Martinshorn als nächtlicher Ruhestörer
Beim DRK-Zentrum in der Bischof-Fischer-Straße geht es mitunter laut zu – Anwohner reagieren unterschiedlich
- Brutal aus dem Schlaf gerissen fühlt sich ein Anwohner der Bischof-Fischer-Straße des Öfteren von vorbeifahrenden Rettungswägen. Er führt Protokoll und liest am Telefon die Zeiten vor, zu denen er von lauten Martinshörnern aus dem Nachtschlaf gerissen wurde: Nachts um 2.30 Uhr, um 3 Uhr, um 4.37 Uhr, die Häufigkeit der Störungen pro Nacht sei ganz unterschiedlich. Mit den bevorstehenden Reichsstädter Tagen rechnet er wieder mit weniger Nachtschlaf.
„Man wird aus dem Schlaf gerissen, der Puls und der Blutdruck steigen stark an“, sagt der 60-Jährige. Er leide gesundheitlich massiv unter den nächtlichen Störungen. Und das jedes Mal, wenn der Sanka-Fahrer das Martinshorn schon ab dem DRKZentrum einschaltet: Die Feuerwehr sei umsichtiger und schalte das Martinshorn meist erst unten beim Blumenhaus Ulrich ein. Wobei es auch manche Fahrer gebe, die Rücksicht nähmen und das Martinshorn erst später einschalteten.
Die Rechtslage sei klar, sagt Anwalt und DRK-Justitiar Helmut Bezler: „Es ist grundsätzlich so, dass Rettungswägen, die zu Notfällen gerufen werden, mit Sondersignalen fahren müssen.“Und dazu gehöre beides: Blaulicht und Martinshorn. Nur wenn beides eingeschaltet ist, haben die DRK-Mitarbeiter die sogenannten Sonder- und Wegerechte. Ist das Martinshorn aus, übernehmen sie bei einem Unfall die volle Haftung.
Dieses Risiko wollen seine Mitarbeiter verständlicherweise so gering wie möglich halten, sagt Rettungsdienstleiter Marc Sachsenmaier. Er habe vollstes Verständnis dafür, dass es ärgerlich sei, wenn man in der Nähe des DRK-Zentrums wohne und alle paar Stunden gestört werde. Und die DRK-Mitarbeiter seien auch dazu angehalten, nachts Rücksicht auf die Anwohner zu nehmen. Doch in die Bischof-Fischer-Straße münden viele Sträßchen und es gelte auch deren Passanten und Fahrer zu warnen, sagt Bezler. „Meine Mitarbeiter sind nachts nicht zum Spaß unterwegs, sondern weil sie so schnell wie möglich Patienten erreichen und retten wollen.“
Martinshörner seit Jahrzehnten gleich laut
Dass die Martinshörner im Lauf der Zeit lauter wurden, sei eine Fehlannahme, sagt Xaver Wörz von der Aalener Firma System Strobel, die Rettungswagen baut. „Martinshörner werden seit Jahrzehnten in derselben Art gebaut.“Es gibt feste Vorschriften für Lautstärken, auch zum Schutz der Sanka-Fahrer. Am häufigsten baut die Firma ein mit einem Kompressor betriebenes System ein, das sie von der Firma Martin bezieht. Pressluft erzeugt den typischen Zweiklang, der eigentlich aus vier Tönen besteht, wie Wörz berichtet. „Es gibt vier Flöten, die unterschiedlich hoch gestimmt sind.“Zu den beiden Grundtönen A und B gibt es jeweils eine ganz leichte Abstufung, dadurch schwingen die Töne etwas und ein sogenanntes Tremolo entsteht.
Dagegen wirke ein elektrisch betriebenes Horn dünn und werde nicht so laut wahrgenommen, wie das vom Kompressor betriebene, sagt Wörz. Obwohl bei Messwerten jeweils die gleiche Lautstärke angezeigt wird. „Der Ton breitet sich nicht so gut aus.“Aus einem Meter Entfernung sind das bei einem Martinshorn immerhin 125 Dezibel. So nah wird dem Horn allerdings im Normalfall niemand kommen. Zum Vergleich: Ein Presslufthammer hat etwa 100 Dezibel.
„Ich wünsch denen, dass alles gut geht“
Übrigens sehen andere Anwohner der Bischof-Fischer-Straße das Problem gelassener: „Wenn einen das stört, dann darf man nicht hierher ziehen“, sagt ein 69-jähriger Anwohner. Auch die 45-jährige Sabine Hütter wohnt dort. Sie empfindet den Lärm eher tags als nachts störend, weil ihr Schlafzimmer in die andere Richtung gehe und sie nachts nicht geweckt werde. „Ab und zu wach ich auf “, erzählt die 70-jährige Ursula Fichtner. Aber sie habe sich dran gewöhnt. „Ich denk immer: Irgendwann fahren die wegen mir raus.“
Ähnlich ergeht es einer 77-jährigen Anwohnerin, die ebenfalls schon mit dem Krankenwagen abgeholt wurde. Es sei eine Wohltat des Staates, dass es den Service überhaupt gebe. Sie wache schon manchmal auf und werde dann immer kurz aufgewühlt. Allerdings sende sie dann immer ein kurzes Stoßgebet für den Betroffenen und den Fahrer zum Himmel. „Ich wünsch denen, dass alles gut geht.“