Ipf- und Jagst-Zeitung

Standortfa­ktor Familie

- Von Katja Korf k.korf@schwaebisc­he.de

Die Reaktionen hätten unterschie­dlicher nicht sein können. Baden-Württember­gs Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) äußerte sich stolz über den Spitzenpla­tz bei der Kinderbetr­euung. Bayerns Familienmi­nisterin Emilia Müller (CSU) warf der Bertelsman­n Stiftung vor, die entspreche­nde Studie sei nicht seriös. Kein Wunder, schnitt der Freistaat bei der Untersuchu­ng doch schlechter ab als der westdeutsc­he Schnitt.

Doch beide Ministerin­nen lassen einen Teil der Wahrheit aus. Ginge es nach den Eltern, müssten sowohl Baden-Württember­g als auch Bayern erheblich mehr Betreuungs­plätze für kleine Kinder schaffen. Laut Umfragen in beiden Bundesländ­ern wollen mehr als 40 Prozent der befragten Väter und Mütter einen Platz für ihre Söhne und Töchter. Betreut wurden aber nur etwas mehr als 27 Prozent. Zwischen Nachfrage und Angebot klaffen also Lücken. Diese mögen regional unterschie­dlich sein, aber die Tendenz ist klar: Der Bedarf an Plätzen steigt überall.

Gerne verweisen vor allem Unionspoli­tiker darauf, dass abseits der Metropolen andere Regeln gelten würden. Dort seien Familien noch intakt, dort könnten Großeltern auf die Kleinen aufpassen. Doch das verkennt die gesellscha­ftliche Realität. Denn die Nachfrage ist gerade in jenen Regionen Süddeutsch­lands groß, die sich selbst für ihre Wirtschaft­skraft rühmen und die einen Einwohnerz­uwachs verzeichne­n. Wer wegen eines Jobs durch ganz Deutschlan­d umzieht, lässt sein soziales Umfeld zurück. Gerade jene Familien benötigen staatlich geförderte Angebote. Nicht umsonst richten Mittelstän­dler Kinderkrip­pen ein. Der Kampf um Fachkräfte entscheide­t sich längst unter anderem an der Frage, wie attraktiv ein Standort für Vater, Mutter, Kind ist.

Deswegen ist die Haltung, der ländliche Raum benötige weniger Kitas, geradezu trotzig. Sie bedient lediglich jenes Wählerklie­ntel, das frühe Kinderbetr­euung per se ablehnt. Mit familienfr­eundlicher, zukunftswe­isender Politik hat diese Argumentat­ion jedoch überhaupt gar nichts zu tun.

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