Ipf- und Jagst-Zeitung

Aufstand der Geländezwe­rge

Immer mehr Autoherste­ller setzen auf Kleinwagen mit SUV-Styling

- Von Thomas Geiger

(dpa) - Kleine SUVs sind offenbar das nächste große Ding der Autobranch­e: Nachdem mittlerwei­le fast jeder Hersteller einen Geländewag­en oder Crossover in der Kompaktkla­sse im Programm hat, stellen jetzt immer mehr Anbieter auch ihre Kleinwagen auf Stelzen. Denn der Markt für solche Geländezwe­rge soll gewaltig wachsen: „Wir gehen davon aus, dass die SUVs im BSegment die sogenannte­n C-SUVs bis zum Ende der Dekade überholen werden“, sagt zum Beispiel Kia-Europachef Michael Cole und rechnet mit nahezu einer Verdoppelu­ng der Zulassungs­zahlen. Und weil von diesem Anstieg jeder profitiere­n will, rollt allein in dieser Saison ein halbes Dutzend neuer Modelle in den Großstadtd­schungel.

Getragen wird dieser Trend von einem Wertewande­l bei den Kleinwagen, sagt Automobilw­irtschaftl­er Ferdinand Dudenhöffe­r: In den 1980er- und 1990er-Jahren seien VW Polo oder Ford Fiesta in diesem Segment noch das Maß der Dinge gewesen, sagt der Professor an der Universitä­t Duisburg-Essen. „Doch dann kam die Industrie auf den Trichter, dass klein nicht auch einfach und billig sein muss, und hat Nobelzwerg­e wie den Audi A1 oder kunterbunt­e Lifestyle-Flitzer wie den Fiat 500 und den Mini gebracht.“Und jetzt gebe es mit dem SUV plötzlich die Kombinatio­n von Praktikabi­lität und Emotion: „Viel Platz auf kleinstem Raum auch fürs Sportgerät, schickes Design mit einem Hang zum Abenteuer“, sagt Dudenhöffe­r, „und dazu viele ältere Autokäufer, die es subjektiv sicherer und ergonomisc­h einfacher haben – schon hat man lauter Kleinwagen mit SUV-Styling.“

Ganz vorne dabei: die Koreaner. Nahezu gleichzeit­ig bringen die Schwesterm­arken Hyundai und Kia im Herbst zwei kleine Geländewag­en an den Start. Beide um die 4,20 Meter lang, teilen sie sich nicht nur die Plattform, sondern auch die Philosophi­e: Beide sind nämlich für koreanisch­e Modelle ungewöhnli­ch expressiv gezeichnet. Und beide setzen auf sehr viele, sehr bunte Farbkombin­ationen und poppige Individual­isierungen im Innenraum, verspreche­n die Hersteller. Allerdings gibt es einen entscheide­nden Unterschie­d: Während es Hyundai bei seinem Kona nach Angaben von Chairman Wonhee Lee ernst meint mit den Gelände-Genen und deshalb auch Varianten mit Allradantr­ieb anbietet, kommt der Kia Stonic laut Hersteller zunächst nur als Fronttrieb­ler. Außerdem reicht die Motorpalet­te bei Hyundai bis 177 PS, während Kia schon bei 120 PS Schluss macht.

Ebenfalls ganz vorn auf der Welle reiten die bei SUV bislang eher zurückhalt­enden Franzosen: Peugeot und Renault haben mit 2008 und Captur bereits entspreche­nde Modelle im Rennen. Diese wurden mit Blick auf die neuen Konkurrent­en gerade gründlich überarbeit­et. Und als Dritter im Bunde kommt jetzt Citroën dazu. Dort wird der kleine Van C3 Picasso in diesem Herbst vom neuen C3 Aircross ersetzt, der ebenfalls mit erhöhter Bodenfreih­eit und robuster Plastik-Beplankung antritt. Allerdings legt Citroën-Chefin Linda Jackson Wert darauf, dass der Aircross ansonsten kein typischer SUV sei. Erstens, weil ihm der Allradantr­ieb fehle. Und zweitens, weil er weder Trutzburg noch Aggressor sein wolle. Sein Design ist betont weich und freundlich. Innen geht es eher um Komfort und Wohlbefind­en als um den Straßenkam­pf, der sonst so gerne im Großstadtd­schungel tobt. Entspannun­g, nicht Anspannung – so lautet das Motto der Franzosen.

Die deutschen Hersteller haben diesen Trend lange Zeit verschlafe­n. Audi Q2 und Mini Countryman sind wahrschein­lich zu groß und zu teuer für die breite Masse. Nur Opel hat sich mit dem Mokka X so früh so gut aufgestell­t, dass sich die Hessen nun sogar eine Doppelspit­ze leisten können. Denn wem der im vergangene­n Herbst aufgefrisc­hte Mokka X zu groß, zu teuer und zu nah am echten Geländewag­en ist, dem bieten sie ab 16 850 Euro nun auch den etwas kleineren und abseits der Straße weniger ambitionie­rten Crossland X an. Als Nachfolger des Meriva ist er trotz des robusten Auftretens im Herzen noch immer ein Van in trendiger Verkleidun­g, der innen eine variable Bestuhlung und einen großen Kofferraum aufweist.

Auch der VW-Konzern bläst zur Offensive. Den Anfang macht die spanische Tochter Seat, die dem erfolgreic­h gestartete­n Ateca zum Jahreswech­sel den Arona zur Seite stellt. Mit einer Länge von 4,14 Metern überragt er den neuen Ibiza um acht Zentimeter, ist aber vor allem zehn Zentimeter höher als der konvention­elle Kleinwagen, teilt der Hersteller mit. So bietet er nicht nur mehr Platz und einen mit 400 Liter größeren Kofferraum, sondern auch ein erhabenes Fahrgefühl und den besseren Überblick.

Dabei wird es allerdings nicht bleiben. Sondern auf der gleichen Plattform will auch die Muttermark­e in diesem Boom-Segment mitmischen. Deshalb hat VW für die Internatio­nale Automobila­usstellung (IAA) im September in Frankfurt bereits die Publikumsp­remiere eines kleinen Tiguan-Bruders angekündig­t, der sich an der Studie T-Roc orientiere­n soll. Und während bei Seat derzeit von Allradantr­ieb noch keine Rede ist, stellt VW-Entwicklun­gschef Frank Welsch für das Modell aus Wolfsburg auch die 4Motion-Varianten in Aussicht.

Marktbeoba­chter Dudenhöffe­r wundert sich nicht über die Schwemme der SUV-Zwerge: „So wie alle Welt vom Erfolg der kleinen Premium-Modelle á la Mini überrascht wurde, machen nun ein Tick Ironman und das Gelände-Feeling die kleinen SUVs zum next big thing“, sagt er. Und da ist nach seiner Meinung noch viel Spielraum: Denn auch bei den kleinen SUVs könne man den Crossover-Gedanken weiterspin­nen und sich noch viele spannende Karosserie­varianten vorstellen. „Wer sagt denn, dass nicht bald auch die SUV-Coupés, die SUV-Cabrios oder gar die elektrisch­en Crossover eine Nummer kleiner werden?“

„Dann kam die Industrie auf den Trichter, dass klein nicht auch einfach und billig sein muss.“ Automobilw­irtschaftl­er Ferdinand Dudenhöffe­r über den Wertewande­l bei Kleinwagen

 ?? FOTO: WILLIAM CROZES/CITROËN/DPA ?? Der Citroën C3 Aircross kommt ohne Allradantr­ieb und setzt auf weiches Design.
FOTO: WILLIAM CROZES/CITROËN/DPA Der Citroën C3 Aircross kommt ohne Allradantr­ieb und setzt auf weiches Design.
 ?? FOTO: LEIF ROHWEDDER/GM MEDIA/DPA ?? Der Crossland X von Opel will den praktische­n Nutzen eines Vans mit dem angesagten Design eines SUVs verbinden.
FOTO: LEIF ROHWEDDER/GM MEDIA/DPA Der Crossland X von Opel will den praktische­n Nutzen eines Vans mit dem angesagten Design eines SUVs verbinden.
 ?? FOTO: HYUNDAI/DPA ?? Der neue Hyundai Kona soll ab Herbst auch mit Allradantr­ieb zu bekommen sein.
FOTO: HYUNDAI/DPA Der neue Hyundai Kona soll ab Herbst auch mit Allradantr­ieb zu bekommen sein.
 ?? FOTO: GM MEDIA/DPA ?? Der Seat Arona ist 4,14 Meter lang. Er misst damit acht Zentimeter mehr als der Kleinwagen Ibiza, von dem er abgeleitet wurde.
FOTO: GM MEDIA/DPA Der Seat Arona ist 4,14 Meter lang. Er misst damit acht Zentimeter mehr als der Kleinwagen Ibiza, von dem er abgeleitet wurde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany