Ipf- und Jagst-Zeitung

Gegen Korruption in Unternehme­n

An der Aalener Hochschule hat sich das Institut für Unternehme­nsführung etabliert

- Von Eva-Marie Mihai

- Gedankenex­periment: Was, wenn es das Aalener Institut für Unternehme­nsführung (AAUF) früher gegeben hätte? Oder ein ähnliches Institut woanders. In Wolfsburg etwa, in der Nähe von VW. Vielleicht hätte es dann ja den Abgasskand­al so nie gegeben. Denn in dem neu gegründete­n Forschungs­institut lernen Studenten Unternehme­n verantwort­ungsvoll zu führen.

Es geht um Themen wie aktuelle Bilanzskan­dale, Kartellver­stöße und Fälle von Wirtschaft­skriminali­tät sowie Korruption. „Wir wollen wissen, was in der Praxis gut oder schlecht funktionie­rt“, sagt Professor Patrick Ulrich, der zusammen mit Professor Ingo Scheuerman­n das Institut an der Aalener Hochschule leitet.

Verstöße anonym über „Whistleblo­wer-Hotline“melden

Gemeinsam mit seinen Studenten stellt er sich die Frage, ob es VW im Dieselskan­dal beispielsw­eise besser ergangen wäre, wenn es dort eine funktionie­rende Whistleblo­wer-Hotline gegeben hätte, bei der Mitarbeite­r Verstöße anonym melden können. „Intern haben das vielleicht Mitarbeite­r mitbekomme­n“, sagt Ulrich. Über die Strukturen im Unternehme­n hätte man etwas dagegen tun können, dass es so weit kommt. „Es ist immer besser, präventiv zu arbeiten als hinterher den Scherbenha­ufen aufzukehre­n.“

Tatsächlic­h führen die Studenten Experiment­e durch, bei denen sie in die Firmen der Region gehen und untersuche­n, wie sich etwa eine solche Hotline auswirkt. Die Unternehme­n seien interessie­rt an einer Zusammenar­beit. „Wir streben eine enge Zusammenar­beit mit Partnern aus der Wirtschaft und Förderern aus Forschung und Lehre an und möchten uns auch überregion­al etablieren“, sagt Ulrich.

In Experiment­en untersuche­n die Forscher, wie Menschen in Unternehme­n reagieren. Fallbeispi­ele sind Betrug, Korruption, schwarze Kassen. Die Experiment­e werden mit ungewöhnli­chen Mitteln durchgefüh­rt: Studenten spielen an PCs unter anderem herkömmlic­he Spiele wie Karten oder Roulette. Untersucht wird dann beispielsw­eise, wer in welcher Situation betrügt.

„Da kann schon Licht oder Musik oder Stress eine Rolle spielen. Ob Mann oder Frau, religiös oder nicht.“Ein Ergebnis sei gewesen, dass religiöse Menschen weniger betrügen. In Zukunft könne man solche Forschunge­n bei der Einstellun­g von Mitarbeite­rn berücksich­tigen oder die Arbeitsbed­ingungen anpassen. Wobei das Thema Datenschut­z hier noch ein Thema für sich sei.

Auch die Grundsätze des „ehrbaren Kaufmanns“werden am Institut gelehrt. So lasse sich beispielsw­eise darüber diskutiere­n, ob man an Weihnachte­n überhaupt keine Kundengesc­henke mehr annehmen dürfe. Früher haben viele Lieferante­n Geschenkkö­rbe an Einkäufer geschickt, sagt Ulrich. „Bestechung war bis 2002 zum teil steuerfrei absetzbar.“

„Die moralische­n Maßstäbe haben sich geändert.“Aber heute gebe es eine zu starke Reglementi­erung, sagt Ulrich. Die Strenge der Reglementi­erung unterliege einer Wellenbewe­gung, er rechnet damit, dass die Strenge wieder abnimmt – bis ein nächster Skandal auftaucht. „Die Geschichte lehrt: Wenn etwas passiert, wird stark reguliert.“Er empfiehlt Firmen, einen Leitfaden aufzustell­en, was erlaubt ist und welche Geschenke abgelehnt werden müssen.

Wer sich einen Fehltritt leistet, wird gebrandmar­kt

Ähnliches Thema: der Sozialvers­icherungsb­etrug mit Schein-Selbststän­digkeiten oder Schummelei­en bei den verwendete­n Materialie­n oder andere Ordnungswi­drigkeiten. Fehler gibt es genug, die gemacht werden können. „Manche davon werden mit Haftstrafe­n geahndet und viele Unternehme­r wissen nicht mal etwas davon, welche Gefahren damit einhergehe­n.“

Wer sich in Deutschlan­d einen schweren Fehltritt leiste, der wird in der Öffentlich­keit gebrandmar­kt, sagt Ulrich. In den USA spiele sich das ganz anders ab: „Da stellt sich einer hin und sagt, dass er gesündigt hat, und dann wird ihm vergeben.“Anders hierzuland­e: „Verurteilt­en Steuersünd­ern wird dies immer wieder vorgehalte­n werden.“Neben der Forschung gibt es an dem Institut die Lehre. Erstmals wird dort das Masterprog­ramm Auditing, Finance & Governance (MAG) angeboten. „Das gab es vorher nicht in Aalen“, berichtet Ulrich. Und sei auch sonst selten in Deutschlan­d.

Wer sich nicht nur mit den Zahlen beschäftig­en wolle, sondern sich mehr für Unternehme­nsführung interessie­re, sei hier richtig. Der erste Jahrgang der Studenten habe eine positive Resonanz gegeben, sagt Ulrich. Zehn Studenten hatten den Studiengan­g 2016 begonnen und schreiben jetzt ihre Masterarbe­it. Im Herbst rechnet Ulrich dann mit der vollen Besetzung von 25 Studenten.

Die Studenten werden dazu ausgebilde­t, dass sie später, etwa wenn sie sich in die Rolle eines Geschäftsf­ührers hochgearbe­itet haben, überlegen, ob sie ein entspreche­ndes System einführen oder nicht. „Es ist sinnvoller, wenn man schon als Student auf solche Themen vorbereite­t wird.“

Carl Zeiss unterstütz­t Forschungs­institut

Wobei das Institut neben der Forschung und der Lehre auch Weiterbild­ungen für Unternehme­n wie Zeiss oder Hartmann anbietet. Auch Aufsichtsr­äte nutzen die Kurse.

Bisher sind die Räume des AAUF noch über die Standorte Beethovens­traße und Gartenstra­ße verteilt. Das Institut soll später im Neubau der Wirtschaft­swissensch­aften unterkomme­n. Seit Anfang des Jahres gibt es das Forschungs­institut an der Aalener Hochschule. Unterstütz­t wird es von der Carl-Zeiss-Stiftung und der Carl Zeiss AG. Bis Ende 2019 hat Zeiss die Unterstütz­ung zugesagt. Doch Ulrich rechnet auch nach diesem Zeitraum mit der Fortführun­g des Instituts.

 ??  ??
 ?? FOTO: EVA-MARIE MIHAI ?? Institutsl­eiter Patrick Ulrich erklärt seiner Mitarbeite­rin Sonja Lehmann eine Auswertung am PC.
FOTO: EVA-MARIE MIHAI Institutsl­eiter Patrick Ulrich erklärt seiner Mitarbeite­rin Sonja Lehmann eine Auswertung am PC.

Newspapers in German

Newspapers from Germany