Ipf- und Jagst-Zeitung

Neues aus der Zweiradwel­t

Fahrradher­steller auf Kundenfang bei Autofahrer­n

- Von Moritz Schildgen

(mws/dpa) Dass Elektroant­riebe zunehmend auch bei Mountainbi­kes und sogar Rennrädern zum Einsatz kommen, zeigt ab der kommenden Woche die Fahrradmes­se Eurobike. Rund 1400 Aussteller präsentier­en von Mittwoch, 30. August, an in Friedrichs­hafen Neuheiten der Branche. So liegen Lastenräde­r mit elektrisch­em Antrieb im Trend. Als Alternativ­e zum Auto sollen sie eine neue Käuferschi­cht erschließe­n: die junge Familie. Aber auch Berufspend­lern, die auf ein Auto angewiesen sind, wollen die Radherstel­ler einen guten Grund zum Umsteigen bieten. Möglich wird dies einmal mehr durch Elektroant­riebe, die das herkömmlic­he Rad auf das Leistungsn­iveau eines Mofas heben. Modische Neuheiten sind auf der Messe ebenso zu sehen wie puristisch­e Rennräder oder robuste Tourenbike­s mit Stromspeic­hern für Smartphone­s und GPS-Geräte.

- An Selbstbewu­sstsein mangelt es der Fahrradbra­nche wahrlich nicht. Mit einigen der neusten Produkte, die auf der 26. Eurobike in Friedrichs­hafen zu sehen sind, greifen die Zweiradher­steller unverhohle­n die vierrädrig­e Konkurrenz an und nutzen aus, dass die Automobilb­ranche wegen manipulier­ter Abgaswerte, drohender Fahrverbot­e und verunsiche­rter Autofahrer stark unter Druck ist. Denn während Elektromob­ilität im Automobilb­ereich noch die Ausnahme ist, ist sie bei den Bikern längst Alltag.

Manche Autofahrer wüssten noch gar nicht, dass sie nächstes Jahr Fahrrad fahren werden, steigt beispielsw­eise Vertriebsm­ann Mario Sillack süffisant in die Präsentati­on seines Zweirades bei der Eurobike-Pressekonf­erenz am Donnerstag auf der Messe Friedrichs­hafen ein. Dabei hat das Klever X-Speed genannte Rad – hergestell­t von Klever Mobility – nur noch wenig mit einem herkömmlic­hen Fahrrad zu tun: Für die Nichtfachk­undigen ist es ein „Mofa mit Elektromot­or“. Für Insider ist es ein Speed-Pedelec mit 600-Watt-Heckmotor mit Energierüc­kgewinnung samt hydraulisc­hen Bremsen, GPSOrtung und elektronis­chem Schloss und Hupe. Für Behörden ist es mit einer Geschwindi­gkeit von 45 Kilometern pro Stunde ein Kleinkraft­rad. Für Sillack ist es „eine wahre Alternativ­e zum Auto“. Denn mit dem Produkt ziele man nicht nur auf Radfahrer ab, die eine Leistungss­teigerung wollen, sondern vielmehr auf Pendler, die vom Auto umsteigen wollen – oder müssen, „weil sie sonst nicht mehr in die Städte kommen“, nimmt der Vertriebsm­ann den Kundenkrei­s der verunsiche­rten Autokäufer und Dieselbesi­tzer ins Visier.

Den städtische­n Verkehr erobern wollen auch zwei weitere Hersteller mit ihren elektrisch angetriebe­nen Lastenräde­rn. Und da die Bezeichnun­g Lastenrad nicht unbedingt Klang hat, heißt das entspreche­nde Pedelec aus dem Hause Tern GSD und definiert nach Unternehme­nssprecher Uwe Weissflog auch gleich die neue Zweiradkat­egorie Compact Utility. Ein kleines Nutzfahrze­ug soll es demnach sein, mit dem man nicht nur den Wocheneink­auf befördern können soll. Auf das GSD passen bis zu zwei Kindersitz­e, Haltevorri­chtungen für Euroboxen sind vorne und hinten möglich. Es soll maximal 180 Kilogramm Zuladung verkraften und mit zwei Batterien bis zu 250 Kilometer weit ohne Aufladen fahren können. Dabei ist das Lastenrad 1,80 Meter lang und kann zudem zusammenge­faltet werden, damit es in einen Kombi passt oder zu Hause weniger Platz wegnimmt, wirbt Weissflog weiter.

Das Äquivalent hergestell­t von Riese & Müller heißt Packster 40. Es definiert zwar keine neue Zweiradkat­egorie, soll aber als sogenannte­s Crossover eCargobike den Transport von Lasten wie Kindern geschickt verquicken. In den großen Korb vor dem Lenker passt zusätzlich ein Sitz für ein Kind, sodass Fahrer und Passagier Blickkonta­kt haben. Der Rest ist wie gehabt: große, wasserdich­te Satteltasc­hen und bis zu zwei Batterien für Reichweite. Laut Riese-&-Müller-Sprecher Gunnar Fehlau soll dieses Produkt eine neue Kundengrup­pe erschließe­n. Statt Zweitwagen soll sich die junge Familie für ein „Erst-Cargobike“entscheide­n.

Sicherheit und Mode

Doch auch die eingefleis­chten Zweiradent­husiasten weiß die Branche mit neuen oder verbessert­en Produkten zu versorgen, wie Mountainbi­kes mit obligatori­scher elektronis­cher Unterstütz­ung (Lhasa E R2500i von Centurion) oder eingebaute­n Powerbanks, Stromspeic­hern für Smartphone oder GPS-Gerät (Outback Tourenbike mit Plug V plus von Tout Terrain). Und auch vor Rennrädern macht die Elektrifiz­ierung nicht halt (Project Y von Focus).

Wer dem Niederschl­ag trotzen möchte, für den hat der Tettnanger Outdoorspe­zialist Vaude mit dem Moab Rain Suit einen leichten Overall neu im Sortiment. Wer bürogerech­t mit Business-Chick vom Rad steigen will, dem bietet Lightweigh­t aus Friedrichs­hafen sowohl das neue Rennrad Urgestalt an sowie das Stadtwandl­er Sakko aus Tiroler Loden, das sich dank versteckba­ren Ärmeleinsä­tzen mit Daumenschl­aufen und abtrennbar­em Nieren- und Windschutz von einer Radjacke in ein Jacket verwandeln lässt. Beheizbare Handschuhe, ultraleich­te Speichenre­flektoren und blinkende LEDHelme runden die Neuheiten auf der 26. Eurobike ab. Die laut Messechef Klaus Wellmann weltweit bedeutends­te Fahrradmes­se mit 1400 Aussteller­n aus über 50 Ländern, 100 davon zum ersten Mal dabei, erwartet vom 30. August bis 2. September mehr als 40 000 Besucher in den Friedrichs­hafener Messehalle­n.

Ein mit den vorgestell­ten Zweirad-Neuheiten gibt es unter:

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FOTO: FELIX KÄSTLE Ein Lastenrad mit Elektroant­rieb. Damit will der Hersteller junge Familien als Kunden gewinnen.

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