Ipf- und Jagst-Zeitung

Wissenscha­ftler fordert Erneuerung des Islam

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(epd) - Viele Imame oder Gelehrte in den Moscheen befinden sich nach Einschätzu­ng des Islamwisse­nschaftler­s Abdel-Hakim Ourghi „in ihrem Denken noch im elften Jahrhunder­t“. Seit dieser Zeit machten sie nichts anderes, als das gleiche Wissen zu reproduzie­ren, kritisiert­e der Leiter der Islamische­n Theologie an der Pädagogisc­hen Hochschule in Freiburg in einem Gespräch mit dem Evangelisc­hen Pressedien­st (epd). Das hänge mit dem Ende der Ratio-Schule zusammen, die zwischen dem neunten und elften Jahrhunder­t dafür warb, den Glauben mit Hilfe der Vernunft zu verstehen.

Die Gelehrten der Ratio-Schulen „waren die Vertreter der Freiheit des Menschen“, so beschreibt es der Mitgründer der liberalen Ibn RushdGoeth­e Moschee in Berlin. „Aber diese Gelehrten haben auch eine Art Inquisitio­n erlebt.“Ihre Bücher seien verbrannt und sie selbst verfolgt worden. „Und solche RatioSchul­en werden von uns Muslimen vergessen“, erklärt Ourghi. „Man erinnert nur an den sogenannte­n konservati­ven Islam, der die Anwendung der Vernunft als Unglaube betrachtet.“

Der Mediziner und Philosoph Ibn Rushd (1126-1198) sei mit ähnlichen Ideen „sehr unangenehm“für konservati­ve Gelehrte seiner Zeit gewesen, sagt der Freiburger Islamwisse­nschaftler. „Seine Ideen und sein Diskurs waren eine Gefahr für den etablierte­n konservati­ven Islam.“

„Wir Muslime waren nie in der Lage, den Islam aufzukläre­n“, kritisiert Ourghi. Sie hätten nie den Mut gehabt, den Islam infrage zu stellen. „Das hat damit zu tun, dass die Muslime, besonders im Westen, den Islam als letzten Anker für ihre kollektive Identität betrachten“. Deshalb hätten viele Menschen auch eine „unbeschrei­bliche Angst vor der Reform des Islam“.

Das erkläre zum Teil auch die Reaktionen aus konservati­ven Kreisen auf die Gründung der Ibn RushdGoeth­e Moschee Mitte Juni in Berlin. Sie steht Angehörige­n aller Religionen ebenso wie Atheisten offen. Männer und Frauen beten dort gemeinsam. Zurzeit ist die Gründung einer liberalen Moscheegem­einde auch in Freiburg geplant.

Von konservati­ven Muslimen wird Mitgründer­in Seyran Ates massiv angefeinde­t. Die türkische Religionsb­ehörde Diyanet bezeichnet­e die Moschee als ein Projekt der von Ankara als terroristi­sch eingestuft­en Gülen-Bewegung. Die ägyptische Fatwa-Behörde sprach von einem Angriff auf den Islam. Ates erhielt Morddrohun­gen und steht unter Polizeisch­utz.

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FOTO: PH FREIBURG Abdel-Hakim Ourghi

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