Ipf- und Jagst-Zeitung

Warum die Populisten in Norwegen chancenlos sind

- Von Pierre-Henry Deshayes, Oslo

Nach einem Wahlkampf ohne populistis­che Auswüchse wird in Norwegen heute ein neues Parlament gewählt. Als Herausford­erer der 56-jährigen konservati­ven Ministerpr­äsidentin Erna Solberg tritt der 57-jährige Sozialdemo­krat Jonas Gahr Störe an. Klare Mehrheitsv­erhältniss­e sind laut Umfragen eher nicht zu erwarten, da neben den Schwergewi­chten etliche Parteien die Vier-Prozent-Hürde überwinden dürften. So sind Koalitions­verhandlun­gen etwa mit Christdemo­kraten, Liberalen, Grünen, Sozialiste­n, Marxisten und der Fortschrit­tspartei möglich.

Neben der allgemeine­n skandinavi­schen Zurückhalt­ung in Wahlkampfz­eiten ist die politische Lage in Norwegen auch deshalb so entspannt, weil die Öleinnahme­n gigantisch­en Reichtum in den dafür geschaffen­en Staatsfond­s gespült haben. Sie haben sich seit den 1990erJahr­en auf fast eine Billion Euro summiert. Bei 5,3 Millionen Einwohnern sind das rechnerisc­h nahezu 200 000 Euro pro Person. Unstrittig ist unter den norwegisch­en Parteien aber auch, dass dieses Geld eine eiserne Rücklage für Zeiten ohne Öleinnahme­n bilden soll und nicht vorher verschleud­ert werden darf.

Solberg steht für die Fortsetzun­g der bisherigen Politik von Steuererle­ichterunge­n. Dagegen setzt sich Störe für eine Rückkehr zum traditione­llen Modell des Wohlfahrts­staates ein und würde einige Steuersenk­ungen der Vergangenh­eit wieder rückgängig machen, um das dadurch frei werdende Geld umverteile­n zu können. Die Grünen setzen sich dafür ein, die Ausbeutung der Ölvorkomme­n innerhalb von 15 Jahren zu stoppen – und wollen keine Koalition unterstütz­en, die diese Forderung nicht mitträgt.

Bei der Wahl sind 169 Sitze im sogenannte­n Storting zu vergeben. Davon werden 19 Ausgleichs­mandate unter den Parteien aufgeteilt, die die Vier-Prozent-Hürde überspring­en. Politikwis­senschaftl­er haben kalkuliert, dass am Ende rund zehn verschiede­ne Bündnis-Konstellat­ionen für die Bildung der kommenden Regierung in Frage kommen könnten.

Auf lange Sicht haben in Norwegen häufig die Sozialdemo­kraten die Nase vorn gehabt, aus deren Reihen der ehemalige Regierungs­chef und jetzige Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g stammt. Stoltenber­g ist ein Freund und Mentor Störes, der zwischen 2005 und 2013 zunächst Außen- und dann Gesundheit­sminister war.

Angesichts der soliden Wirtschaft­sdaten könnte die Regierungs­chefin aber auch gestärkt aus der Wahl hervorgehe­n. Solberg, die zweite Frau in diesem Amt nach Gro Harlem Brundtland, leitet die Regierung seit 2013. Sie hält sich das derzeitige moderate Wachstum von 0,7 Prozent in den beiden ersten Quartalen und die niedrige Arbeitslos­enquote von 4,3 Prozent zu Gute. (AFP)

 ?? FOTO: AFP ?? Ball flach halten: Norwegens Regierungs­chefin Erna Solberg macht Wahlkampf in Oslo.
FOTO: AFP Ball flach halten: Norwegens Regierungs­chefin Erna Solberg macht Wahlkampf in Oslo.

Newspapers in German

Newspapers from Germany