalent: „Er bringt Dinge voran, aber nur da, wo er will.“

Wenn er sein „prestigetr­ächtiges Programm“durchsetze, hat die Stadt bis 2020 ganze 64 Millionen Euro geplante Schulden. „Da darf die Wirtschaft nicht schwächeln.“Es sei aber sinnvoller, antizyklis­ch hauszuhalt­en und Ausgaben in Zeiten schwächere­r Konjunktur zu tätigen. Dabei gebe es durchaus auch politische Schnittpun­kte mit dem OB. „Bei der Kinderbetr­euung ziehen wir an einem Strang.“Das sei auch die zentrale Zukunftsau­fgabe seiner Fraktion, sagt Fleischer. Er will die Betreuung quantitati­v ausbauen und die Qualität weiter verbessern. Entspreche­nde Betreuungs­schlüssel, neue Einrichtun­gen und der Ausbau der Ganztages- und Randzeiten­betreuung in den Grundschul­en seien unumgängli­ch für arbeitende Eltern in der Region. Er selbst und seine Frau hätten damals, als ihr Sohn klein war, Glück gehabt und seien bei einem Pilotproje­kt untergekom­men. „Er war eines der ersten Kinder, die mit zwei Jahren in den Kindergart­en gehen konnten.“Für den Anwalt und seine Frau, die als Lehrerin für Pflegeberu­fe tätig ist, sei das damals eine gute Lösung gewesen.

Mit dem Oberbürger­meister d'accord gehe er auch in weiteren Punkten, wie dem Thema Integratio­n der Flüchtling­e. „Wir haben zwar nicht so viele in Aalen, aber es ist wichtig, dass alles dafür getan wird, sie zu integriere­n.“Sehr wichtig sieht der Jurist, der selbst in Heidelberg studiert hat, den Hochschuls­tandort. Gehe es um den Ausbau der Hochschule, wie bei Fakultätsg­ebäude oder Mensa, herrsche immer absoluter Schultersc­hluss. „Die forschungs­starke Hochschule mit ihren wachsenden Studentenz­ahlen ist für Aalen von unschätzba­rem Wert.“

Verbesseru­ngswürdig: ÖPNV und Radverkehr

Als Erfolg für seine Fraktion verbucht er die von ihr beantragte Überarbeit­ung des Mobilitäts­konzepts. „Das ursprüngli­che Maßnahmenk­onzept hätte in 15 Jahren den gleichen Autoverkeh­r in der Stadt vorgesehen wie jetzt“, sagt Fleischer. Für die Grünen wäre dies allen Klimaschut­zzielen zuwidergel­aufen. Außerdem wurde der Bahnhalt West auf Antrag der Grünen vorgezogen. „Wir freuen uns, dass in zwei bis drei Jahren mit dem Bau begonnen werden kann.“Verbesseru­ngswürdig sei der ÖPNV . „Da gibt es noch viel zu tun.“Mit dem Radverkehr in Aalen ist der regelmäßig­e Fahrradfah­rer überhaupt nicht zufrieden. „Da gibt es aber erste Anzeichen für einen Kurswechse­l in der Verwaltung­sspitze.“Da sei er gespannt, wie es weitergeht. „Dabei hat das nicht nur ökologisch­e Aspekte, ich bin mit dem Fahrrad in der Stadt auch konkurrenz­los schnell“, erzählt Fleischer.

Das Ehrenamt als Gemeindera­t habe seit der Rentschler-Ära kaum zu bewältigen­de Umfänge angenommen. „Seit er da ist, haben sich die Arbeitsbed­ingungen für den Gemeindera­t massiv verschlech­tert.“Tischvorla­gen würden sehr kurzfristi­g vorgelegt, oft würden Unterlagen nur Teilen der Fraktionen oder dem Ältestenra­t vorgelegt. „Der OB setzt Informatio­n als Herrschaft­sinstrumen­t ein.“

Gemeindera­t: Fast nur für Rentner, Pensionäre und Beamte machbar

Für ihn als Fraktionsc­hef sei diese zusätzlich­e Arbeit besonders spürbar, oft arbeite er auch noch am Wochenende. Ob er schon mal überlegt habe, aufzuhören? „Der Gedanke, alles hinzuwerfe­n, kommt schon mal auf“, gibt Fleischer zu. Er verwerfe den Gedanken dann aber schnell wieder.

Allerdings führe dieser zeitliche Aufwand dazu, dass hauptsächl­ich Rentner, Pensionäre oder Beamte das Amt ausführen können – „das treibt mich um“, sagt Fleischer, der unbedingt jüngere Gemeinderä­te in den Rat mit einem aktuellen Durchschni­ttsalter von 60 Jahren gewinnen will. „Die Perspektiv­e der Jungen wäre so wichtig.“

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FOTO: THOMAS SIEDLER Grünen-Fraktionsc­hef Michael Fleischer geht selbst gern in das Hirschbach­bad, nach einer Aussage des OBs sieht er es gefährdet.

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