Fusion der Kinderkliniken sorgt für Aufregung
Kritiker sehen Standort in Aalen geschwächt – Kreis und Klinikleitung wollen Kapazitäten bündeln
- Am Wochenende wurde Landrat Klaus Pavel mehrmals von Müttern angesprochen, erzählt er. Das Thema war immer dasselbe: Die anstehende Fusion der Kinder- und Jugendmedizin der beiden Standorte in Aalen und Mutlangen.
Das Thema ist hochgekocht – dabei seien die Informationen, die in der Öffentlichkeit angekommen sind, nur bedingt richtig, sagt Pavel. Er arbeitet derzeit mit einem Team das Thema weiter aus und will Verunsicherungen beseitigen.
Beatmung von Babys soll in Aalen weiterhin möglich sein
Die Kinderklinik in Aalen werde durch die Fusion kastriert, drückt es eine Anruferin in der Redaktion der Aalener Nachrichten drastisch aus. Sie wolle vom Landrat wissen, wo sie ihr Kind hinbringen solle, falls es beispielsweise in ein diabetisches Koma falle oder eine schwere Lungenentzündung bekäme, ob sie dann zur Beatmung nach Ulm oder Mutlangen fahren solle.
Nein, beschwichtigt der Landrat: Es werde auch in Zukunft eine voll funktionsfähige Kinderklinik in Aalen geben. Ob bei Schwierigkeiten bei der Geburt oder den oben genannten Krankheiten, es sei nach wie vor möglich, diese Kinder in Aalen zu beatmen. „Wir als Krankenhausträger würden es gar nicht akzeptieren, dass ganz normale Ereignisse nicht mehr in Aalen behandelt werden könnten“, sagt Pavel.
Was sich ändert, ist, dass die Frühgeborenenmedizin in Aalen von der Versorgungsstufe eines Perinatalzentrums Level Zwei auf Level Drei zurückgestuft wird. Der Standort in Aalen wird dann als Perinataler Schwerpunkt bezeichnet. Sprich: Künftig werden in Aalen nur noch Frühgeburten ab einem Gewicht von 1500 Gramm und darüber betreut. Babys, die unter dieses Gewicht fallen, müssten in Mutlangen behandelt werden. Dort bleibt die höchste Versorgungsstufe eines Perinatalzentrums Level Eins behalten.
„In vielen Fällen kann man eine drohende Frühgeburt gut vorausdiagnostizieren“, sagt Vorstandsvorsitzender Axel Janischowski. Und meistens befänden sich betroffene Frauen bei der Geburt in entsprechenden Zentren – das Kind müsste dann gar nicht mehr außerhalb des Mutterleibes, der sich dafür am besten eigne, transportiert werden, sagt Janischowski. Eine Kinderklinik habe so viele Bereiche. Die Kinderfrühmedizin sei nur ein sehr kleiner Teil davon.
2016: Vier Frühchen unter 1250 Gramm an den Ostalbkliniken
2016 gab es vier Frühgeburten an der Aalener Ostalbklinik, die unter 1250 Gramm wogen und damit Versorgungsstufe Eins benötigten. Die Versorgungsstufe Zwei brauchten mit einem Gewicht zwischen 1250 und 1500 Gramm acht Frühgeborene und Versorgungsstufe Drei hatten mit einem Gewicht über 1500 Gramm 114 Kinder nötig. Sogenannte Reifgeborene, also normal ausgewachsene Kinder, waren es 1261 Babys. Die Änderung betreffe also gerade mal zwölf Kinder im Jahr, sagt Janischowski. Aalen sei mit Stufe Drei nach wie vor in der Lage alle anderen Entbindungen medizinisch zu versorgen. „Man braucht keine Sorge haben, dass man hier bei Geburten nicht mehr versorgt wird.“
Chefarzt Joachim Freihorst, der Ende des Jahres in den Ruhestand geht, äußert sich zögerlich zu der Fusion. „Man kann im Moment noch nicht sagen, wie sich das voll entwickelt.“Doch er sieht durchaus auch Potenzial in dem Zusammenschluss: Das Portfolio werde erweitert, Subspezialitäten ermöglicht.
Die Leitung wird Mutlangens Chefarzt Jochen Riedel übernehmen. Der Aalener Arzt Freihorst glaubt allerdings nicht, dass das ein Problem wird: „Er wird einen Spagat machen müssen zwischen den beiden Standorten.“Dass Aalen irgendwann als Stiefkind vernachlässigt wird, glaubt er nicht: Die beiden Standorte seien gleichberechtigt. Aalen sei schließlich auch von der Patientenanzahl her der größere Standort.
Der Hintergrund für die Zusammenlegung sei der, dass es teilweise konkurrierende Angebote im eigenen Kreis gegeben habe, sagt Pavel. Dabei seien Aalen und Mutlangen keine Konkurrenten, sondern seit der Zusammenlegung im Januar 2017 Teile der Ostalbkliniken.
Durch die Fusion der Kinderkliniken werde eine der größten Kinderkliniken Baden-Württembergs entstehen. Man tausche sich aus und arbeite als Team zusammen, sagt Janischowski. Gab es beispielsweise bisher nur in Mutlangen eine Pädiatrische Kardiologie, werde diese jetzt auch in Aalen angeboten. Im umgekehrten Fall werde die Pädiatrische Pneumologie jetzt auch in Mutlangen vor Ort sein.
Klinik sucht aktuell nach Pflegepersonal
Personal werde dadurch nicht abgebaut, sondern im Gegenteil noch zugelegt, berichtet Janischowski. Denn aktuell sei man gar nicht in der Lage, beide Standorte durchgehend am Laufen zu halten. Wochenweise sei sowohl der Standort Mutlangen als
„In vielen Fällen kann man eine drohende Frühgeburt gut vorausdiagnostizieren.“ Vorstandsvorsitzender Axel Janischowski „Wir können uns nicht mehr dreimal das gleiche Angebot im Kreis leisten.“
auch Aalen wegen Schwangerschaften, Krankheit und Urlaub abgemeldet worden.
Und natürlich geht es auch hier ums liebe Geld: „Wir können uns nicht mehr dreimal das gleiche Angebot leisten“, sagt Pavel. Bei einem Defizit im Ostalbkreis der Kliniken von sechs Millionen Euro dürfe man nicht immer nur klagen, „ohne dass man darüber nachdenkt, wie man Einsparungen trifft“. Man müsse mehr miteinander denken.
Landrat Klaus Pavel