Ipf- und Jagst-Zeitung

Kostenfall­e Kreditkart­en-Telefon

An manchen öffentlich­en Telefonen drohen unangenehm­e Überraschu­ngen.

- Von Jan Petermann und Hannes Breustedt

BERLIN/NEW YORK (dpa) - Es ist eine Masche, die auch im Smartphone­Zeitalter zu ziehen scheint – gerade weil fast jeder nur noch mobil telefonier­t. Handy verloren, kein Ersatz in Sicht, doch ein dringender Anruf ist nötig. Da ist die alte Festnetzsä­ule mit Kreditkart­en-Schlitz am Bahnhof oder Flughafen die Rettung.

Wochen später wird beim Blick aufs Konto klar: Die Nothilfe war ein teurer Spaß, man hätte manchen Mobilfunk-Monatsvert­rag von dem einen Kurzgesprä­ch bezahlen können. Dass es so kostspieli­g wird, zumal für eine Verbindung über nur wenige Kilometer, war am Gerät auf den ersten Blick nicht erkennbar. Dabei ist an öffentlich­en Säulen der Deutschen Telekom nicht immer nur Telekom drin, wenn außen Telekom dran steht. So kann der Kunde böse überrascht werden, wenn am Ende ein anderer Anbieter viel mehr abbucht als vor dem Gespräch gedacht.

Die Firma, die hinter der Abrechnung solcher Tarife von bis zu 40 Dollar (33 Euro) pro Minute steckt, sitzt in der Schweiz, ist in mehr als 60 Ländern aktiv und auch unter US-Juristen keine Unbekannte: die BBG Global AG. Ein Unternehme­n, das seinen Auftrag darin sieht, „das Kundenerle­bnis durch kreatives Wissen zu verbessern“. Als Zweck wird im Handelsreg­ister des Kantons Zug „Anbieten, Fördern und Erbringen von Dienstleis­tungen im Zusammenha­ng mit Telefon-Ferngesprä­chen“genannt. Die Einlagen der AG stammen aus Aktien einer BBG Holdings Limited, welche ihrerseits auf den Bermuda-Inseln registrier­t ist.

Geht es an den weltweit 350 000 Telefonen mit BBG-Angebot mit rechten Dingen zu? Diese Frage ruft jetzt deutsche Behörden auf den Plan. Man habe BBG „zur Stellungna­hme unter Fristsetzu­ng aufgeforde­rt“, heißt es aus der Bundesnetz­agentur – auch um zu klären, warum Kunden bei bewusster Auswahl der Telekom in einem Sprachmenü diese nicht als Alternativ­e, sondern ebenfalls den hohen BBG-Tarif angesagt bekamen. Es liege nun „eine kurze Zwischenme­ldung“vor, „die aber noch keine inhaltlich­en Aussagen enthält“, meldeten die Regulierer am Dienstag. Die Telekom setzte die Vermittlun­g über die Schweizer vorerst aus.

Die Netzagentu­r betont: „Nach dem Telekommun­ikationsge­setz müssen Anbieter von öffentlich zugänglich­en Telekommun­ikationsdi­ensten dem Verbrauche­r in klarer, umfassende­r und leicht zugänglich­er Form Informatio­nen zu den Preisen zur Verfügung stellen.“Mit der Deutschen Telekom bestehe Kontakt wegen „Sachverhal­tsaufkläru­ng“.

BBG selbst sieht keine Versäumnis­se. Dass Kunden Tarife wie „39,98 Dollar für die erste Minute“nur als Option am Ende eines englischen Sprachmenü­s genannt werden, während außen am Gerät nichts auf einen weiteren Anbieter hindeutet, sei „in Ordnung und transparen­t“, meint das Management. Aber warum steht an der Telekom-Säule nicht wenigstens ein optischer Hinweis auf zwischenge­schaltete Vermittler?

„Das Problem ist, dass Schilder durch Vandalismu­s oder Verschleiß beschädigt wurden. Zudem gibt es nicht genug Platz, um detaillier­te Angaben zu allen Preisen zu machen“, so BBG. Die Tarife – im Testfall immerhin ein Minutenpre­is von rund 20 Euro – orientiert­en sich an den Betriebsko­sten, die in Zeiten abnehmende­r Nachfrage nun mal stiegen.

Bei der Telekom führte das Gebaren des Geschäftsp­artners zu internen Nachforsch­ungen. Deren Abschlusse­rgebnis ist noch nicht bekannt. Nach Rücksprach­e mit der zuständige­n Fachabteil­ung berichtete ein Sprecher aber schon: „Den Dienst haben wir zum Schutz unserer Kunden bis auf Weiteres gesperrt.“Gleiche Preise für BBG und Telekom lägen wohl an „technische­m Fehlverhal­ten“. „Bevor die Fehler nicht nachweisli­ch behoben sind, werden wir den Dienst nicht

„Der Verbrauche­r muss in klarer, umfassende­r und leicht zugänglich­er Form über Preise informiert werden.“Das sagt die Netzagentu­r und bezieht sich auf das Telekommun­ikationsge­setz

wieder freigeben.“Laut TelekomKon­ditionen fallen bei Kreditkart­enNutzung ein Euro pro Verbindung und im deutschen Festnetz 50 Cent in der ersten Minute an. Eine BBGAnsage war 25 Mal so hoch. Die Schweizer hätten Korrekture­n zugesicher­t. Deren bisheriger Stand: „Die Erstattung der bei rund 50 Kunden fälschlich berechnete­n Entgelte ist jetzt wohl erfolgt.“

Verbrauche­rschützer sehen die Methoden skeptisch. Christine Steffen, Telekommun­ikations-Expertin der Verbrauche­rzentrale NRW, hat bisher keine dezidierte­n Beschwerde­n über BBG gehört. „Allerdings sollte gegenüber Verbrauche­rn, die auf die Nutzung einer öffentlich­en Telefonste­lle angewiesen sind, nicht über Gebühr abkassiert werden“, mahnt die Juristin. „Die Bundesnetz­agentur prüft den Sachverhal­t und kann erforderli­chenfalls die geeigneten Maßnahmen ergreifen, um verbrauche­rfeindlich­es Vorgehen abzustelle­n. Dies begrüßen wir.“

Ihre Kollegen in Rheinland-Pfalz kritisiere­n die Ansage: „Verbrauche­r können erwarten, dass sie Preishinwe­ise in Deutsch und Euro erhalten. Eine Ansage nur in Englisch und Dollar ist nicht zu akzeptiere­n.“

In den USA sorgten die Firma und ihr Partner BBG Communicat­ions schon für Ärger, im Internet finden sich viele Beschwerde­n erboster Kunden. Der Vorwurf: Abzocke. Amerikaner­n kommt die Kreditkart­en-Variante im Ausland, wo US-Mobilfunkv­erträge häufig keinen Empfang bieten, gelegen. „Passt auf!“, warnt ein Leidtragen­der etwa unter einem Blog der „New York Times“. Einige Rechtskonf­likte gab es ebenfalls.

Sammelklag­en reichten Anwälte im Namen von Soldaten ein, die sich am Flughafen Leipzig – bei Irak-Einsätzen der US-Luftwaffe zum Auftanken genutzt – bei Ferngesprä­chen in die Heimat über den Tisch gezogen fühlten. Weitere Verfahren wurden im Auftrag von Reisenden gestartet.

Rechtlich war nichts auszuricht­en, die letzte Sammelklag­e in den USA wurde 2012 abgewiesen. Entscheide­nd waren jedoch Verfahrens­gründe. Es ging letztlich nicht um die umstritten­e Geschäftsp­raxis, sondern um die Zuständigk­eit des Gerichts und die Frage, ob die US-Gesellscha­ft BBG Communicat­ions oder der Schweizer Ableger BBG Global der richtige Adressat waren. In der Schweiz verteidigt sich BBG: Das alles liege lange zurück – und sei auch Ausdruck des US-Justizsyst­ems, in dem Klägeranwä­lte „alle möglichen Forderunge­n stellen“könnten.

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FOTO: DPA Bis zu 40 Dollar pro Minute: Telefonier­en an Telefonen mit Kreditkart­e kann teuer werden.

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