Ipf- und Jagst-Zeitung

Berufung könnte ohne Urteil enden

Verhandlun­g gegen ehemaligen Bad Wurzacher Kurdirekto­r: Richter regt Rücknahme beider Anträge an

- Von Steffen Lang

- Das Berufungsv­erfahren gegen den ehemaligen Bad Wurzacher Kurdirekto­r Michael N. könnte ohne Urteil enden. Der Vorsitzend­e Richter Axel Müller hat zum Verhandlun­gsauftakt am Montag Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng dazu angeregt, ihre Berufung zu überdenken.

„Wir schlafen mal alle drüber“, sagte Müller am Ende eines fast achtstündi­gen Verhandlun­gstags. Der Staatsanwa­ltschaft würde „sicherlich nicht das Herz bluten“, wenn es beim erstinstan­zlichen Urteil von einem Jahr und fünf Monaten auf Bewährung bliebe, so Müller mit Blick auf Oberstaats­anwalt Peter Vobiller. Die Staatsanwa­ltschaft hatte das Urteil als zu mild angesehen und daher Berufung eingelegt.

An den angeklagte­n 59-jährigen Michael N. gewandt, ließ Müller deutlich durchblick­en, dass dieser in seinen Augen die Bewährung aufs Spiel setzt: „Ich vermisse im Urteil eine klare Aussage, welche besonderen Umstände zur Bewährung geführt haben.“N. war im April dieses Jahres vom Amtsgerich­t Wangen unter anderem wegen Betrugs in einem schweren Fall und Urkundenfä­lschung verurteilt worden. Der Angeklagte hat gestanden, sich bei der Bewerbung zum Geschäftsf­ührer der städtische­n Kurbetrieb­e in Bad Wurzach 2015 als Diplom-Kaufmann und Diplom-Psychologe mit Promotion ausgegeben zu haben. In Wirklichke­it hat N. keinen Universitä­tsabschlus­s.

Durch den so zustande gekommenen Arbeitsver­trag hatte er in den folgenden zwölf Monaten bis zu seiner Entlassung im August 2016 rund 88 000 Euro an Gehalt kassiert. Dies sah das Amtsgerich­t als schweren Betrug an. Die Verteidigu­ng sieht dies jedoch anders. Sie argumentie­rt, der Angeklagte habe die dafür erforderli­che Leistung erbracht.

In der Verhandlun­g am Montag hatten N. und sein Rechtsanwa­lt Jens Bühner zunächst einen Befangenhe­itsantrag gegen Richter Müller gestellt. Diesen zogen sie nach den mit lauter Stimme getroffene­n Ausführung­en von Richter Müller und einer kurzen Beratung zurück.

Vorausgega­ngen war, dass Bühner am vergangene­n Donnerstag dem Gericht ein Attest von N.’s Hausarzt zusandte. Das besagte, dass der Angeklagte aufgrund seiner Herzerkran­kung und einer Diabetes nicht reise- und verhandlun­gsfähig sei. Richter Müller ließ N. an seinem Wohnort Köln daraufhin von der Polizei beim Amtsarzt vorführen. Dieser bescheinig­te eine uneingesch­ränkte Verhandlun­gs- und Reisefähig­keit, sofern der Angeklagte nicht selbst fahre.

Im weiteren Verlauf der Verhandlun­g sagten der damals ermittelnd­e Polizist, der damalige Personalra­tsvorsitze­nde der Kurbetrieb­e, eine Angestellt­e der Kurbetrieb­e, Bad Wurzachs Bürgermeis­ter Roland Bürkle und die Ärzte Gudrun Müller und Professor Eckart Jacobi aus. Die beiden Mediziner hatten zusammen mit einem weiteren Kollegen N.’s Schwindel mit den gefälschte­n Universitä­tsabschlüs­sen und der Promotion in privaten Recherchen aufgedeckt und zur Anzeige gebracht.

Verfahren auch beim Arbeitsger­icht

„Wir schlafen mal alle drüber.“

Am Rande wurde bekannt, dass die Stadt Bad Wurzach vor dem Arbeitsger­icht Michael N. wegen des ihr entstanden­en Schadens verklagt hat. N. hatte einen Laptop, ein IPhone und Tresorschl­üssel nach seiner Entlassung nicht zurückgege­ben. Außerdem hatte er ein Auto angemietet, für das die Stadt etwa 2800 Euro zahlen musste. Das Gericht hat einen Vergleich in Höhe von 9000 Euro vorgeschla­gen, die nächste Verhandlun­g ist im Dezember.

Die Verhandlun­g am Landgerich­t Ravensburg wird am Dienstag um elf Uhr fortgesetz­t – falls nicht beide Seiten ihre Berufung vorab zurückzieh­en.

Sollte dies nicht passieren, so Müller, könne er sich auch vorstellen, die Vorgänge bei früheren Anstellung­en von N. zu überprüfen, beispielsw­eise an der Eifelhöhen­klinik in Marmagen.

Der Vorsitzend­e Richter am Landgerich­t, Axel Müller

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FOTO: DPA Michael N. war Kurdirekto­r in Bad Wurzach – er soll sich Posten mit falschen Zeugnissen erschliche­n haben.

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