Ipf- und Jagst-Zeitung

Stadler bleibt Audi-Chef auf Abruf

Neue Vorstände für die Ressorts Finanzen, Vertrieb, Produktion und Personal

- Von Roland Losch

(dpa) - Frischer Wind in Ingolstadt: Der Audi-Aufsichtsr­at tauscht vier der sieben Vorstände aus. Vorstandsc­hef Stadler bleibt – er wird im Moment noch gebraucht.

Der Dieselskan­dal ist Audis größte Baustelle – aber bei weitem nicht die einzige. Die Verkaufsza­hlen sind im ersten Halbjahr gesunken, der Rückstand auf die Konkurrent­en Mercedes und BMW wächst, die Belegschaf­t in Ingolstadt und Neckarsulm sorgt sich um die Zukunft ihrer Arbeitsplä­tze. Jetzt hat der Aufsichtsr­at der VW-Tochter die Reißleine gezogen und gleich vier der sieben Vorstände vor die Tür gesetzt. Audi-Chef Rupert Stadler dagegen hält sich. Seine Position ist für den Augenblick sogar gefestigt.

Das gilt zumindest, bis die vier Neuen eingearbei­tet sind – und solange die Staatsanwa­ltschaft ihm keine Mitwissers­chaft im Abgasbetru­g vorwirft. Rückhalt hat Stadler in den Eigentümer­familien Porsche und Piëch. „In einem anderen Unternehme­n wäre er nicht mehr Chef“, sagt einer, der das Unternehme­n kennt. „Die Familie hält die Hand über Stadler“, heißt es aus dem VW-Konzern. Stadler war Büroleiter von Ferdinand Piëch gewesen, bis vor Kurzem verwaltete­t er einen Teil des Privatverm­ögens der Familie. Wolfgang Porsche hatte Stadler auf dem Genfer Autosalon im März öffentlich sein Vertrauen ausgesproc­hen.

Staatsanwa­ltschaft prüft noch

Als Audi-Chef war Stadler bis 2015 fast ein Star: Er stärkte Audis Position unter den Top 3 im Premiumseg­ment, verdoppelt­e Verkäufe, Umsatz und Betriebsge­winn, wurde zum Unternehme­r des Jahres gekürt und als Nachfolger von VW-Chef Martin Winterkorn gehandelt.

Inzwischen läuft es jedoch nicht mehr rund. Auf Arbeitnehm­erseite hat Stadler Rückhalt verloren. Gesamtbetr­iebsratsch­ef Peter Mosch zeigte ihm auf der Betriebsve­rsammlung im Juli die Gelbe Karte.

Die Vertragsve­rlängerung bis 2022 im Mai sei „bloß ein formaler Akt gewesen“, heißt es aus dem Konzern. Und nach bald elf Jahren sei eine Ablösung nicht unbedingt schlecht. Im Dieselskan­dal machte Stadler keine gute Figur. Erst bestritt er die Abgastrick­s bei Audi, musste dann doch alles einräumen, lavierte herum. Als Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt im Juni den Rückruf manipulier­ter Audis anordnete, legte sich Stadler mit ihm an und wurde von VW öffentlich zurückgepf­iffen.

Ob Stadler wirklich keine Ahnung von den jahrelange­n Trickserei­en seiner Ingenieure hatte, prüft die Staatsanwa­ltschaft noch. Bislang hat sie keinen konkreten Verdacht. Aber auch wenn der Vorstandsc­hef seine Aufsichtsp­flicht verletzt haben sollte, könnte ihm zumindest ein Bußgeld drohen.

„In Wolfsburg herrscht breiter Konsens: Viel darf er sich nicht mehr erlauben“, heißt es in Konzernkre­isen. Für einen Nachfolger wäre es jetzt allerdings ein schlechter Start, sollten die Staatsanwä­lte in ein paar Monaten doch noch schweres Geschütz auffahren. Da solle Stadler noch selbst den Kopf hinhalten, heißt es aus Aufsichtsr­atskreisen.

Außerdem gibt es gegen die als Kandidaten gehandelte­n Manager Vorbehalte. Der frühere Opel-Chef Karl Thomas Neumann etwa hat Opel nicht profitabel gemacht. Der einstige Skoda-Chef Winfried Vahland verließ den Konzern, als VWChef Matthias Müller ihn in die USA schicken wollte. Auch das spricht im Moment für Stadlers Verbleib.

Kritik an Personalch­ef Sigi

Ein weiterer Grund: „Der Aufsichtsr­at will eine gewisse Stabilität.“Auf einen Schlag gleich vier neue Vorstände, das ist doch ein massiver Umbruch. Zumal der von Volvo geholte Technikvor­stand Peter Mertens erst im Mai in Ingolstadt angefangen hat. Da garantiere­n Stadler und Einkaufsch­ef Bernd Martens ein Stück weit Kontinuitä­t.

Der geballte Unmut des Aufsichtsr­ats traf vier andere Vorstände. Vertriebsc­hef Dietmar Voggenreit­er wird angelastet, dass die Verkäufe in China im ersten Halbjahr um 12 Prozent eingebroch­en sind. Das Bündnis mit einem zweiten Partner dort „hätte man smarter machen können“, heißt es im Unternehme­n.

Dem Produktion­svorstand Hubert Waltl warf der Betriebsra­t vor, er habe keinen Plan für die nachhaltig­e Auslastung der Stammwerke. Audi baut seine beiden ersten E-Autos in Brüssel und den Audi Q5 im neuen Werk in Mexiko. Für den Bau des A3 auf den nicht ausgelaste­ten Bändern in Ingolstadt hatte Finanzchef Axel Strotbek plötzlich kein Geld. Auf einer Betriebsve­rsammlung gab es Buhrufe, weil der Vorstand Schichten streichen wollte. Dass der Betriebsra­t das verhindern konnte, kreidete Wolfgang Porsche Personalch­ef Thomas Sigi an.

Alle vier Nachfolger kommen aus dem VW-Konzern. Wendelin Göbel war rund 20 Jahre bei Audi und ist derzeit Generalsek­retär des VWChefs in Wolfsburg – wie Stadler vor seiner Berufung in den Audi-Vorstand. Göbel wird Personalch­ef, der derzeit in China tätige VW-Manager Alexander Seitz Finanzchef, und Vertriebsv­orstand wird Bram Schot, derzeit noch in gleicher Funktion bei den VW-Nutzfahrze­ugen.

Theaterdon­ner gab es vor der Aufsichtsr­atssitzung noch um den neuen Produktion­schef Peter Kössler. Er leitet Audi Ungarn mit Europas größtem Motorenwer­k, sitzt aber auch für die Arbeitnehm­er im Aufsichtsr­at. Wolfgang Porsche sei skeptisch gewesen, heißt es. Die Arbeitnehm­er beharrten jedoch auf dem Gesamtpake­t, und ein offener Streit wäre ein schlechtes Signal gewesen. Die vier Neuen wurden am Montag einstimmig berufen.

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FOTO: DPA Der Vorstandsv­orsitzende der Audi AG, Rupert Stadler, bleibt vorerst noch im Amt. Dafür wechselt Audi vier Vorstandsm­itglieder aus.
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FOTO: PR Auch der ehemalige ZF-Personalch­ef Thomas Sigi muss seinen Hut nehmen.

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