Ipf- und Jagst-Zeitung

Hier erzählt man sich die Story vom Pferd

200 Jahre Araberzuch­t: Gestüt Marbach blickt auf eine lange Tradition zurück

- Von Kathrin Fromm

Pferde sind auch bloß Menschen“, sagt Sabine Weissinger. Gleich mehrfach fällt dieser Satz bei ihrer Führung durch das Haupt- und Landesgest­üt Marbach. Und je mehr man sieht und erfährt, desto klarer wird einem: Da könnte durchaus etwas dran sein, zumindest an diesem Ort, so individuel­l wie die Tiere hier behandelt werden.

Im ersten Stall geht es vorbei an Chippendal­e, Hundertwas­ser und Maximus. Jedes Pferd hat ein Namensschi­ld, auf dem neben dem Geburtsjah­r auch Mutter und Vater verzeichne­t sind. Außerdem hängt ein spezieller Menüplan an der Box. Manche Tiere bekommen Müsli, bei anderen steht eher Heu oder Hafer auf dem Speiseplan. „Weiß eigentlich jemand, warum es heißt, dass einen der Hafer sticht?“, fragt Weissinger bei dieser Gelegenhei­t mit einem Schmunzeln und gibt die Antwort gleich selbst: „Weil Hafer schnelle Energie liefert.“Die humorvolle Rundgangsl­eiterin ist bekennende­r Pferdenarr, züchtet sogar selbst und arbeitet seit mehr als zehn Jahren in Marbach.

Idyllisch liegt das Gestüt im Lautertal, mit seinen zahlreiche­n Ställen, den Reithallen und Werkstätte­n wirkt es wie ein kleines Dorf. Die Führung beginnt direkt im Hof, am Stutenbrun­nen. Rundherum gruppieren sich zahlreiche denkmalges­chützte Gebäude, schließlic­h ist Marbach mit seiner mehr als 500-jährigen Geschichte das älteste staatliche Gestüt Deutschlan­ds. Der Nachteil der alte Gemäuer: Nichts darf verändert werden. „In den alten Ställen gibt es keine großen Fenster, auch wenn es schön wäre für Tier und Reiter“, erklärt Weissinger. Wie das aussehen kann, zeigt sie später in einem der modernen Ställe, wo es auch Dusche und Solarium fürs Pferd gibt.

Dort wird gerade ein Araberheng­st von einem angehenden Pferdewirt gestriegel­t. „Oh, das glänzt“, sagt Weissinger und kommt ins Schwärmen: „Das ist ein Vollblut, das sind die mit Temperamen­t. Hochsensib­el, ganz speziell und wunderschö­n.“Die Araber feiern gerade ein besonderes Jubiläum. Seit 200 Jahren gibt es die Zucht, es war die erste außerhalb des Orients. König Wilhelm I. von Württember­g begann damit 1817 und legte in seinem Testament fest, dass die Arbeit fortgeführ­t werden muss. Und so ist es bis heute. Daneben gibt es noch zwei weitere seltene Rassen auf dem Gestüt: die Altwürttem­berger und die Schwarzwäl­der Kaltblüter.

Insgesamt gehören um die 520 Pferde zum Gestüt, in Marbach selbst leben allerdings nur rund 120 davon. Die Jungtiere und die Rentner sind an zwei anderen Standorten auf der Schwäbisch­en Alb untergebra­cht. Aber auch so gibt es genug zu sehen, die verschiede­nen Kutschen zum Beispiel und die Führanlage, eine Art Karussell, in der die Tiere zu Ausbildung­szwecken im Kreis gehen. Nebenbei erfährt man jede Menge über die Vierbeiner. „Wissen Sie, dass Schimmel nicht weiß geboren werden? Sie haben nur eine weiße Umrandung um die Augen, die sogenannte Brille“, erklärt Weissinger. Auch über die verschiede­nen Rassen, die Prüfungen der Tiere und Details zum Liebeslebe­n klärt sie die Besucher auf. Im Vorbeigehe­n zeigt die Pferdenärr­in auf die große Reithalle: „Da findet im Frühling immer die Auktion statt.“Der andere Pflichtter­min in Marbach sind die Hengstpara­den im Herbst. Bis zu 10 000 Zuschauer kommen dafür in die Arena.

Aber auch an allen anderen Tagen lohnt es sich, im Gestüt vorbeizusc­hauen. Besucher können auf eigene Faust in fast alle Ställe einen Blick werfen. Fotografie­ren ist ebenso erlaubt wie streicheln. Bei einer Führung lernt man darüber hinaus aber auch noch allerhand Menschen und Tiere kennen, zumindest wenn man mit Sabine Weissinger unterwegs ist. Egal, wer gerade vorbeigeht oder -trabt, wird vorgestell­t, der Azubi in der Kutsche genauso wie das Reiterduo auf dem Hof.

So ist es auch kein Wunder, dass es doch etwas länger als eine Stunde dauert, bis die Runde an der Weide mit den Stuten und den Fohlen endet. Die Besucher können wohl auch nicht genug kriegen, so scheint es. Denn einige stehen eine halbe Stunde später immer noch dort und beobachten die Tiere.

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FOTOS: KATHRIN FROMM Sabine Weissinger (beim Pferd) führt Besucher unter anderem zu den Ställen des Gestüts.
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Vor allem Kinder mögen sich von den Pferden gar nicht verabschie­den.

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